Dass ein Zitat von LeBron James mal Brose Bamberg beschreiben würde, hätten wohl die Wenigsten gedacht. Die Aussage des NBA Superstars passt derzeit aber wie die Faust aufs Auge.
„If you’re looking for us to play sexy cute basketball, that’s not us.“
Während man in den vergangenen Jahren aus Bamberg regelmäßig großartigen und ansehnlichen Basketball gewohnt war, so gibt der deutsche Meister in dieser Saison ein anderes Bild ab. Über weite Strecken machte das Zusehen nicht gerade Spaß, der “Eye-Test” sagte: nicht gut. Dennoch rangierte Brose in der Euroleague nach zwölf Spielen bei je sechs Siegen und Niederlagen. Dabei gewinnt Bamberg plötzlich auch in Europa knappe Spiele. Ebenfalls blieben uns bislang die Darius-Miller-Diskussionen erspart, ob und wann denn ein Pullup Jumper aus der Isolation Bamberg mal den Sieg bringen werde. In Jordi Bertomeus (halber) Privatliga steht man bisher also deutlich besser da als noch vor einem Jahr.
Bamberg 2016/17: Playing great but losing literally every close game and start 2-7.
Bamberg 2017/18: Playing mostly bad but winning the close games and start 5-4.
Basketball is strange. #GameON
— Chris Schmidt (@ChrisSchmidt27) 23. November 2017
Jetzt mag die Frage angebracht sein, ob Bamberg denn wirklich schlecht spielt, wenn die Ergebnisse stimmen? Was macht Bamberg richtig und gibt es möglicherweise sogar noch Luft nach oben? Da nun gut die Hälfte der regulären Spielzeit in beiden Ligen absolviert wurde, widmet sich dieser Artikel eben jenen Fragen.
Bei der Analyse liegt der Fokus auf der Euroleague. Weil Bamberg in der Bundesliga regelmäßig mehrere Schlüsselspieler schont und sich auch kaum auf die deutschen Gegner vorbereiten kann, lassen sich im europäischen Wettbewerb wohl leichter repräsentative Beobachtungen machen.
Zu Beginn wird gleich mal ein Neuzugang betrachtet, der wohl gerade defensiv eines der wichtigsten Puzzlesteine des bisherigen Erfolges in Europa ist.
Daniel Hackett in der Defense
Der Italiener kam, wie einige neue Spieler, mit Fragezeichen bezüglich seiner Gesundheit nach Bamberg, nachdem er weite Teile der letzten Saison für Olympiakos verletzt ausfiel. Was man von ihm im Idealfall erwarten konnte, liefert er bislang aber absolut ab. Spätestens gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber Olympiakos Piräus sollte er allen gezeigt haben, welchen Einfluss er in der Defensive auf ein Spiel nehmen kann. Hackett ist ein elitärer Verteidiger am Ball, hier soll jedoch ein anderer Aspekt seiner Abwehrleistungen beleuchtet werden: Meist als dritter Guard auf der nominellen 3 eingesetzt, verleiht er in der Defense die Flexibilität, auf fast jeden Spieler switchen zu können. Was ihn – neben seiner Frisur – aber wirklich besonders macht, ist seine Fähigkeit, vermeintliche Mismatches gegen große Spieler sehr gut zu verteidigen.
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Etwa gegen Jamel McLean hält Hackett im Post erst kräftig dagegen, um dann beim angesetzten Move McLeans den Stuhl leicht wegzuziehen. So verliert Piräus‘ Center kurz die Kontrolle, Steal Bamberg.

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Im zweiten Beispiel muss Hackett von der rechten unteren Ecke auf den abgerollten Printezis switchen, der bereits eine sehr tiefe Position eingenommen hat. Der Italiener liest die Situation richtig und frontet Printezis, da der Lob auf den Griechen schon sehr hoch kommen müsste, um ihn noch gut verwerten zu können. Dank Hacketts Länge fängt er den Ball ab, nächster Steal Bamberg. Durch Aktionen wie diese ging Broses Umstellung auf Switch-Verteidigung im vierten Viertel so gut auf und war letztendlich für den Comeback-Sieg entscheidend.
Noch ein weiterer ehemaliger Mannschaftskollege versuchte im gleichen Spiel, das vermeintliche Mismatch Daniel Hackett im Post zu attackieren. Ioannis Papapetrou hatte mit dieser Taktik allerdings auch nicht mehr Glück als seine Kameraden und erfuhr das gleiche Schicksal. Abermals sorgte Hackett für einen Ballverlust der Griechen.

