Dallas Mavericks, NBA

Lame Dirk?

Im letzten Juli entschied sich erst Deron Williams, dann auch noch Steve Nash und sogar Jason Kidd gegen einen Vertrag bei den Mavericks. Für viele Dallas-Fans eine herbe Enttäuschung, mit einem weiteren Star neben Dirk Nowitzki sollte das Team in den letzten Jahren des Deutschen als Spieler noch weitere Championships in Angriff nehmen.

Doch weder mit einem Superstar noch mit sonstigen Free Agents sind die Chancen auf eine erneute Meisterschaft für Dallas realistisch gesehen besonders hoch. Vor allem die von Liga und Tarifvertrag (CBA) gesetzten finanziellen Rahmenbedingungen sind dafür verantwortlich, dass sich Nowitzki in den kommenden Jahren eher auf einer Abschiedstour mit Überlänge befinden wird als in tiefen Playoffruns. Wie eine „Lame Duck“, also ein Politiker am Ende seiner Amtszeit – die Gründe dafür soll dieser Artikel darlegen.

Ein neuer Star – die Lösung aller Probleme?

Mark Cuban erntete kürzlich einigen Spott für die Aussage, dass die Mavericks ohne Deron Williams ein besseres Team seien. Die Aussage wurde als Trotz- oder Schutzbehauptung interpretiert, auch angesichts der individuellen Fehler, die der Mavs-Besitzer bei dem Werben um den Point Guard begangen hatte. Insbesondere Cubans Entscheidung, einen Termin für seine TV-Sendung „Shark Tank“ einem Treffen vorzuziehen, war sicher kein zusätzlicher Anreiz für Williams.

Somit wurde Cubans Statement oft in eine Reihe mit seinen diversen weiteren provokanten und umstrittenen Äußerungen gestellt. Ein Blick auf die Gehaltssituation zeigt jedoch, dass seine Aussage zumindest für die Saison 2012/13 einige Berechtigung aufweist. Die Verpflichtung von Deron Williams hätte praktisch den gesamten Capspace der Mavericks aufgebraucht:  Mit den beiden Maximum-Spielern, Marion und Carter für zusammen knapp 12 Millionen sowie den Rookie-Verträgen (Beaubois, Jones, Cunningham) und Verrechnungsposten (Empty Roster Spots) blieben den Mavericks noch etwa 1,1 Millionen Dollar Gehaltsspielraum.

Die einzig verbliebene Exception ist in diesem Szenario die sogenannte Room MLE, die es ermöglicht hätte, einem weiteren Spieler 2,5 Millionen Dollar zu überweisen. Selbst wenn also noch einige Trades für zusätzlichen Spielraum gelungen wären, die Starting Five hätte wohl im Optimalfall aus Williams – Carter – Marion – Nowitzki – Brand bestanden. Wenn für die Bankspieler einmal 2,5 Millionen und sonst das Minimum zur Verfügung stehen, ist zudem von der Stärke der Mavericks in den letzten Jahren, der Tiefe, nichts mehr übrig. Das gilt damit auch für die Titelhoffnungen in Dallas: Mit einem derartigen Rumpfkader stehen die Chancen nahe Null, das Allstar-Ensemble aus Los Angeles oder die jungen Oklahoma City Thunder in einer Serie zu schlagen und überhaupt in die Conference Finals vorzudringen.

Um zu Cubans Vergleich mit dem aktuellen Team zurückzukehren: Die neuen Starter für diese Saison, Darren Collison, O. J. Mayo und Chris Kaman, verdienen zusammen drei Millionen Dollar weniger als Deron Williams alleine erhalten hätte. Auch größte Optimisten dürften kaum damit rechnen, dass einer der Drei auf dem Niveau des Allstar-Spielmachers agieren wird. Allerdings kann Dallas so trotz der Fragezeichen, die hinter den Neuverpflichtungen stehen, auf jeder Position einen Spieler aufbieten, der nicht nur nominell, sondern auch von der Qualität als Starter anzusehen ist. Für die Backups blieb noch zusätzlicher Spielraum, so dass auch die Bank im direkten Vergleich stärker besetzt ist.

Diese Aufstellungen stehen allerdings für den Blick zurück und Was-Wäre-Wenn-Überlegungen. Welche Bedeutung hat die nicht gelungene Verpflichtung von Deron Williams für die kommenden Jahre? Die Antwort auf diese Frage findet sich mit einem Blick auf das zukünftige Gehaltsgefüge der Mavericks: In der kommenden Free Agency sind noch etwa drei Million Dollar mehr an Gehalt in den Verträgen von Nowitzki und Marion gebunden – mit 32 Millionen wäre deutlich mehr als die Hälfte des Caps Space‘ verbraucht. Also entstünden die gleichen Probleme wie oben dargelegt auch 2013/14 – das Williams-Szenario ist eine Beispielrechnung, wieso ein neuer Star im ersten Jahr mehr Probleme als Chancen mit sich brächte.

