March Madness, dies dürfte jedem Basketballfan, der etwas auf sich hält, ein Begriff sein. Gemeint ist damit natürlich das alljährlich stattfindende NCAA Tournament, in welchem die besten 68 Collegebasketballteams ihren Meister ausspielen. Wegen des KO-Formats einiges an Spannung aufbietend, werden diese Wochen im März gern als „verrückt“ bezeichnet.
Die Zeitspanne bis zum nächsten Saisonbeginn im Herbst dagegen ist eher eine langweilige. Klar gehen hier die Schulen auf Jagd nach neuen Spielern, es werden Übungsleiter gefeuert und neu eingestellt und auch kann manchmal ein größerer Transfer von einem College zu einem anderen für Furore sorgen. Wirkliche Schlagzeilen werden allerdings kaum produziert. Nur diesen Sommer scheint in den Universitätsorganisationen der Wahnsinn auch in der warmen Jahreszeit zu grassieren. Während NBA Fans einstimmig „Lockout“ zu ihrem Unwort des Jahres wählen würden, würden Collegeliebhaber nach den aktuellen Entwicklungen der letzten Wochen für „Conference Realignment“ votieren. Was dies genau ist und wie es den Collegebasketball in Zukunft beeinflussen könnte, soll im Folgenden beschrieben werden.
Conference Realignment?
Um den Vorgang der Neuanordnung von Conferences erklären zu können, muss zunächst erläutert werden, was eine Conference genau ist. Colleges spielen unter einem großen Dachverband, der NCAA. Deren Aufgabe ist es, grundlegende Abläufe zu überwachen und Regeln festzulegen, die für alle teilnehmenden Universitäten im Sportbereich dann gelten. So ist es beispielsweise die NCAA, die festlegt, wie lange ein Athlet trainieren darf, damit dieser sein Studium nicht vernachlässigt. Oder man entscheidet über die Spielberechtigung von ausländischen Studenten, wie es im letzten Jahr mit Enes Kanter der Fall war.
Darunter gibt es ein weiteres Level. Dies sind einzelne Ligen, in denen sich Teams mit ähnlicher geografischer Herkunft, Universitätskultur und Zukunftsgedanken zusammenschlossen, um den eigenen Spielbetrieb zu organisieren und eine Marke für den Verkauf von Medien- und Werberechten zu erstellen. Diese Zusammenschlüsse nennt man Conferences. Bisher gab es in der amerikanischen Sportlandschaft sechs sogenannte Power Conferences (ACC, PAC-10, SEC, Big Ten, Big 12, Big East), die besonders ambitionierte und erfolgreiche Athletikprogramme beherbergten, und eine Vielzahl von kleineren Conferences mit Colleges, welche weniger Investitionen in den Sport tätigen. Von einer juristischen Seite gesehen sind diese Verbände allerdings eher lose, weshalb es einfach ist, solch eine Liga auch einmal zu wechseln. In der Vergangenheit ist dies auch öfter schon einmal vorgekommen.
Allerdings hat dieses Wechselspiel in diesem Jahr einen neuen Höhepunkt erreicht. Auslöser für diese Entwicklung ist natürlich wie immer das liebe Geld. Und womit werden in den USA sporttechnisch die größten Gewinne erzielt? Richtig, mit Football. Die NFL brachte es im Jahr 2010 auf Gewinne von ca. 9 Milliarden Dollar. Die NBA erwirtschaftete, mit ca. 4,1 Milliarden Dollar, nicht einmal die Hälfte. Auf dem Collegelevel ist es ähnlich. Hier sind es meist die Footballprogramme der einzelnen Colleges, die die Zugpferde der Sportabteilungen sind und satte Erträge generieren. Um diese zu maximieren, wollen sich die Footballpowerhouses mehr in eigenen Ligen zusammenschließen, um bessere Fernsehverträge abschließen und mehr Merchandise an den Fangemeinden bringen zu können. Experten sprechen von vier geplanten Superconferences mit jeweils 16 beherbergten Teams, die in nicht zu ferner Zukunft entstehen könnten und ein Ende der Collegelandschaft bedeuten würden, wie wir sie heute kennen. Denn klar ist, mit solch einer Entwicklung müssten zwei der oben genannten Power Conferences weichen und deren Teams teilweise nach einem anderen Verbund umsehen. Auch eine Änderung des Tournamentformates zu einem alleinigen Wettkampf dieser Superconferences scheint nicht ausgeschlossen.