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Sowohl Papapetrou als auch McLean versuchten in den Beispielen, Hackett im Post mit Kraft zu überspielen, was der Italiener auch geschickt löst. Indem er selbst anfangs sehr hart dagegen hält, provoziert er seinen Gegenspieler geradezu, genauso hart zurückzuschlagen. Hört Hackett dann aber unerwartet auf, den harten Kontakt zu erwidern oder verzögert ihn, bringt er den Angreifer kurz aus dem Rhythmus. Das ist dann die Chance, auf den Steal zu gehen oder eine schlechte Wurfentscheidung zu provozieren.

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Freilich geht dieses Vorhaben nicht immer auf, es zeigt aber, welche Taktiken zur Verteidigung von Mismatches im Post (ohne Doppeln und Hilfe) zur Anwendung kommen können. Auf der anderen Seite wird in diesen Negativbeispielen deutlich, dass auch vermeintlich leichte Punkte durch Mismatches keine Selbstverständlichkeit sind, sondern richtig attackiert werden müssen. Viel zu oft suchen Teams das simple Post-Up ohne viel Bewegung drum herum. Oftmals auch mit Spielern, die nicht zwangsweise gefährliche Scorer im Post sind, wie im Beispiel Papapetrou.
Trinchieris Spielereien
Positiv hat sich bislang Dorell Wright ins Team eingefügt. Die Nachverpflichtung bringt zu großen Teilen die Elemente ins Spiel, die man sich von Quincy Miller erhoffen konnte. Shotcreation, Länge und Flexibilität in der Defense, sowie Gefahr in Transition; allgemein also ein Big Man mit Variabilität.
Trinchieri lässt den NBA-Champ von 2006 fast ausschließlich auf der 4 spielen, was durch Wrights relativ gutes Ballhandling je nach Matchup ein wandelndes Mismatch sein kann. Gegen Valencia lief Bamberg im zweiten Angriff ein Pick & Roll aus der rechten Ecke mit Wright als Ballhandler und Radosevic als Abroller. Jeweils verteidigt von Aaron Doornekamp und Tibor Pleiß.

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Zwar könnten Taylor und Hickman etwas weiter außen stehen und ihre Verteidiger noch mehr vom Play wegziehen, so ist das Spacing hier dennoch gut. Keiner der Help-Defender kann wirklich eingreifen, Doornekamp hat im Pick & Roll wenig Chance Wright zu halten und Pleiß versucht den Amerikaner zu übernehmen. Als Ergebnis nutzt Radosevic den freien Weg zum Korb und schließt nach schönem Bodenpass per Dunk ab. Vor allem gegen langsamere Big Men wie im Beispiel könnten wir diesen Spielzug noch häufiger aus Trinchieris Playbook sehen.

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In den letzten Jahren unter Trinchieri hätte man wohl dutzende Lehrbücher mit Beispielen füllen können, wie gutes Spacing auszusehen hat und wie es richtig genutzt wird. Da Bamberg in dieser Saison aber deutlich weniger Firepower von außen zur Verfügung hat, sieht man anderen Basketball in der Brose Arena. Eine Möglichkeit, wie man mit Spielern, die nicht gerade für Alarm hinter der Dreierlinie sorgen, aber dennoch die Breite des Parketts nutzen kann, zeigt das nächste Beispiel.

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Hier sucht Bamberg gerade ihre beste Option im Post: Augustine Rubit. Nikos Zisis startete am Ellbow und Patrick Heckmann in der rechten Ecke. Da Rubit in der Euroleague durchaus auf sich aufmerksam macht, bringen sich Nando De Colo und Cory Higgins beide in Position, Rubits potenziellen Drive Richtung Korb zu erschweren. Die beiden Moskauer sind dabei wenig besorgt um Heckmann und Zisis, gerade De Colo sinkt sehr weit ab. Daraufhin stellt Heckmann – auf Anweisung von Nikos Zisis – einen Pick in den Rücken von Higgins und Zisis bewegt sich vollkommen frei in die Ecke.

