Draft, Off-Court

Staying back to get ahead

Ein Recruiting-Zaubertrick

Ein Recruiting-Zaubertrick

Als sportbegeistertes Kind den Traum zu verwirklichen ein Basketball-Stipendium zu ergattern und anschließend Profibasketballer zu werden, grenzt rein statistisch betrachtet an ein kleines Wunder. Bereits im Draft-Profil zu Kings-Guard Ben McLemore zeigten wir die mathematischen Zusammenhänge dafür auf:

“Rund 60% aller amerikanischen Dritt- bis Fünftklässler im Basketballteam ihrer Middle School glauben an ein Sportstipendium an einem College. Allerdings schaffen es nur rund 2% in ein Uni-Sportteam, nur die Hälfte davon bekommt dafür ein Stipendium und verschwindend geringe 0,03% dieser Kinder werden Profis. Ab diesem Sommer wird Ben McLemore zu diesen 0,03% zählen.”

Diese Prozentzahlen sind für viele ambitionierte Eltern talentierter Basketballer ernüchternd, machen diese aber auch erfinderisch. In diesem Sommer wurde bekannt, dass sich Eltern junger Prospects schon seit langer Zeit eines gewieften Tricks bedienen, um ihre Schützlinge in Sachen Recruiting voranzubringen. Eines Basketball-Zaubertricks, der frei nach dem Film “The Prestige” aus drei Akten besteht. Der Fall Towns soll ihn erklären.

The Pledge

“The first part is called “The Pledge”. The magician shows you something ordinary: a deck of cards, a bird or a man. He shows you this object. Perhaps he asks you to inspect it to see if it is indeed real, unaltered, normal. But of course… it probably isn’t.”

Karl Towns Jr. ist ein besonderer Spieler. Der junge Center aus New Jersey gilt als Ausnahmetalent. Mit 16 Jahren vertrat der 1995 geborene Sevenfooter mit doppelter Staatsbürgerschaft die Dominikanische Republik bei den Olympischen Spielen in London. Es folgte eine extrem starke Sophomore-Saison an der High School. Die New Yorker Medien lieben ihn wegen seiner dominanten Leistungen und priesen den jungen Center nach nahezu jedem Spiel. Im Januar legte der Bigman ein Quadruple-Double auf und setzte damit das größtmögliche basketballerische Ausrufezeichen. Die Spielzeit 2012/13 beendete er mit den astronomischen Durchschnittswerten von 21,3 PpG, 14,3 RpG und 5,6 BpG. Im Sommer 2013 spielte Towns, als jüngster Spieler beider Teams, an der Seite von Andrew Wiggins, Dante Exum und Dennis Schröder für die Internationals beim Nike Hoop Summit.

andrewwigginswand

Seine Leistungen auf dem Parkett und der entstandene mediale Hype sorgten dafür, dass der Center als sechstbester High Schooler seines Jahrgangs geführt wird. Was ein solches Ranking zumeist über die Qualität eines Basketball-Talents aussagt, wurde in einem früheren Artikel bereits beschrieben. Dementsprechend viel Aufmerksamkeit von renommierten College-Coaches wurde dem nun 17-Jährigen zuteil. Für Towns geht damit ein Traum in Erfüllung. Das langersehnte College-Stipendium ist erreicht, ein NBA-Vertrag bei einer Universität mit Strahlkraft in greifbarer Nähe. Alle Entbehrungen, die er wie so viele andere Jungbasketballer während seiner Schulzeit machte, zahlen sich aus. Die unzähligen Stunden im Kraftraum, das akkribische Techniktraining, der Ernährungsplan, die vielen Auswärtsfahrten – sie werden sehr wahrscheinlich in einer erfolgreichen Profikarriere münden, die Towns und seine Familie bis an das Lebensende von finanziellen Sorgen befreien sollte. Warum Towns besonders ist? Er steht exemplarisch für eine ganze Spielergruppe, die, wie im Sommer bekannt wurde, für das Ziel Profibasketball sogar noch einen Schritt weiter geht.