Was bisher geschah
Big 12
Texas ist nach Alaska der größte Bundeststaat der USA und in wenigen anderen amerikanischen Regionen wird der Football so heftig zelebriert wie hier. In der Hauptstadt dieses Staates steht die University of Texas in Austin, eines der fünf größten Colleges des Landes mit einer langen Tradition im American Football. Kombiniert man diese zwei Gegebenheiten, ist es klar, dass der Sport als Produkt in dieser Region eine Menge Geld erwirtschaften kann, da sowohl ein gutes Team als auch eine dazu passende Fanbase vorhanden sind. Eine bessere Kombination lässt sich im gesamten Land schwer finden. Dies weiß man auch bei den Longhorns und gründete im August aus Vermarktungszwecken mit dem Longhorn Network ein eigenes unabhängiges Sport-Netzwerk. Allerdings schien die eigene Conference Big 12 nicht mehr den eigenen Ansprüchen zu genügen und man flirtete heftig mit anderen Verbänden, da man sich dort (noch) mehr Gewinne versprach. Die PAC–10 und die ACC waren/sind Wunschdestinationen.
Bisher hat sich noch kein Wechsel ergeben, allerdings wäre ein Abgang der Longhorns für die Big 12 fatal, da man sein wichtigstes Mitglied verlieren würde und adäquater Ersatz nicht in Sicht ist. Schon die bloßen Wechselgedanken sorgen für ein Gefühl wachsender Instabilität bei den anderen Mitgliedern der Conference. Verhandlungen über die Zukunft der Big 12, bei denen die Rivalen Texas Longhorns und Oklahoma Sooners die gewichtigsten Stimmen haben, wurden erstmal nur für die nächsten fünf Jahre geführt. Weiter in die Zukunft möchte man derzeit nicht schauen. Ein erstes Team hat auch schon Fluchtpläne aufgestellt, um der Ungewissheit zu entgehen. Texas A&M wird aller Voraussicht nach in die SEC wechseln und wurde am 25.9. von eben jener als neues Mitglied akzeptiert. Zum einen hat dies sportliche Gründe. Man möchte aus dem Schatten des großen Bruders Texas Longhorns treten. Schaut man sich allerdings an, dass die letzten fünf Collegefootball Champs alle aus der SEC kamen, merkt man, dass der Sicherheitsaspekt eine größere Rolle spielt. Die Aggies gehen davon aus, als SEC Mitglied eine bessere Zukunft zu haben als ein Teil der Big 12 zu bleiben. Dieser bevorstehende Abhang schürt die Angst vor dem Zusammenbruch der Conference natürlich noch mehr. Kleinere Colleges wie Baylor behalten es sich vor, gegen den Abwanderungsversuch von Texas A&M rechtliche Schritte einzuleiten. Händeringend sucht man nun nach neuen Mitgliedern. Auf der Liste stehen Louisville und Mid Major BYU.