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Durch den Backscreen sorgt Heckmann kurz für Unruhe bei De Colo und Higgins, die so nicht hundertprozentig aushelfen können. Das nutzt Rubit prompt um Richtung Korb zu gehen und zwei Freiwürfe zu ziehen. Zusätzlich wäre natürlich noch die Option des Passes auf den freien Zisis in der Ecke zur Verfügung gestanden. Hier wird deutlich, wie die in letzter Zeit häufiger diskutierte „Leave Him Open“ Problematik gekontert werden kann. Blickt man über den großen Teich in die NBA kann man selbiges Spiel bei den Thunder beobachten, die den Non-Shooter Andre Roberson auf ähnliche Weise einsetzen. Heckmann ist dabei absolut kein wurfbefreiter Spieler wie Roberson. Dennoch lassen sich vermehrt Varianten wie diese beobachten, mit denen Trinchieris Team versucht, ihren Schützen offenere Dreier zu ermöglichen, gerade weil sie nicht mehr von vornherein die gleiche Gefahr ausstrahlen wie noch in den letzten Jahren.
Wo liegen die bisherigen Probleme?
Als hässlich lässt sich die Liaison zwischen Brose Bamberg und Quincy Miller getrost bezeichnen. Während die Verpflichtung des langen Forwards bei nicht wenigen Leuten für große Augen und Vorfreude sorgte (den Autor eingeschlossen), kam dann doch alles anders.
Nach einem Pflichtspiel strich ihn Trinchieri aus dem Kader, ehe der Vertrag Ende November aufgelöst wurde. Wirklich unschön war dabei aber die leidige Saga, Miller werde spielen, sobald er dazu bereit sei, worüber sich Miller auf seinen Social Media Kanälen wenig begeistert zeigte. Dass ausgerechnet er so gar nicht funktionierte, traf Bamberg hart. Miller hätte dem Team im Idealfall sehr viel Variabilität, Länge und Shot Creation gebracht. Auf dem Papier der designierte Star. Bis sein Ersatz in Dorrell Wright zum deutschen Meister kam, musste die Last spontan neu aufgeteilt werden. Ein Hauptabnehmer:
Ricky Hickman
Damit kämen wir zum zweiten Thema, das nicht gerade für Begeisterung sorgt. Bamberg Hickman ist nicht gleich Maccabi Hickman. Dazwischen liegen vier Jahre und eine schwere Verletzung. In der aktuellen Euroleague-Saison ist der 32-Jährige mit 12,2 Punkten pro Partie Bambergs Topscorer.
Zwar ist Hickman bspw. mit den reinen Quoten aus dem Feld in seinem Karrieresoll, dafür zeigt bereits der Blick auf die einfachen Zahlen im Boxscore, wo mögliche Probleme sein könnten. Knapp sechs mal ballert Hickman pro Spiel von Downtown und versenkt dabei 31,8%. Verschlimmert wird es zusätzlich, wenn er nach 14 Begegnungen mit 27/85 Dreiern 38 Versuche mehr genommen hat als jeder andere Spieler im Roster. Zum Vergleich, er wird gefolgt von Dorrell Wright mit 47 und Maodo Lo mit 46 versuchten Dreipunktewürfen. Gerade in Punkto Wurfauswahl bei ist Hickman noch Luft nach oben, vor allem was die Pullup-Dreier früh in der Shotclock betrifft.

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Ja, Brose hat in dieser Saison nicht annähernd die Shooting Power wie in der Vergangenheit, dennoch sollte man sich auf Dauer nicht auf Ricky Hickman als meistgenutzten Shooter verlassen. Ein Grund, warum Hickman 60% seiner Würfe hinter der Linie nimmt, ist wohl auch seine mittlerweile fehlende Athletik. Gerade beim Abschluss am Korb ist er leicht zu blocken, da er kaum vom Boden wegkommt. Zu selten gelingt es ihm dabei, die fehlenden Sprungfedern durch geschickte Moves bzw. den Einsatz seines Körpers den Block zu erschweren. Obendrauf sind gerade seine Turnover teilweise zum Haare raufen und passen kaum zum Stigma eines erfahrenen Euroleague-Champions, der gute Entscheidungen treffen sollte.
Auch defensiv wird Hickman regelmäßig von gegnerischen Teams attackiert, die ihn als Schwachstelle der Verteidigung betrachten. Bestes Beispiel war hierfür der Euroleague-Auftakt gegen Maccabi Tel Aviv, als Maccabis Guards fast nach Belieben an Hickman vorbeizogen oder ihm Fouls anhängen konnten. Gleiches gilt für Nikos Zisis, der trotz seines Status als Basketball Legende nicht mehr als guter Verteidiger am Ball gesehen werden sollte. Die streckenweisen Verletzungsausfälle von Hackett und Taylor haben diesen Umstand zusätzlich verschärft.
Wie es sich aber scheinbar für die Bamberger Saison 2017/18 gehört, hat auch Ricky Hickman ein zweites Gesicht, bei dem sich mancher Basketballfan in 2014 zurückversetzt fühlt. Besonders das Spiel gegen Valencia ist hier zu betonen. Die 26 Punkte-Leistung inklusive der spielentscheidenden Freiwürfe nach gezogenem Foul beim Dreier sind noch gut vor Augen. Hier scorte Hickman aus allen Lagen, attackierte den Korb und traf seine Distanzwürfe. Viel erstaunlicher war allerdings (auf einmal) seine Defense, insbesondere gegen Valencias erste Option Erick Green, als er den andalusischen Topscorer mehrfach zu schwierigen Würfen, Turnovern und einem unsportlichen Foul zwang.
Gegen Olympiakos war es auch Hickman, der in der Schlussminute zum 67:62 Bambergs letzte Punkte erzielte. Natürlich war das ein extrem schwerer Floater von rechts im Zurückfallen gegen Printezis und Hickman, davor stand er bei 2/12 Wurfversuchen. Wie gesagt, Basketball ist manchmal eben seltsam.

