Welches Team überraschte bisher am meisten?
Hassan Mohamed: Aus Mangel an anderen Alternativen möchte ich die Philadelphia 76ers nennen. Es ist weniger die aktuelle Bilanz mit neun Siegen in den ersten zwölf Partien, denn es müssen noch einige Tage ins Land ziehen, bevor ich die tiefbesetzte Truppe (sieben Spieler punkten zweistellig; Jodie Meeks folgt mit 9.1 PPG) von Trainer Doug Collins als wirklich gefährlichen Playoff-Gegner betrachte – auch wenn die derzeitigen Platzierung in der Eastern Conference dies möglicherweise suggeriert. Dass die Spiele gegen die beiden bisher besten Gegner (Portland, New York) verloren wurden, ist bloß einer der Gründe hierfür.
Die positive Überraschung ist die bisherige Fähigkeit, als qualitativ durchschnittliches Team schwächere bzw. gleichwertige Gegner konstant mit hohen Niederlagen unter die Dusche zu schicken. Deutliche Siege mit 20 Punkten gegen Phoenix, mit 28 Punkten gegen Golden State, mit 23 Punkten gegen Detroit, mit 35 Punkten gegen Toronto, mit 27 Punkten gegen Sacramento und 31 Punkten gegen Washington kann man in dieser Masse als wirkliche Überraschung bezeichnen.
Julian Barsch: Sein Einfluss auf das Abschneiden der Blazers war natürlich stark gesunken, jedoch hat das Karriereende von Brandon Roy eine Lücke im Kader hinterlassen. Als Leader dieses Teams war er noch immer in der Lage, ein eminent wichtiges Playoffspiel zu drehen. Roy musste nachgeben und nun war sich niemand so wirklich sicher, in welche Richtung es in Portland gehen sollte. Dementsprechend überrascht war ich über den hervorragenden Start in die neue Spielzeit. Siege gegen Oklahoma City, die aufstrebenden Sixers aus Philadelphia und beide LA-Teams sorgten für einen enorm positiven Eindruck. Die Rolle des Leaders nimmt selbstverständlich Big Man LaMarcus Aldridge ein. Der Topscorer (22.8 PPG) führt das Team an und übernimmt Verantwortung. Unterstützung bekommt der ehemalige Texas Longhorn insbesondere von seinen Mitspielern auf dem Flügel. Wes Matthews (15.6 PPG), Gerald Wallace (15.2 PPG und 6.6 RPG), sowie Neuzugang Jamal Crawford (12.7 PPG) und Nicolas Batum (10.3 PPG) bringen das notwendige Scoring. Dass die Blazers mit 98.5 Punkten pro Spiel NBA-weit an Nummer acht im Scoring stehen, ist zumindest solide. Die Entwicklung vom langsamen Halbfeld- zum schnelleren Uptempo-Basketball ist eine schon längst notwendige Veränderung. Mit durchschnittlich 96.9 Possessions sind die Blazers dort sogar auf dem dritten Rang. Ob sie sich auch über den restlichen Verlauf der Saison an der Spitze der Western Conference halten können, ist ungewiss, das Potential und die Unterstützung in Rip City ist aber auf jeden Fall vorhanden.
Jonathan Walker: Zweiter im Osten hinter den Bulls, gar die beste Defense der Liga (Defensive Efficiency: 0.89!) vor den Bulls. Nein, es sind nicht die Miami Heat. Coach Doug Collins setzte den in der letzten Saison begonnenen Trend fort und schweißte die jungen Philadelphia 76ers zu einer Einheit zusammen, die den Gegner nicht nur im Schnitt bei 40% aus dem Feld hält, sondern auch noch in der Offense momentan zur Top-5 zählt. Doch auf den zweiten Blick fällt auf, dass die Sixers bisher ausschließlich gegen Teams mit negativer Bilanz sowie die Pacers ohne Danny Granger gewonnen haben. Ansonsten wurde gegen alle Teams über .500 verloren: Utah, Portland und New York. Philadelphia bleibt also noch Siege gegen stärkere Teams schuldig, bevor man sie zum Top-Team küren kann. Da die Niederlagen gegen die Blazers, Jazz und Knicks aber allesamt recht knapp waren, bekommen sie von mir den Zuschlag als bisheriges Überraschungsteam der Saison.