The Turn

“The second act is called “The Turn”. The magician takes the ordinary something and makes it do something extraordinary. Now you’re looking for the secret… but you won’t find it, because of course you’re not really looking. You don’t really want to know. You want to be fooled.”

Towns wiederholte während seiner Middle School-Zeit, also dem amerikanischen Schulabschnitt von der sechsten bis zur achten Klasse, freiwillig ein Schuljahr. Dies tat er allerdings nicht aus notentechnischen Gründen. Er tat dies, um seine basketballerische Perspektive zu verbessern. New Jersey-High School-Trainerlegende Bob Hurley, ein mit Towns gut vertrauter Coach, kennt diesen in Basketball-Kreisen schon lang praktizierten Trend:

“It’s not because a kid is not doing well in school or is too young for his grade,” said Bob Hurley, coach of St. Anthony High of Jersey City. “It’s just because you’ll be one year older in high school and you’ll be that much better of a player.”

Die Phrase „Staying back to get ahead” fasst dieses Phänomen sehr gut zusammen. Junge Talente wiederholen freiwillig ein Jahr, um in den darauffolgenden Spielzeiten immer der älteste Spieler der eigenen Klassenstufe auf dem Parkett zu sein. So stellen sie sicher, in Sachen körperlicher Entwicklung, Erfahrung und vor allem auch basketballerischem Selbstvertrauen stets einen enormen Schritt voraus zu sein und damit einen nicht aufholbaren Vorteil zu genießen. Nicht nur sehr gute, sondern erst durch das Zusatzschuljahr ermöglichte dominante Leistungen führen zu langen Siegesserien ihrer Schulen, zu State-Championships, zu begeisterten Scouts, zu College-Stipendien an Top-Unis und zu NBA-Lottery-Buzz ohne jemals eine NCAA-Partie gespielt zu haben. Im Idealfall wird der Makel des wiederholten Schuljahres noch während der High School-Zeit ausgebügelt, so wie es gerade Karl Towns Jr. tat. Der Sophomore 2012/13 büffelte den gesamten Sommer und belegte sonst eher unrühmliche Summer School-Klassen, um als Senior 2013/14 doch noch in der regulären Zeit seinen Schulabschluss zu machen. Der Center war damit erfolgreich und übersprang sein Junior-Year. Seine Eltern unterstützten diese “Basketball-Entscheidung”:

“Me and my family talked about it, and it just felt like it was the best decision for me basketball-wise, to go and move to the next grade,” Towns said. “Especially with this year’s recruiting class, I think almost all top 10 players did it and they all reclassified up. It’s one of those things that just seems to be happening now.”

The Prestige

“But you wouldn’t clap yet. Because making something disappear isn’t enough; you have to bring it back. That’s why every magic trick has a third act, the hardest part, the part we call “The Prestige”.”

Für Towns Jr. war dieser Werdegang die richtige Entscheidung. Er folgte dem Ruf John Caliparis und wird, als Teil der nächstjährigen Wildcats-Recruiting-Class, 2014/15 für das Team aus Lexington auflaufen. Er gilt schon jetzt als sicherer Lottery-Pick 2015. Auch Spieler wie die diesjährigen Star-Freshmen Andrew Wiggins, Noah Vonleh, Dakari Johnson und Wayne Seldon oder NBA-Rookie Nerlens Noel schlugen diesen Weg des freiwillig wiederholten Schuljahres ein und profitierten enorm.

“The secret impresses no one. The trick you use it for is everything.”

Es wird spannend zu beobachten, ob nach Bekanntwerden dieser Praktik eine größere Debatte dazu entsteht. Derzeit bestehen keine Ansätze für Maßnahmen, die darauf abzielen, diese ernsthaften Eingriffe in das Leben von Schülern aus Basketball-Gründen zu verhindern.

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