 Die Alternativen

Indem nur Einjahresverträge abgeschlossen wurden, zeigten die Mavs in der heißen Tradephase vor dieser Saison, dass sie auf der Jagd nach einem großen Namen beharren wollen. Auch das dauerhafte Scheitern dieser Strategie muss in Betracht gezogen werden und damit die Frage, ob und wenn ja wie ein Strategiewechsel erfolgen soll. Ein solcher kann noch während der Saison durch Trades stattfinden oder in der kommenden Offseason – andernfalls werden sich die Mavericks bis zu Nowitzkis Karriereende nur von Saison zu Saison hangeln.

Die naheliegendste Option wäre es, einen Trade für die zweite Säule des Teams anzustreben statt Free Agents zu verfolgen. In den letzten Jahren sind deutlich mehr wertvolle Spieler per Trade zum neuen Team gekommen als nach dem Auslaufen ihres Vertrags. Zu nennen wären etwa Dwight Howard, Chris Paul oder Camelo Anthony, Ausnahme ist lediglich das Team aus Miami. Der Joe Johnson-Deal zeigt zudem, dass sich Spieler mit schlechten Verträgen durchaus auch mit nur geringem Gegenwert ertraden lassen. Für einen größeren Fisch würden in Dallas ohnehin die Bausteine fehlen, also bleibt nur die Möglichkeit, sich einen überteuerten Zweite-Reihe-Star zu angeln. Damit würden die Mavericks aber wenig gewinnen, da die Möglichkeiten, über Exceptions trotzdem einen vernünftigen Kader zusammenzustellen, wie es den Nets gelang, praktisch nicht vorhanden ist – es fehlen die Bird-Rechte für Spieler wie Kaman oder Mayo. Zudem müsste das Team einige der jetzt vorhandenen Spieler zum Ausgleichen des Gehalts und eventuell zukünftige Draft-Rechte abgeben. Die Schäden für gleichermaßen kurz- wie langfristige Pläne machen diese Variante damit praktisch völlig sinnlos.

Alternativ wäre ein schneller Rebuild über den Draft eine Option, ähnlich wie Portland es zur letzten Deadline begonnen hat: Einige der wertvolleren Spieler für hohe Picks abgeben, eine eher schlechte Saison in Kauf nehmen und in den folgenden Jahren durchstarten. Allerdings fällt auch diese Option für Dallas aus, einerseits fehlen wiederum die Assets, um große Trades durchzuführen, andererseits – und das ist entscheidend – ist Nowitzki sieben Jahre älter als LaMarcus Aldridge. Längerfristig angelegte Pläne werden allenfalls die Zeit nach Nowitzki beeinflussen, ein 2013 gezogener Top-Rookie wird aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr während der Karriere der Nummer 41 auf ein Niveau gelangen, um das Team (mit) zu tragen.

In allen Trade-Szenarios ist zudem der aus dem Lamar Odom-Trade abzugebende Draftpick (mittlerweile nach Oklahoma City) ein erhebliches Hindernis, weil durch die vereinbarten Modalitäten die Abgabe weiterer Picks erheblich erschwert wurde.

Der Ruf nach längerfristigen Verträgen dürfte umso größer werden, je besser die diesjährigen Neuverpflichtungen spielen, in erster Linie O.J. Mayo und Darren Collison. Egal, ob das Management diesen beiden oder Free Agents des kommenden Jahres zutraut, den Mavs auch mehrere Jahre weiterzuhelfen: Für ein solides Starter-Niveau erhalten auch Guards mindestens 8 Millionen Dollar pro Jahr, wie etwa die Verträge von Goran Dragic bei den Suns oder George Hill, der bei den Pacers Collison verdrängt hatte, zeigen. Auf den großen Positionen sind auch die Kosten für die Teams noch größer, wie an den zweistelligen Millionenbeträgen auch für rohe Spieler wie etwa JaVale McGee in Denver ersichtlich. Der Vorteil, durch günstige Übergangs- oder Rookie-Verträge auch mit nur wenig Platz unter dem Cap zumindest potentiell starke Spieler zu verpflichten, würde entfallen – die Probleme wären ähnlich wie im ausführlich dargelegten Star-Szenario.