PAC–12
Die PAC–10 expandierte diesen Sommer und änderte deswegen den eigenen Namen in PAC–12. Man nahm Colorado und Utah als neue Mitglieder auf. Durch deren Akquisition erschloss man neue TV-Märkte und somit neue Einnahmequelle. Zuvor war man in den beiden Staaten in den Rocky Mountains noch nicht vertreten. Auch überlegte man lange, dem Gedanken der Superconferences zu folgen und den Pool an Teams bis auf 16 aufzustocken. Gehandelte Kandidaten dafür waren die Footballhochburgen der Texas und Oklahoma University sowie Texas Tech und Oklahoma State. In Verbindung mit den eigenen Topprodukten in Sachen Sport, University of California (UCLA) und University of Southern California (USC), hätte diese Portfolioerweiterung nette Gewinne versprochen. Dieser Deal scheiterte an der Sturheit und Geldgier der Longhorns. Diese hätten durch einen solchen Zusammenschluss wohl insgesamt mehr Erträge erzielt, man wollte allerdings keinen Vertrag unterzeichnen, der im Falle des Zusammenschlusses allen 16 Parteien dieselben Gewinne zusichert und den Einnahmenkuchen gerecht verteilte, wie es die Mitglieder der PAC-12 getan hatten. Die Texas University bestand darauf, sein eigenes Mediennetzwerk, das Longhorn Network, und somit die eigene Vermarktung zu behalten. Dies konnte Commissioner der PAC-12, Larry Scott, nicht akzeptieren und erteilte den oben genannten Schulen eine klare Absage, indem er am 21.9. erklärte, keine weiteren Colleges mehr aufnehmen zu wollen.
SEC, ACC, Big East, Big Ten
Die SEC würde mit dem Hinzufügen von Texas A&M auf 13 Teams kommen. Eine ungerade Zahl, bei der man es recht sicher nicht belassen möchte, da dies beispielsweise beim Erstellen von Spielplänen schon leichte Probleme bereitet. Das heißt, dass man sich nach neuen Mitgliedern umschauen wird. Die Frage ist, ob man sich sofort auf den Weg zur Superconference macht und gleich drei neue Teams ins Boot holt oder ob eine neue Organisation für den Moment schon genug sein könnte. Kandidaten werden auf jeden Fall schon gehandelt. Viele Experten sehen Missouri oder aber West Virginia vorn. Interessanterweise würde die Aufnahme der Schulen jeweils unterschiedliche Auswirkungen auf das Zukunftskonzept der Liga haben. Missouri würde einen neuen TV Markt mitbringen und somit für mehr Geld in den Kassen sorgen. West Virginia wäre sportlich sicher die bessere Addition. Man darf gespannt sein.
Am 19.9. gab die ACC bekannt, dass man die Colleges Pittsburgh und Syracuse aufnehmen würde. Dies sorgte für einigen Wirbel, da zwei der traditionsreichsten Programme der Big East die Conference wechselten. Eine detailierte Betrachtung zu diesen wohl bis hierher gravierendsten Ligawechseln folgt hier bei Go-to-Guys in naher Zukunft. Nur so viel sei gesagt: Das Hinzufügen der zwei Teams bringt die ACC auf 14 Mitglieder. Noch hat man nicht ausgeschlossen, eventuell noch auf 16 Organisationen aufzustocken. Auch hier heißt es abwarten.
Die Big East sieht nach dem Abgang zweier wichtiger Mitglieder ähnlich instabil aus wie die Big 12. Viel Qualität in Form von guten Football-Schulen ist nicht mehr vorhanden. Es könnte zu einem Bruch und weiteren Abgängen kommen. Die Chancen auf eine Zukunft als Superconference stehen deshalb recht schlecht. Eventuell schlägt man einen Weg ein, der die Big East dann klar von den anderen – eher footballaffinen – Ligen unterscheidet. Dieses andere Konzept wäre, sich klar auf Basketball als ersten Sport zu konzentrieren, da man sowieso schon Colleges wie Villanova im Verbund hat, deren Footballprogramme ihren Namen nicht wirklich verdienen. Um diesen Weg zu gehen, müsste man sich dann um die besten Basketball-Universitäten außerhalb der bisherigen Power Conferences buhlen und Schulen wie Butler, Xavier oder aber George Mason ins Boot holen.
Einzig die Big Ten scheint von all diesen Entwicklungen unbeeindruckt zu sein. Bisher gab es in dieser keine Veränderungen. Auch Gerüchte darüber, dass sich dies schnell ändern könnte, halten sich in Grenzen. Allerdings ist wohl keine Conference mehr vor der sich ändernden Collegelandschaft gefeit.
