Der Fall O'Bannon
„Was lange währt, wird endlich gut!“ – diese oder ähnliche Worte müssen Ex-College-Star Ed O’Bannon am Freitag durch den Kopf gegangen sein, als nach fünf langen Jahren Gerichtsprozess seiner Klage gegen die NCAA stattgegeben wurde. Das gesprochene Urteil wird die Collegesportwelt in den USA nachhaltig verändern und wohl zum Tod der durch die National Collegiate Athletic Association gern bemühten Bezeichnung „student athlete“ für seine Sportler führen.
Wer ist Ed O’Bannon?
Der Forward Ed O’Bannon dürfte wohl nur wenigen reinen NBA-Fans ein Begriff sein. In der 1995er Draft wurde der Kalifornier an #9 gezogen und muss bis heute als großer Draftbust gelten. Die New Jersey Nets, die den Rookie O’Bannon in diesem Jahr verpflichteten, ließen damals nicht nur mit Theo Ratliff und Michael Finley zwei All-Stars auf dem Board, sondern holten sich mit dem Flügel einen Spieler in das Team, der dem NBA-Level nicht gewachsen war. Nach nur drei Jahren in der Liga schied O’Bannon nach 128 Spielen mit recht traurigen Durchschnittswerten (5,0 PpG bei 36 FG% in 16 MpG) aus der NBA aus und war gezwungen seine Basketballkarriere fortan als Journeyman in Europa fortzusetzen. Nach rund vier Millionen Dollar Gehalt in der NBA, verdiente O’Bannon im Ausland wohl nie mehr als 400.000 Dollar pro Jahr. (Das sind alles Bruttobeträge.)
College-Basketball-Herzen hingegen schlagen bei Erklingen des Namen O’Bannon direkt höher. Der ehemalige UCLA Bruin legte für seine Uni eine wahre Bilderbuchkarriere hin. Vier Jahre lang entwickelte er sich stetig weiter und krönte seine Zeit am College mit einer herausragenden Senior-Kampagne. Als All-American First-Teamer führte er eine sonst eher namenlose Bruins-Truppe in das Finale des NCAA Tournaments und besiegte im Champioship-Game das von Corliss Williamson angeführte Arkansas. 30 Punkte und 17 Rebounds in dieser Partie verhalfen O’Bannon zum Titel “Most Outstanding Player”. Seine Rückennummer #31 wird von UCLA seither nicht mehr vergeben – eine große Ehre für den Forward, hängen in Westwood neben College-Legende John Wooden unter anderem auch die NBA-Hall of Famer Bill Walton, Kareem Abdul-Jabbar, Gail Goodrich, Jamaal Wilkes und Reggie Miller unter der Hallendecke.
O’Bannon vs. NCAA
Gemessen an seinen College-Erfolgen muss die Profikarriere des Ed O’Bannon klar als Enttäuschung gewertet werden. Das weiß der Forward aus Kalifornien auch selbst. Er hatte es, wie so viele gute College-Basketballer, nicht geschafft, seine auf Uni-Level noch herausragenden Fähigkeiten auf die Profi-Ebene zu übertragen. Die dadurch entstehenden finanziellen Auswirkungen waren gravierend. Während die Kombination College-Superstar und NBA-Bust für eine eher mittelmäßige Bezahlung sorgt, hätte er als NBA-Superstar für die finanzielle Absicherung seiner Enkelkinder sorgen können. Dies war ihm aber nicht vergönnt. Ein Punkt in seiner Basketball-Karriere, der O’Bannon in manchen ruhigen Minuten sicher heute noch sauer aufstößt.
Zu dieser nicht mehr änderbaren Ungerechtigkeit des Lebens, gesellte sich im Jahr 2009 allerdings ein Umstand, der O’Bannon zum Handeln zwang. Hatte die NCAA ihm während seiner aktiven Zeit für UCLA durch ihr Verbot der Bezahlung von „student athletes“ nicht nur große Summen an Geld vorenthalten, verdiente die National Collegiate Athletic Association nun nach seinem Karriereende offensichtlich Geld mit seinem Namen, ohne ihn zu beteiligen: Dem Forward fiel zu dieser Zeit ein Videospiel in die Hände, in dem ein Spieler mit seinen Maßen, seiner Nummer, seinem linkshändigen Wurf und seinem Namen als Power Forward für die UCLA Bruins auflief. Seine Rechte hatte O’Bannon an diesen Spielehersteller nie veräußert. Die Lizenz für die Nutzung seiner Person hatte die Firma von der NCAA bzw. ihrer Licensing Company erhalten.
Gegen dieses und ähnliche Geschäfte der NCAA legte O’Bannon im Namen aller Division I Football- und Basketball-Spieler Klage ein. Er attackierte mit dem durch ihn losgetretenen Prozess vor allem das durch die NCAA immer wieder bemühte Konzept des „amateurism in sports“. Dieses weißt alle am regulären Wettkampfgeschehen teilnehmenden College-Sportler als „student athletes“ aus. Das heißt, deren akademischen Bestrebungen sollen trotz professionell betriebenem Sports im Vordergrund stehen, wodurch eine Bezahlung der Athleten durch die Universitäten, Conferences und die NCAA, die mit ihrer Vermarktung unglaublich große Einnahmen generieren, grundsätzlich ausgeschlossen wird. (Zur Einordnung: Die TV-Rechte zum NCAA-Tournament wurden 2010 in einem 14-Jahres-Vertrag an CBS vergeben. Die NCAA strich durch den Deal rund 10,8 Milliarden Dollar ein.)