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Trotz dieser punktuellen Sahneleistungen lässt sich aber anzweifeln, dass Hickman heute noch ein Team in die Top 8 der Euroleague führen kann, worauf man in Bamberg ja abzielt.
Ricky Hickman makes me mad. Every game!
— Freasy (@Dantinho31) 17. November 2017
Spacing matters!
Ricky Hickman soll hier aber keineswegs als das einzige Problem der Oberfranken dargestellt werden. Bamberg hat auch ein Shooting-Problem, wie bereits mehrfach kurz angemerkt wurde. Zugegeben, in den letzten Jahren wurde man in dieser Hinsicht schon sehr verwöhnt. Mit Strelnieks und Miller hat man zwei absolut elitäre Schützen verloren. Theis und Melli brachten als Big Men ebenfalls die wertvolle Gefahr von Außen mit. Gerade auf den großen Positionen mangelt es Brose extrem an Schützen. Die Probleme Luka Mitrovics von Downtown sind bestens dokumentiert, er steht in der Euroleague bislang bei 1/6 Dreiern. So stark Augustine Rubit auch aufspielt, sollte trotzdem beachtet werden, dass er gegen Piräus seinen ersten (und wichtigsten) Dreier getroffen hat. Diese fehlende Gefahr von Außen erschwert natürlich das Generieren guter Wurfchancen stark, wenn regelmäßig einer oder mehrere Verteidiger regelmäßig weiter absinken können.
Die Situation in der Bundesliga
Während man mit den bisherigen Euroleague-Ergebnissen zufrieden sein kann, sieht die Tabellensituation in der Bundesliga anders aus. Hier tat sich Bamberg in etlichen Spielen merklich schwer, rangiert nach 15 Spieltagen auf einem ungewohnten vierten Tabellenplatz und hat bereits fünf Niederlagen kassiert. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Alles überschattet allerdings die durch die Euroleague resultierende Spielbelastung. Darauf wollte man sich in Bamberg mit einem breiten Kader wappnen, in der BBL Spieler schonen und die Minuten auf viele Schultern verteilen. Das tat man auch, nur war die ständig wechselnde Kaderbesetzung in den Ligaspielen wohl wenig hilfreich, damit sich die Mannschaft finden konnte. Das, in Kombination mit müden Knochen durch einen Spielplan, der dem der NBA in Sachen Belastung nahekommt, erschwert die Voraussetzungen schon mal deutlich. Hinzu kommen dann noch die Verletzungen: Elias Harris, Daniel Hackett, Luka Mitrovic und Bryce Taylor mussten allesamt schon Spiele aussetzen bzw. sind aktuell noch verletzt. Ohne Harris und Mitrovic wird es dann in der Rotation der großen Spieler schon dünn.
Ebenfalls nicht zu unterschätzen sollte die Vorbereitung auf die Spiele sein. Für die Bundesligaspiele wird die Vorbereitungszeit der Trainer wie Spieler auf den Gegner wohl etwas kürzer kommen, als für die Euroleague-Partien. So können die deutschen Vereine gegen Brose deutlich besser ihre eigenen Stärken ausspielen, was sich bislang in den Ergebnissen widerspiegelt.
Fazit
Muss man sich als Anhänger des deutschen Meisters deshalb Sorgen machen, in der BBL den Anschluss zur Spitze verloren zu haben? Wohl eher nicht. Sollte Bamberg die reguläre Bundesliga-Saison halbwegs gut überstehen und einen ungefährdeten Playoffeinzug schaffen, muss in der Postseason definitiv mit ihnen und Bayern als klare Favoriten gerechnet werden. Dafür spricht nicht nur der Formaufschwung der letzten Saison, nachdem der wahnsinnige Euroleague-Spielplan wegfiel, sondern auch die bislang respektable Bilanz in Europas höchster Spielklasse.
Auch in der Euroleague wird man wettbewerbsfähig bleiben, ein möglicher Einzug ins Top 8 wird allerdings ein schwieriges Unterfangen, auch wenn Bamberg noch in Schlagdistanz ist. Will man dieses Ziel jedoch in Angriff nehmen, bedarf es neben einer weiteren Leistungssteigerung noch Verletzungsfreiheit aller Schlüsselspieler, sowie einer Prise Pech für die Konkurrenz.