Dennis Spillmann: Die Denver Nuggets. Vor der Saison kündigte John Hollinger an, dass seine Berechnungen ergaben, dass die Nuggets auf Platz 2 der Western Conference landen würden. Vor den Lakers, Clippers oder Mavericks. Ein Sturm der Entrüstung brandete auf. Schaut man heute auf die Tabelle, hat Hollinger bisher Recht behalten. Mit 8-4 sind die Nuggets zweiter hinter Oklahoma City. In unserem Podcast hatten wir ja bereits erklärt, wie man am besten durch die Regular Season kommen würde. Man bräuchte vor allem junge Beine und einen tiefen Kader, neben der Qualität natürlich. Denver stellt eine Starting 5, wo es keinen 30-jährigen gibt, insgesamt stehen mit Andre Miller, Chris Andersen und Al Harrington nur drei Ü30-Spieler im Kader. Deren Minuten bewegen sich im Rollenspieler-Bereich, somit können sie genug regenerieren. Coach Karl setzt in aller Regelmäßigkeit 11 Akteure ein, dazu hat man mit Reboundingmonster Kenneth Faried noch einen weiteren Rotationsspieler in der Hinterhand, auf den man bisher nur zwei Mal zugriff.
Jan Karon: Das sind für mich zweifellos die Minnesota Timberwolves. Gewiss: die Bilanz von 4-8 spricht nicht gerade für sich und das Erreichen der Playoffs erscheint unwahrscheinlich. Mehr noch: Als Hornets-Fan habe ich das größte Interesse an einer schlechten Saison der Franchise, da für New Orleans mit zunehmend schlechterer Bilanz die Wahrscheinlichkeit auf einen hohen Draftpick in der kommenden Draft steigt. Nichts desto trotz wird Minnesota für mich immer mehr das Paradebeispiel einer sinnvoll zusammengestellten und gesund wachsenden Franchise. Ein klar definierter Go-to-Guy (Kevin Love), ein aufblühender Spielmacher (Ricky Rubio), ihre Rolle kennende Ergänzungsspieler (Darko Milicic, Michael Beasley, Luke Ridnour, Juan José Barea, Anthony Tolliver) und Talente (Ricky Rubio, Derrick Williams, Wes Johnson) formen einen Teamkern, den es über Jahre zu beobachten gilt. Was diese NBA-Saison zeigt, ist, dass eine Anhäufung von Talenten (Washington Wizards, Sacramento Kings) nichts bringt, wenn klare Teamstrukturen fehlen. Dies unterscheidet die Timberwolves von anderen, auf dem Papier ebenfalls perspektivischen, Mannschaften. Und das lässt die Arbeit des vielgescholtenen General Managers David Kahn in einem besseren Licht erscheinen als je zuvor, egal ob beim Trade für Michael Beasley, dem Signing von Darko Milicic oder jüngsten Draftentscheidungen. Es bleibt zu hoffen, dass Kevin Love eine Extension unterschreibt und den Timberwolves auf längere Zeit erhalten bleibt.
Welcher Spieler überraschte bisher am meisten?
Dennis Spillmann: Ricky Rubio. Dies liegt an zwei Dingen: Zum einen an meiner Erwartungshaltung, die sehr skeptisch war. Rubio hatte eine schlechte Europameisterschaft gespielt, seine generelle Entwicklung schien zu stocken. Der Point Guard wurde immer wieder als Spieler ohne Wurf beschrieben, der auch ohne überbordende Athletik auskommen musste. Maximal also ein Rajon Rondo, der in seiner Rookie Saison 6/4/4 auflegte. Zum anderen kommt hinzu, dass der Guard zu den Timberwolves kam, die nicht gerade optimale Voraussetzungen als Franchise boten. Über den GM bis hin zum letztjährigen Coach, der Systeme laufen ließ, wofür er kein Spielermaterial hatte, gab es Probleme. Für mich hatte Rubio Bust-Potential, weil er offensiv keine Gefahr ausstrahlen würde und nur durch seine Courtvision dem Team helfen könnte.
