Der Basketballsport war schon immer eine Sportart im Wandel. Kaum eine andere Sportart hat in ihrem Dasein so viele verschiedene Regeländerungen durchgemacht wie der Basketball. Die Shotclock wurde eingeführt und die Dreipunktelinie erfunden, um nur die beiden wichtigsten von unzähligen Reformen zu nennen. Doch nicht nur das Regelwerk hat sich im Laufe der Zeit verändert, auch die Art und Weise wie Spiele aufgearbeitet werden, wurde ein Teil dieses Wandels. Die sogenannten “Advanced Stats” haben den Weg in die Berichterstattung gefunden und mit der Zeit kamen die Fans immer häufiger mit etwas in Berührung, was nicht selten mehr mit Mathematik als mit der Sportart selbst gemein hat.
Eine Chance
Dem “gewöhnlichen” NBA-Fan eröffnen sich durch den Vormarsch der modifizierten Statistiken durchaus Möglichkeiten. Wer die verschiedensten Statistiken richtig anzuwenden weiß, der kann die Qualitäten der Spieler fundierter einschätzen, insbesondere dann, wenn man als Basketballfan gar nicht die Möglichkeit hat, allen Teams eine gewisse Aufmerksamkeit zu widmen. Denn wer hat schon Zeit sich in der Woche fünfzehn Spiele anzuschauen? Statistiken helfen insoweit, als dass man sich ein Bild eines Spiels oder eines Spielers machen kann, ohne ihn mehrmals in der Realität gesehen zu haben. Natürlich unter der Prämisse, dass man dieses aus Zahlen bestehende Werkzeug korrekt bedient, was nicht selten sehr anspruchsvoll ist, weil so viele verschiedene Statistiken parallel laufen, davon einige aussagekräftiger sind und einige leider nicht. Die reine Feldwurfquote ist eine der Statistiken, von denen man in der heutigen Zeit lieber die Finger lassen sollte.
Die Probleme mit der Feldwurfquote
Zunächst festzuhalten ist: die Feldquote gab es schon immer. Im ersten Basketballspiel aller Zeiten, kurz nachdem der legendäre James Naismith 1891 das Basketballspiel erfunden hat, saß sicherlich der ein oder andere Beobachter auf der Tribüne der Sporthalle und hat mitgezählt, welcher Spieler wie häufig geworfen und getroffen hat. Die Feldwurfquote war geboren und galt jahrzehntelang als Indikator dafür, wer wie gut darin war, den Ball erfolgsversprechend zu versenken. In gewisser Weise erscheint uns die Feldwurfquote somit als alter Veteran unter den Statistiken, mit einer Fülle an Erfahrung, wenn auch etwas einfach gestrickt und ohne die Fähigkeit, die heutige Welt zu verstehen. Trotzdem greift die Welt weiterhin gern auf sie zurück. Wahrscheinlich weil sie so einfach konzipiert ist und jeder sofort weiß, dass eine Feldwurfquote von 50% besser ist als eine Quote von 45%. Und genau beginnt das Problem. Eine Feldwurfquote von 50% muss nicht zwingend besser sein als 45%. Man glaubt es nur zu wissen, weil die Zahl größer ist, doch die Wahrheit sieht nicht selten ganz anders aus.
Das Problem der Feldwurfquote ist nämlich, dass die Schwierigkeit des Wurfes überhaupt nicht abgebildet wird oder anders ausgedrückt: Es gibt zwei verschiedene Wertemöglichkeiten für einen erfolgreichen Wurf: zwei oder drei Punkte. Und diese einfache Tatsache kann unter Umständen alles verändern. Ein einfaches Beispiel:
Spieler A wirft sechs Mal, davon keinen Versuch aus der Dreipunktedistanz, und trifft drei Mal. Die Feldwurfquote beträgt 50% und es sprangen sechs Punkte heraus.
Spieler B wirft ebenfalls sechs Mal, jedoch sind alle Versuche aus der Weitdistanz, und trifft davon nur zwei Mal. Die Feldwurfquote beträgt in diesem Fall nur 33%, obwohl ebenfalls sechs Punkte mit sechs Würfen generiert wurden.
Die effektive Wurfleistung beider Spieler ist dieselbe: sechs Würfe, sechs Punkte, doch die Feldwurfquote kommt zu gänzlich anderen Ergebnissen (es entsteht ein Unterschied von 17%). Stellen wir uns vor, dass Spieler B die Hälfte seiner sechs Versuche von Downtown trifft. Dann wäre die Feldwurfquote dieselbe (beide 50%), obgleich Spieler B aus den sechs Würfen neun Punkte gemacht hätte, also 50% mehr als Spieler A.
Das lässt nur einen Schluss zu: offensichtlich ist die einfache Feldwurfquote nicht dazu geeignet, die Wurfleistung eines Spielers richtig abzubilden, weil sie die Belohnung des zusätzlichen Punktes bei den Dreipunktewürfen überhaupt nicht gewichtet.