Auswirkungen
Noch sind die Folgen dieser „Conference Realignments“ nur grob abzuschätzen, da der Prozess noch nicht abgeschlossen ist und sich so auch kein wirklich klares Bild ergeben kann. Aber einige Punkte lassen sich schon anbringen:
NCAA und die Conferences sprechen immer von Student Athlets und betonen dabei gern das erste Wort. Dies kann man mit den neuen Entwicklungen nur noch bedingt ernst nehmen. Wie kann es für ein Studium förderlich sein, wenn man durch die Vergrößerung der eigenen Ligen den Studierenden um vielfaches längere Reisewege aufhalst? So hält man sie von Bibliotheken, Vorlesungssälen und dem eigenen Campus fern. Das kann nicht im Sinne der akademischen Ausbildung dieser jungen Menschen sein.
Die zuvor beschriebene Entwicklung der Collegelandschaft zu vier Superconferences und einem nicht gleichgestellten Rest hätte auch viele Nachteile. In diesen Superconferences würde eine übermäßige Konkurrenz herrschen. Klar sagt man immer, dass Wettbewerb das Geschäft belebt. Allerdings müssten sich Fans mit (aus heutiger Sicht) verschobenen Ergebnissen zufriedengeben. Hätte ihr Team in einer normalen Powerconference einen Platz in der Top 3 erreicht, so kann es in den 16er Superligen eventuell nur für einen Platz 6 oder 7 reichen, obwohl die Mannschaft dasselbe Talentlevel hat. Auch Recruiting könnte schwieriger werden, wenn sich mehr angesehene Teams aus der eigenen Conference um einen Spieler reißen, der sich bisher nur sicher ist, beispielsweise in die ACC wechseln zu wollen. Sollte eventuell sogar das Tournamentformat geändert werden, welches Mid Majors außen vor lässt, dann könnte dies den College Basketball nachhaltig schaden. Die meisten Fans lieben die March Madness wegen der Upsets und Cinderella Stories. Man genießt das Tournament wegen der Jimmer Fredettes und Stephen Currys und nicht der John Walls oder Kevin Durants.
Ein anderer Aspekt wäre das Sterben einzelner aktueller Conferences, die alle traditionsreiche Gebilde mit eigener Historie sind. Zur Zeit sieht es so aus, als sei es um die Big 12 und die Big East nicht so gut bestellt. Dies führt zu der Frage, was mit den Colleges passiert, die kein goldenes Ticket für einen der Plätze in den Superconferences bekommen wird. Wie werden diese überhaupt verteilt? Würde Kansas als langjähriges Basketball Powerhouse eine Einladung erhalten, obwohl das Footballteam nicht konkurrenzfähig ist? Kleinere, finanzschwächere Universitäten wie Iowa State drohen ganz unter den Tisch zu fallen. Für diese Schulen droht die Zwangsabschiebung in kleinere Conferences, was weniger TV-Gelder bedeuten würde. Ein solcher finanzieller Einschnitt könnte für einige Programme gravierende Probleme bedeuten und deren Sportabteilung auf Jahre schädigen. Noch sind dies zwar alles nur Spekulationen und Vermutungen, allerdings scheinen erste Schritte in diese Entwicklungsrichtung gemacht.
Bleibt eine letzte Frage zu klären: Warum stoppt die NCAA nicht einfach diesen Wahnsinn und schiebt dem Ganzen einen Riegel vor? Die Antwort darauf ist leicht zu geben: Weil sie es nicht kann! Die NCAA als Dachverband des Collegesports hat zwar eine Menge Macht, aber kann diese Abkommen zwischen den Colleges und den einzelnen Conferences nicht bestimmen oder beeinflussen.
Fazit
Hart aber wahr: Der Collegesport verkauft im Moment Stücke seiner Seele. Aus reiner Raffgier setzt man jahrzehntelange Historie und Traditionen aufs Spiel. Ein neuer Fernsehvertrag und ein besseres Vermarktungsgebiet wiegen mehr als alte College Rivalitäten und zu einem gewissen Grad das Wohl der für die Sportteams aktiven Studenten. Diese Entwicklung kann man nicht gutheißen.
1 comment