Doch Rubio macht von der ersten Minute Vieles richtig – vor allem aber ist auf einmal ein Wurf zu beobachten, der zwar nicht der schönste Jumper der Welt ist, aber unglaublich sicher trifft. Rubio ist momentan in den Top 75, wenn es um erzielte Drei-Punktewürfe geht. Vor Spielern wie Nowitzki – und das auch noch mit einer Fabelquote. Er bestraft konsequent, wenn er offen gelassen wird, spielt schon jetzt 8 Assists pro Spiel und – am wichtigsten – steht bei +23 in Netpoints. Das heißt, dass die Wolves mit Rubio 23 Punkte besser auf 200 Possessions (100 offensive und 100 defensive) als ohne ihn sind. Zum Vergleich: Im letzten Jahr waren die Dallas Mavericks sehr abhängig von Dirk Nowitzki. Dieser kam zum Saisonende auf ein Net-Rating von 16,7. Vor allem zu diesem Zeitpunkt in der Saison war dies für mich überraschend.
Hassan Mohamed: Mit den beiden Rookies Ricky Rubio und Kyrie Irving, dem Center der 76ers Spencer Hawes oder dem Dirigenten der Rockets, Kyle Lowry, gibt es einige Kandidaten, die überraschend stark aufspielen bzw. dies früher als erwartet tun.
Mit 17 Punkten und sieben Rebounds sowie einer Dreierquote von 43% bei fast acht Versuchen pro Partie fällt meine Wahl dennoch auf den Power Forward der Orlando Magic, Ryan Anderson. Er feuert sich (u.a. Führender bei den ‚Field Goal Attempts‘ im Team der Magic!) zu einem lukrativen Vertrag im kommenden Sommer – und dies auf eine hocheffiziente Art und Weise (Offensive Rating: 131 / True Shooting Percentage: 61.6).
Jonathan Walker: Vor seiner Verletzung in der Preseason habe ich ihm einen Saisonstart, wie wir ihn gerade erleben, durchaus zugetraut. Mehr noch, ich habe es erwartet. Kobe Bryant war offensichtlich motiviert. Durch den Trade Lamar Odoms und das folgende, kollektive Abschreiben der Lakers in der Presse. Durch die 0-4 Klatsche gegen die Mavs in den Playoffs. Durch Experten, die ihn nicht mehr als den besten Spieler der Liga sahen. Nicht einmal mehr Top-5! Doch nachdem ein Band im Handgelenk seiner Wurfhand gerissen war, hatte ich arge Zweifel daran, dass Kobe den geschwächten Kader der Los Angeles Lakers alleine in Reichweite der Spitze der Western Conference halten könnte. Und doch ist er im Alter von 33 Jahren mit 32 PPG Topscorer der Liga, nachdem er in der vergangenen Woche in vier Spielen vier Mal mindestens 40 Punkte aufgelegt hatte, um seine Lakers in drei der vier Spiele zum Sieg zu tragen. Diese Metapher ist hier mehr als passend, denn neben den Aufgaben als dominanter Scorer vernachlässigt er das Passen keineswegs: Er hat die höchste AST% seiner Karriere, was in 5.4 APG resultiert. Kobe IST die Lakers, mit einer USG% von 40(!) mehr als je zuvor, und somit verantwortlich für den dritten Platz im Westen, den die Lakers momentan belegen.
Man darf jedoch gespannt sein, als Fan der lila-goldenen vielleicht sogar besorgt, ob Bryant es dauerhaft durchhält, mit über 38 MPG mehr als drei Minuten pro Spiel mehr zu spielen als in der vergangenen Saison. Auch wird an Bryants extrem hohen Spielanteilen nur solange keine Kritik aufkommen, wie die Lakers gewinnen. Denn seine Effizienz lässt mit unterdurchschnittlichen TS%, eFG% sowie TOV% im Karrierevergleich durchaus zu wünschen übrig. Die Quote leidet momentan noch hauptsächlich unter der unterirdischen Dreierquote von 25% bei gleichbleibend vielen Versuchen. Von der Spitze der Liga in Sachen Ballverlusten könnte Kobe verschwinden, sobald ihm im Angriff von Gasol und Bynum konstant Verantwortung abgenommen wird… oder die Lakers doch noch einen Trade machen.
Jan Karon: Andrea Bargnani. Für mich ist der Italiener ein nennenswertes Beispiel, wenn es darum geht, wieviel ein Trainerwechsel ändern kann. Unter Dwyane Casey kann er bei den Raptors aufblühen und gilt als unangefochtene erste Option. In Folge davon agiert Bargnani aggressiver, verlässt sich nicht auf seinen Wurf, sondern sucht den Weg zum Korb. Die 22 Punkte pro Spiel, die Bargs auflegt, sind dabei Karrierebestwert; die fast sieben Rebounds ebenso. Sein PER-Wert liegt bei 22.2 und ist der 24.-beste der Liga. Kann Bargnani diese Zahlen weiterhin aufrecht erhalten, ist er nicht mehr und nicht weniger als das, für was er bereits vor Jahren gehandelt wurde: ein All-Star.