O’Bannon wollte ganz konkret einklagen, dass (ehemalige) College-Athleten finanzielle Kompensationen erhalten, wenn die NCAA ihre Namen oder ihr Abbild für kommerzielle Zwecke nutzt. Dieses Vorhaben generierte gehörigen Zuspruch in der Basketball-Gemeinde. Viele namenhafte ehemalige Spieler, wie Oscar Robertson oder Bill Russell, schlossen sich im Laufe des Verfahrens der Klage an. Zwischen Spielehersteller, der Lizensierungs-Abteilung der NCAA und den Kägern wurde im Mai ‘14 eine 40 Millionen Dollar schwere außergerichtliche Einigung erwirkt, doch der Hauptprozess gegen die NCAA lief weiter. In dieser Woche kam es nach 5 Jahren Verhandlungen zu einem Urteil.
Das Urteil
In einer 99-Seitigen Entscheidung zum Prozess gab eine US-District-Richterin O’Bannon und seinen mittlerweile 19 Mitklägern recht und urteilte gegen die NCAA. Die National Collegiate Athletic Association habe gemeinsam mit den Colleges und den Conferences in einem kartellartigen System Athleten daran gehindert, an Einnahmen beteiligt zu werden, die durch die Vermarktung ihrer Namen und ihrer Bildnisse generiert werden/wurden. (Dabei geht es vor allem um Lizensierungsrechte im Bezug auf Videospiele und Broadcasting/Marketing-Verträge.) Nach dem Urteil ist es Athleten nun erlaubt, Gewinne aus solchen, durch die Universität, Conference oder die NCAA abgeschlossenen, Verträge zu erhalten – ein großer Fortschritt für alle „student athletes“ oder nun vielleicht besser „athlete students“.
Das Urteil hebt Restriktionen im Bezug auf Einnahmen auf, die durch „name, image und likeness“ der Spieler erwirtschaftet werden. Ab sofort verhandeln die Athleten ihr Recht am eigenen Bild selbst. Allerdings wurde im Urteil ein Zahlungslimit eingebaut. Colleges und Conferences dürfen gemeinsam nur bis zu 5000 Dollar pro Jahr pro Sportler auszahlen. Dazu können für jeden Athleten durch die Universität zusätzlich 5000 Dollar jährlich in einem Fond angelegt werden, der nach Verlassen des Colleges an die jeweiligen Spieler ausgezahlt wird. Diese Zahlungslimits müssen als kleiner Teilsieg der NCAA in diesem Prozess gesehen werden, da sie riesige Zahlungen an die Stars des College-Football bzw. College-Basketball verhindern. Die neuen Zahlungsregelungen werden mit Abschluss des neuen Recruiting-Zyklusses 2016 in Kraft treten.
Ausblick
Um das schnell klarzustellen: Das Urteil hat lediglich Aussagen zu Einnahmen getroffen, die durch Vermarktung von „name, image and likeness“ der Athleten erwirtschaftet werden. Es hat nicht zu Folge, dass College-Sportler plötzlich regulär für ihre sportlichen Leistungen bezahlt werden. Allerdings muss das Verfahren und sein Ausgang dennoch als bahnbrechend gesehen werden. Die NCAA hatte ihr über 100 Jahre altes Modell unter der Prämisse aufgebaut, die perfekte Symbiose von Lehre und Sport bei einen möglichst ausgeglichenen Wettbewerb zu schaffen. Als Kernprinzip zur Sicherstellung dieser Punkte, führte die NCAA immer wieder den verpflichtenden “amateurism status” ihrer Sportler an. Dieses Gesamtprinzip zweifelt das Urteil an mehreren Stellen klar an:
This evidence demonstrates that the NCAA’s restrictions on student-athlete pay is not the driving force behind consumer interest in FBS football and Division I basketball,” Wilken wrote. “Thus, while consumer preferences might justify certain limited restraints on student-athlete compensation, they do not justify the rigid restrictions challenged in this case.”
Wilken wrote that the NCAA’s current rules demonstrate “the NCAA does not consistently adhere to a single definition of amateurism.”
Durch das klare Anzweifeln des „amateurism“-Arguments durch das Gericht könnte sich aus Sicht der NCAA die Büchse der Pandora geöffnet haben. Auf Basis dieses Urteils werden in Zukunft Klagen möglich, die für College-Athleten weitere Einnahmen bedeuten könnten, auch wenn es bis zum regulären Gehalt für College-Spieler noch immer ein weiter Weg ist bzw. ein solches Salär zu diesem Zeitpunkt noch immer unwahrscheinlich scheint. Dennoch – die NCAA wurde mit dem O’Bannon-Fall in ihren Grundfesten erschüttert und wird nie wieder dieselbe sein. Weitere Reformen und viele Dialoge stehen bevor. Warten wir ab, wohin diese führen. Das Urteil im Fall O’Bannon gibt eine gute Richtung vor.