Damit bleibt nur noch, den Status Quo mit Einjahresverträgen beizubehalten. Die Mavericks bauen zu Recht darauf, dass Spieler wie O.J. Mayo und Chris Kaman sich von ihrem Kurzaufenthalt einen Schub für ihre Karriere erhoffen. Dallas kann den Spielern gute Bedingungen, Spielzeit und Playoffchancen bieten und damit die Möglichkeit, sich für weitere Verträge zu empfehlen. Damit landen allerdings nur solche Spieler in Texas, deren Aussichten auf den langfristigen Vertrag durch Formschwächen (Mayo, ähnlich Darren Collison) oder Verletzungen (Kaman) gesunken sind. Je nach dem, wie gut die jährlichen Neuverpflichtungen einschlagen, dürfen die Mavericks allerdings nur im besten Fall auf mehr als ein Ausscheiden in der ersten Playoffrunde hoffen – ein Lotterie-Pick ist aber genauso wenig auszuschließen.

Fehlplanung von Anfang an?

Erneuter Blick zurück: Nach Meisterschaft und Lockout beschloss das Dallas-Management, das Championship-Team nicht beizubehalten. Vor allem der Wechsel von Tyson Chandler per Sign and Trade, der dem Center bei den Knicks einen langfristigen, gut dotierten Vetrag verschaffte, bedeutete eine erhebliche Schwächung des Teams. Anderseits gewannen die Mavs so aber auch Flexibilität für die Zeit ab 2012 und damit erst die Möglichkeit, um einen Maximum-Spieler zu werben. Begründet wurde dieser Schritt von Cuban nicht mit den deutlich steigenden Luxury-Tax-Tarifen, sondern mit der sinkenden Flexibilität: Die neuen Verträge nach dem Lockout sehen ab einem Gehaltsvolumen von etwa 74 Millionen Dollar, dem sogenannten „apron“, besondere Strafen vor. Neben gekürzten Exceptions ist vor allem das Verbot von Sign and Trade-Deals bedeutend, auch weitere Einschränkungen reduzieren die Flexibilität der betroffenen Teams – das wollte der Mavs-Besitzer vermeiden. Es ist also deutlich, dass die momentane Gehaltssituation absichtlich herbeigeführt wurde. Die Aussicht, andernfalls neben Chandler wohl auch langfristig an die alternden Jason Kidd und Jason Terry gebunden zu sein, mag dazu beigetragen haben. In jedem Fall wurde die Möglichkeit, weiter über dem Salary Cap zu agieren, zugunsten der Free Agency verworfen.

Mit dieser Entscheidung ist das Mavs-Management allerdings relativ einsam: Ein Großteil der Teams mit vergleichbaren Bedingungen hat sich spätestens mit diesem Jahr auf längere Zeit jenseits der 58 Millionen, oft sogar jenseits der 70 Millionen Dollar, also der Luxussteuergrenze, festgelegt. Das heißt: Keine andere Franchise, die annähernd so viel Gehalt an einen einzigen Spieler bezahlt wie Dallas an Nowitzki, scheint in den verbliebenen Vertragsjahren ihrer Großverdiener unter den Cap gehen zu wollen. Die anderen Big Market Teams lassen gezielt einen Großteil ihrer Verträge gleichzeitig auslaufen, etwa von Bryant und Gasol bei den Lakers. Praktisch genauso, allerdings mit der zusätzlichen Unsicherheit einiger Optionen, ist die Struktur im Big Apple sowie bei Miamis Big Three. Bei den grundsätzlich vergleichbaren Teams, die nicht so verfahren, ist die Altersstruktur eine andere: Chicago und OKC sind noch deutlich jünger; in San Antonio und Boston haben Duncan und Garnett ihre bisherigen 20-Millionen-Gagen bereits durch geringer dotierte Verträge ersetzt – allerdings blieben diese beiden Teams trotzdem oberhalb des Caps.

Ob sich Mark Cuban und Donnie Nelson mit ihrer Strategie tatsächlich verschätzt haben, muss sich noch zeigen. Die meisten der Regelungen wirken erst in den kommenden Jahren, so dass sich mögliche Probleme anderer Teams erst noch ergeben könnten. Dallas hat sich allerdings bewusst den Tücken unterworfen, die aus einem Großverdiener und den geringen Möglichkeiten unterhalb des Salary Caps entstehen – mit allen negativen Folgen für die verbliebene Karriere des Franchise-Players. Um zum Bild der „Lame Duck“ zurückzukommen: Der Hintergrund, keine gravierenden Fehlentscheidungen für den folgenden „Amtsinhaber“ zu hinterlassen, trifft hier ebenfalls zu. Auch wenn es gerade für deutsche Nowitzki-Fans wenig attraktiv erscheint, ist es für die Mavericks besser, keine zu großen Hypotheken auf die Zukunft aufzunehmen, etwa in Form von teuren Verträgen oder weiteren abgegebenen Draftpicks.  Der Neuaufbau ist dann auch mit der neuen Sparsamkeit bei den Mavs gut zu bewerkstelligen – allerdings keine Meisterschaft mehr mit Nowitzki.

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