Julian Barsch: Was Ryan Anderson in dieser Saison abliefert, ist unglaublich, unglaublich überraschend vor allem. Career-Highs im Scoring (17.2), Rebounding (7.3), sowie bei der Feldwurf-, Dreier- und Freiwurfquote (45.4, 43.4 und 89.3 Prozent). Mit einer solchen Leistungsexplosion war einfach nicht zu rechnen. Neben dem Dilemma um Dwight Howard hatte der 23-Jährige wohl Zeit, sich ganz auf sein Spiel zu konzentrieren. Nun kann sein Scoring von außen Raum in der Zone schaffen, wo Sturm Dwight mit all seinen Kräften wütet. Insbesondere aber die Verbesserung beim Rebound ist wichtig, denn somit sind beide Big Men dominant am Brett und erschweren den Gegnern das Leben enorm. Außerdem erhalten die drei offensiven Rebounds (ebenfalls ein Career-High) den Magic ihre Possessions. Bereits in fünf Spielen scorte Anderson mehr als 20 Punkte, was zeigt, dass er durchaus als bester Scorer in diesem Magic-Team auftreten kann. Eine Rolle, die ihm in der NBA so noch nie zukam.
Welches Team enttäuschte bisher am meisten?
Hassan Mohamed: Erstmal vorweg: Die Miami Heat sind weiterhin mein absoluter Favorit für die ‚Larry O’Brien Trophy 2012‘. Jetzt das Aber: Meine Erwartung, dass sie auch die – mit Abstand – beste Bilanz der NBA haben werden, erfüllen sie nach der aktuellen Niederlagenserie von drei verlorenen Spielen (Golden State Warriors, Los Angeles Clippers, Denver Nuggets) in Folge bisher nicht. Gewissermaßen enttäuschend, wenn auch auf sehr hohem Niveau.
Dennis Spillmann: Die Boston Celtics. Das Team hat bisher noch gegen kein .500-Team gewonnen und steht mit 4-7 nicht mal unberechtigt außerhalb eines Playoff-Ranges. Boston ist zum jetzigen Zeitpunkt das Paradebeispiel für eine Franchise, die auch unter dem gestrafften Spielplan leidet. Die Leistungsträger (bis auf Rajon Rondo) sind alt und man hat es versäumt, ein tiefes Team aufzubauen. Die Folge daraus ist, dass man temporäre Ausfälle (sei es Paul Pierce, sei es Jermaine O’Neal oder auch nur mal off-Nights eines Spielers) überhaupt nicht kompensieren kann. Man hat nun mit Mickael Pietrus nachgebessert, was vor allem John Hollinger freuen dürfte, der sagte, dass die Celtics so lange okay sein würden, so lange sie Sasha Pavlovic nicht einsetzen müssten. Das haben die Celtics aber bisher gemusst. Pavlovic griff 16% der vorhandenen Spielzeit auf SF ab.
Generell sollte man die Celtics nicht abschreiben, da das Gerüst Rondo – Allen – Pierce – Garnett noch immer jeden Gegner in einer Playoff-Serie schlagen könnte. Allerdings sollte man es erst einmal in die Playoffs schaffen.
Julian Barsch: Als Geheimfavorit gestartet, dümpeln die Memphis Grizzlies momentan in den unteren Regionen der Liga herum. Zwar sind mit Zach Randolph und Darrell Arthur zwei wichtige Spieler verletzt, dennoch ist dies nicht die einzige Erklärung für das bisher schwache Abschneiden. Rudy Gay muss als Star des Teams mehr und vor allem effektiver scoren. 17.3 Punkte und 43.7 Prozent aus dem Feld sind alles andere als gute Werte. Das lässt sich auch auf das gesamte Team übertragen: Die Grizzlies haben die zweitschlechteste Dreierquote der Liga (26%), wobei die Gegner ungefähr 10 Prozent besser gegen sie von Downtown treffen! Außerdem stagniert die Leistung von wichtigen Spielern wie Mike Conley und Marc Gasol förmlich. Ihre Leistungen sind solide, die erwarteten Verbesserungen sind aber noch nicht zu erkennen.