Eine Alternative: die eFG%
Glücklicherweise gibt es Alternativen. Die sogenannte “Effektive Feldwurfquote” (abgekürzt häufig mit eFG%) bereinigt das Problem auf sehr elegante Weise, indem sie bei der Berechnung der Quote die Erfolge aus der Weitdistanz mit dem Faktor 1.5 multipliziert, was auch der Realität enspricht, denn bei einem solchen Treffer bekommt das Team 1.5 mal soviele Punkte gutgeschrieben (drei statt zwei Punkte). Ansonsten ist die Rechnung dieselbe, also:
eFG% = (FG + 0.5*3er)/ FGA
Die meisten Statistikportale führen mittlerweile bei jedem Spieler oder Team diese Kategorie, damit man eine vernünftige Grundlage hat, die reine Wurfleistung – man könnte auch Wurfauswahl sagen – zu evaluieren.
Um noch ein Beispiel aus der echten NBA zu nehmen: Chauncey Billups hat beispielsweise eine Karrierefeldwurfquote von nur 41.6%. Evan Turners Quote beträgt 43.5%. Die reine Feldwurfquote würde jetzt suggerieren, dass Turners Wurfleistung die Bessere sei, was nachweislich nicht stimmt. Turner wird hier privilegiert, weil Billups zahlreiche Dreipunkteversuche (fast fünf pro Spiel über seine Karriere) ihm bei der einfachen Feldwurfquote schaden, obwohl sie mehr Punkte generieren, also erfolgsversprechender sind. Die Effektive Feldwurfquote deckt dies schonungslos auf. Die eFG% von Turner beträgt über seine Karriere hinweg schwache 44.9%, die von Billups solide 49.6%.
Insofern ist es empfehlenswert, sich die eFG% und nicht die reine FG% anzuschauen, wenn man die Wurfauswahl bzw. die Wurfleistung eines Spielers bewerten möchte.
Ein kleiner Exkurs: Freiwürfe
Punkte lassen sich bekanntermaßen nicht nur durch getroffene Würfe aus dem Feld generieren, sondern eben insbesondere auch von der Freiwurflinie, wodurch die statistische Aufarbeitung der gezeigten Leistung des Spielers komplizierter wird.
Um dies vom vorigen Thema abzugrenzen: Die eFG% versucht, wie gerade gezeigt, der Wurfauswahl des Spielers eine Prozentzahl zuzuordnen. Die sogenannte True-Shooting-Percentage (abgekürzt TS%) versucht etwas Ähnliches durch Hinzunahme der Freiwürfe, wodurch man letztendlich ermitteln kann, wie effizient ein Spieler zu seinen Punkten kommt (Ballverluste ausgeklammert). Es liegt nahe, dass ein Spieler, der zwar keine gute Wurfquote hat, dafür jedoch viele Freiwürfe herausholt und trifft, ebenfalls effizient sein kann. Die TS% bietet eine Lösung und wird wiefolgt berechnet:
TS% = Points / 2*(FGA + 0.44 FTA)
Warum vor den Freiwurfversuchen (FTA) ein Faktor von 0.44 berechnet wird, würde hier jetzt zu weit führen. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass mit Hilfe dieser Formel sehr zuverlässig die Scoring-Effizienz (ohne Ballverluste) eines Spielers berechnet werden kann. Immer wenn man Aussagen über die Wurfeffizienz treffen möchte, sollte man auf das True Shooting zurückgreifen.
Wichtig dabei ist, dass sie insbesondere davon abhängt, wie viel Verantwortung ein Spieler in der Offensive bekommt. So hat ein Steve Kerr beispielsweise einen höheren TS%-Wert als Michael Jordan (59% zu 57%). Steve Kerr war also in der Tat effizienter als Michael Jordan, jedoch eben nur im Verhältnis zu den Touches, die er in der Offensive bekam. Kerr schloss in seiner Karriere nur 14% der Angriffe seiner Teams ab, MJ ganze 33.3%. Es liegt nahe, dass mit mehr Verantwortung in der Offensive die Effizienz in der Regel sinkt. Wenn Kerr so viel Verantwortung (= so viele Würfe) wie MJ hätte übernehmen müssen, wäre seine TS% sicherlich nicht so hoch gewesen.
Insofern ist es wichtig, dass man die bei dieser Statistik Werte von Spielern mit ähnlichen Rollen vergleicht, nicht jedoch die Werte eines Rollenspielers mit denen eines Franchiseplayers.
Fazit
Was lässt sich also festhalten? Durch die Erfindung der Dreipunktelinie hat sich das statistische Aufarbeiten gezeigter Wurfleistungen erheblich geändert. Die altgediente reine Feldwurfquote ist nicht in der Lage die tatsäche Wurfleistung zu erfassen, weil sie die zusätzliche Belohnung erfolgreicher Dreipunktewürfe ignoriert, so dass eine Modifizierung unerlässlich war. Insofern sollte man sich bei der Bewertung von Wurfleistungen auf zwei Statistiken beschränken. Zum einen die sogenannte “Effektive Feldwurfquote” (eFG%), welche die Dreipunktewürfe gewichtet, so dass sich die Wurfauswahl besser beurteilen lässt. Zum anderen die True Shooting Percentage, welche noch die Freiwürfe hinzunimmt, um eine allgemeine Scoring-Effizienz (ohne Beachtung der Ballverluste!) abzuleiten. Die reine Feldwurfquote hat ausgedient.