Jonathan Walker: Memphis hatte ich vor der Saison als eines der besten Teams der Western Conference gesehen. Da schmerzt es nun natürlich, dass mit Darrell Arthur und Zach Randolph direkt die gesamte Power Forward-Rotation verletzt ausfällt. Deswegen würde ich ihren aktuellen Start von 5-6 auch nicht als Enttäuschung sehen, denn von einem Team ohne seinen vielleicht besten Spieler kann kaum erwartet werden, dass es die vorangegangenen Erwartungen ohne weiteres erfüllt. Auch wenn es eben diesen Grizzlies letztes Jahr vorbildlich gelang, den Ausfall ihres anderen Stars zu verkraften. Enttäuschender sind die Washington Wizards. Wie das möglich ist? Sicher, mehr als einer der letzten Plätze im Osten wurde von den wenigsten erwartet. Dass man momentan, inmitten des Rebuilds, nicht gerade traurig über viele Niederlagen und den damit verbundenen hohen Draftpick im kommenden Draft ist, geht ebenfalls in Ordnung. Es ist die Art und Weise, wie verloren wird, die enttäuscht. Trotz Aufbautalent John Wall spielt man mit die schlechteste Offense der gesamten Liga, nicht zuletzt weil auch dieser bisher zu den Enttäuschungen der Saison gezählt werden kann. Jeder Spieler scheint seine eigene Agenda zu haben und für sich selbst zu zocken. In der Verteidigung sieht es nicht viel besser aus. Es gibt regelmäßig Stress zwischen einzelnen Spielern und Coach Flip Saunders. Das macht die Spiele selbst für Fans zur Qual, was bei einem jungen, athletischen und talentierten Team, wie die Wizards es haben, so nicht der Fall sein sollte.
Jan Karon: Ich bin da absolut bei Jonathan: die Wizards. Ich frage mich jedenfalls, ob bei irgendeiner Franchise proportional zum Anhäufen von Talent die Intelligenz der Spieler sinkt. Was bei Crittenton und Arenas geschah, mag das eine sein, dass aber mittlerweile mit John Wall, JaVale McGee, Andrey Blatche und Nick Young Spieler in der Hauptstadt spielen, die zwar Athletik, aber keinen Hoop IQ in die Wiege gelegt bekommen haben, die andere. Das Team mag zwar talentiert sein, ist aber dermaßen unhomogen zusammengestellt; es fehlt an Verteidigern und Spielintelligenz und Washington wird allmählich zur Lachnummer der Liga. Die Wizards stehen mit einem Sieg aus zwölf Spielen als Kellerkind der Liga da, erzielen die wenigsten Punkte der Liga und haben die zweitschlechteste Feldwurfquote. Flip Saunders ist unfähig, eine funktionierende Offense auf die Beine zu stellen – und tut einem Leid.
Welcher Spieler enttäuschte bisher am meisten?
Julian Barsch: Er galt als Geheimtipp in sämtlichen Manager-Games. Doch nun ziehen dunkle Wolken über der Haupstadt auf. John Wall ist weit entfernt von den starken Leistungen der vergangenen Spielzeit, mit denen er sein enormes Potential andeutete. All seine Quoten sind im Vergleich zum Vorjahr um mindestens sechs (!) Prozent gesunken. Dementsprechend ging auch das Scoring um vier Punkte zurück. Die schlechte Bilanz der Wizards liegt somit zu großen Teilen auch an den schwachen Leistungen ihres Point Guards. Bereits vier Spiele mit nur 10 Punkten oder weniger und noch keinen einzigen Wurf von Downtown hat Wall hingelegt, es kann eigentlich nur besser werden. Sollte er aber auf diesem Niveau stagnieren, wird es eine mehr als unangenehme Saison für Wall und die Wizards.
Dennis Spillmann: Lamar Odom. Er wurde als großer Steal für die Mavericks gefeiert – und dies war er zum Tradezeitpunkt auch. Man bekam einen qualitativ hochwertigen Ersatz für den verlorenen Tyson Chandler. Was danach folgte, war eine einzige Ernüchterung. Dass Odom nicht nahtlos an die Sixth-Men-of-the-Year-Rolle bei den Lakers anknüpfen würde, war abzusehen, vor allem, weil das Team sich erst finden musste. Aber was Odom bisher so uninspiriert aufs Parkett schmiert, ist schon fast eine Arbeitsverweigerung. Unterirdische Quoten, reihenweise schlechte Entscheidungen, zudem ist Odom offensichtlich auch übergewichtig und deshalb außer Form. So hilft er den Mavericks kein Stück weiter, sondern ist einfach nur ein katastrophaler Ausfall. Deutliche Career-lows in Punkten, Rebounds, Assists, Steals Blocks, 3-Punkt- und Feldquote sprechen für sich. Odom ist bisher nicht – wie bei den Lakers – ein X-Factor. Er ist ein Non-Factor.
Jonathan Walker: Neben dem bereits erwähnten Wall spielt Russell Westbrook bisher enttäuschend. Anstatt den letzten erhofften Schritt zum Superstar zu machen, hat er im Vergleich zur letzten Saison in allen wichtigen Statistiken nachgelassen. Er wirft mehr trotz schlechteren Quoten aus dem Feld (44% zu 43%), mehr Dreier bei ebenfalls schlechterer Dreierquote (33% zu 23%) und zieht weniger Freiwürfe, auch das bei schlechter Quote (84% zu 79%). Der gravierendste Einbruch findet jedoch bei den Vorlagen statt, wo er sich von guten 8.5 APG auf 5.5 APG verschlechterte. Dazu klaut er weniger Bälle, blockt seltener Würfe und verliert den Ball noch immer so oft wie in der vergangenen Saison. Alles bei gesteigerter Usage Rate. Kurz: Westbrook macht mehr, nur deutlich schlechter. Zum Glück für die Thunder konnte „Westbricks“ Einbruch durch James Hardens Fortschritt etwas kompensiert werden, wodurch die Thunder trotzdem auf dem ersten Platz im Westen stehen.
Auch von Shannon Brown hatte ich mir im Trikot der Suns einiges mehr erhofft. Seine Athletik, gepaart mit einem ordentlichen Dreier, schien prädestiniert für das von Steve Nash angeführte System in Phoenix. Doch bisher fällt der Highflyer lediglich durch extrem schlechte Entscheidungen auf dem Feld auf, was in blamablen Quoten und Ballverlusten resultiert. Die weitreichendere Enttäuschung, da auf höhrem Niveau, bleibt jedoch Westbrook.
Jan Karon: Ich habe hier lange überlegt und bin letzten Endes zu Devin Harris gekommen. Nicht mal, weil dieser sich so unglaublich verschlechterte, sondern weil diese Saison mir eindrucksvoll vor Augen geführt hat, wie schlecht der einst als Talent ausgerufene Harris mittlerweile ist. Seine Konkurrenz im Backcourt Utahs sind Raja Bell, Alec Burks, Jamaal Tinsley und Earl Watson. Wenn von den kleinen Spielern Utahs jemand Einfluss auf das Spiel haben sollte, dann Harris. Indes scheint es aber, als wäre Harris einfach nur noch das kleinste Übel für die Backcourt-Rotation Utahs. Harris kann nicht schießen (ein Trueshooting-Wert von 49% ist eher Eierschale denn Eigelb), in Folge davon auch nicht (zweistellig) scoren und ist kein Spielmacher (Harris bringt es in 26 Minuten auf keine fünf Korbvorlagen). Weiterhin ist er auch nicht in das Spiel der Jazz eingebunden, Harris’ Usage-Rate beziffert sich auf gut 18%, was einen Abfall um 6% bedeutet. Neuerdings scheint Harris sogar ein miserabler Verteidiger zu sein. Sein Gegenspieler verbucht pro Spiel auf 48 Minuten hochgerechnet mehr als 21 Punkte und einen PER von 16 (Harris: 15 und 9). Man frage sich, welches Team einen solchen Point Guard braucht – die einst umjubelte Point Guard-Hoffnung ist heute ein Schatten seiner selbst.
Hassan Mohamed: Die bisherige Saison von Serge Ibaka ist enttäuschend. Weniger aufgrund der Nichterfüllung von Erwartungen, sondern wegen der Nichterfüllung der Hoffnung, dass er im Angriff entwicklungstechnische Schritte nach vorne macht. Eine Entwicklung des spanisch-kongolesischen Power Forwards wäre wünschenswert gewesen, um den Oklahoma City Thunder in den Playoffs eine Anspielstation am Brett zu geben, die in der Lage ist, sich einen eigenen Wurf zu erarbeiten. Um langfristig zum ‘Team to Beat’ zu avancieren, wäre es wichtig, dass er mehr bringt als das gelegentliche Versenken eines Mitteldistanzswurfs oder eines Anspiels ohne vorausgehende Eigenleistung. In 50% der Thunder-Spiele standen am Ende sechs Punkte oder weniger für das afrikanische Sprungwunder im Boxscore. Eine ziemlich ernüchternde Leistung.
Wer war bisher der beste Spieler?
Hassan Mohamed: Mit einem Blick auf die relevanten Statistiken bringt LeBron James in den bisherigen Spielen durchschnittlich den größten individuellen Output der NBA. Macht es ihn zwingend zum derzeit besten Spieler? Wenn man sich hinsichtlich der Objektivität nicht angreifbar machen möchte, wäre es wohl empfehlenswert, der Aussage zuzustimmen. Nichtsdestotrotz halte ich es wie Steve Nash und denke, dass Kobe Bryant der beste Spieler der NBA ist, auch wenn es möglicherweise durch stärkere subjektive Faktoren wie vergangene Leistungen sowohl positiver als auch negativer Art oder Einschränkungen von Durchschnittswerte sowie der grundsätzlichen Limitierung der Statistik bei speziellen Fragen begründet ist. Des Weiteren leistet Bryant sicherlich ebenfalls auf dem Papier ausreichend (u.a. Topscorer der NBA, zweitbester Wert beim Player Efficieny Rating sowohl aktuell in der NBA als auch seiner bisherigen Karriere), um diesen Anspruch zu rechtfertigen und mit besagtem James, Dwight Howard oder Kevin Durant zu konkurrieren.
Julian Barsch: Sein erster Dreipunktewurf fand erst im elften Spiel sein Ziel und ja, seine Leistungen in der Crunchtime waren nicht überragend, aber egal, was und wie man es sagt, LeBron James ist und bleibt der beste Spieler in dieser Liga. Dieses Allroundpaket (29.5 PPG, 8.2 RPG und 7.4 APG) ist schlicht und ergreifend überirdisch. Egal, wie man es dreht und wendet, und wie oft man die Argumente schon gehört hat, die Athletik, der unwiderstehliche Drive, die Fähigkeit beim Passing, es ist alles da, um jedes Spiel zu dominieren. Das hat er getan und das wird er auch weiterhin tun.
Jonathan Walker: Es gibt weiterhin nur einen Spieler, der diese einzigartige Kombination aus physischer Überlegenheit und Basketball-IQ auf das Parkett bringt. Dominanz an beiden Enden des Feldes. Einer der besten Defender, Rebounder und der beste Playmaker auf seiner Position. Und beinahe nebenbei noch Topscorer der Liga bei tödlicher Effizienz, bis Kobe vier Mal für über 40 explodierte. Bekommt er seinen Hang zur Passivität in entscheidenden Phasen endlich wieder in den Griff, wird LeBron James wieder klarer als Nummer Eins der Liga vor der Konkurrenz um Kevin Durant und Kobe Bryant stehen. Doch bevor ein anderer Spieler weder in einem entscheidenden Aspekt des Spiels deutlich vor ihm steht, noch in den meisten Aspekten überhaupt an ihn heran kommt, bleibt James der beste Spieler der Liga.
Dennis Spillmann: Auch wenn ich mir Mühe gebe, finde ich keine Alternative zu LeBron James. Dass er statistisch schon immer heraussticht, ist nichts Neues. Neu ist aber vor allem seine Performance auf dem Feld. Er nimmt diszipliniert keine Dreier mehr, um sich ganz auf das Attackieren des Ringes oder das Playmaking zu konzentrieren. Das wird durch eine bisher nie gekannte Effizienz unterstrichen. Ein TS von 63,3% bei diesem Volumen an Würfen ist der Wahnsinn. Dabei ist James noch nicht mal ein tödlicher Freiwerfer, sondern produziert diese Zahlen durch seine Treffsicherheit aus dem Feld.
Jan Karon: LeBron. Wir kennen die Geschichten ja mittlerweile erstaunlich gut: dass er Letravel, Lebrick, ein schlechter Crunchtimeplayer ist, dass wahre Größe in der Postseason bewiesen wird, das Chosen One-Tattoo, usw. usf., aber … geht es um den besten Spieler der Liga, schaue man sich die Durchschnittszahlen James’ an. Führt kein Weg dran vorbei.
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