Die Thunder stehen in der Offseason 2016 am Scheideweg
Eigentlich hätte dieser Artikel anders aussehen sollen. Dreitausend Wörter darüber, wie Sam Presti die Thunder mit kleinen Veränderungen das eine Bisschen besser machen könnte, das ihnen in den Playoffs 2016 gefehlt hat. Eigentlich. Dann tradete Presti Serge Ibaka am Draftday zu den Orlando Magic. Der Trade ist der Auftakt zu einer für die Thunder nun wahrscheinlich doch sehr ereignisreichen Offseason. Vor dem Team liegen möglicherweise größere Veränderungen – hinter ihm sechs Wochen intensivster Basketball, der mehr oder weniger lockere Erstrundensieg gegen Dallas, ein Upset gegen die hochgehandelten San Antonio Spurs sowie die 3:1-Führung, mit der man zum fünften Spiel nach Oakland fuhr. Und doch stehen Kevin Durant, Russell Westbrook und Co. wieder einmal mit leeren Händen da. Denn die Warriors waren einfach nicht kleinzukriegen, holten sich die letzten drei Spiele der Serie und damit das Ticket in die NBA-Finals. Für die Thunder eine herbe Enttäuschung, oder wie Kevin Durant es ausdrückte: „I thougth it was our year.“ Nun geht es für den Superstar in die Vertragsfreiheit. Davon hängt in den nächsten Wochen alles ab im mittleren Westen. Durants Entscheidung kennt zurzeit vielleicht nicht mal er selbst; einfließen werden mit Sicherheit auch die Erkenntnisse zur Teamentwicklung, die aus Regular Season und Playoffs gezogen werden können.
Was Regular Season und Playoffs der Thunder unterscheidet
Hätte man direkt nach Spiel 4 der Conference Finals die Uhr auf Ende Februar oder Anfang März zurückgedreht, man hätte das Team der Thunder wohl nicht wiedererkannt. Anstatt der Mannschaft, die mit Länge, Athletik, starker Defense, guter Offense und einem unbändigen Willen in der vorigen Runde San Antonio aus dem Rennen geworfen und gerade das dritte Spiel gegen „das beste Team aller Zeiten“ gewonnen hatte, hätte der Betrachter eine saft- und kraftlose Truppe gesehen, die sich gerade Niederlage um Niederlage abgeholt und eine Diskussion die Zukunft des Teams angefacht hatte. Die Thunder des Frühjahrs waren geprägt durch schlechte Defense, ineffiziente Offense und mangelnde Konzentration. Schon spielten einige den Abgesang auf das Team und sahen es im Sommer endgültig zerfallen, Sweep in der zweiten Runde inklusive. Stattdessen kamen die Thunder fast in die Finals. Wie ist das möglich? Was hat der während der Regular Season oft gescholtene Coach Billy Donovan mit dem Team in diesen drei Monaten angestellt?
Donovans Adjustements
Donovans Coaching in den Playoffs war geprägt von vielen Veränderungen, die sich wie ein roter Faden durch alle drei Runden zogen. Die Gegner der Thunder wurden vom Coachingstaff offensichtlich nahe an der Perfektion gescoutet, denn Donovan kannte fast alle Schwächen und nutzte sie immer wieder mit verschiedenen Adjustements aus. Am Anfang standen die Stache-Brothers Steven Adams und Enes Kanter, mit denen Donovan den Frontcourt der Spurs überpowerte. Insbesondere die haushohe Rebound-Überlegenheit der Thunder machte den Spurs-Bigmen Aldridge, Duncan, Diaw und West immens zu Schaffen. Als diese Strategie gegen die Warriors aufgrund der defensiven Probleme Kanters gegen die kleinen Aufstellungen Golden States nicht mehr funktionierte und zudem der wurfschwache Andre Roberson auf dem Flügel in der Offense ein großes Manko darstellte, zog Donovan den nächsten genialen Schachzug aus dem Hut. Er ließ spätestens ab Spiel 3 der Conference Finals sehr oft eine kleine Aufstellung mit Serge Ibaka und Kevin Durant als Bigmen spielen. Ibaka agierte in der Offense jedoch oft wie ein Flügelspieler mit Wurf, während Roberson im Pick-and-Roll den Blocksteller gab. Damit brachte er die Defense der Warriors streckenweise zur Verzweiflung; ebenso wie mit seiner Defensivstrategie, die vor allem auf der enormen Länge und Athletik seiner Spieler beruhte.
Im Vergleich zur Regular Season zeigte Donovan also massive Verbesserungen im Bereich Coaching und Adjustements; etwas, das man vom alten Trainer Scott Brooks beispielsweise kaum gewohnt war. Dass es letztlich im Shootout gegen die ‚Splash-Brothers‘ nicht reichte, hatte viel mit Glück und Pech zu tun. Die Playoffs legten allerdings auch einige strukturelle Defizite des Kaders offen. So musste Donovan die Rotation schon gegen die Spurs extrem verkleinern, um mitspielen zu können. Da gegen Golden State dann auch Kanter kaum noch spielbar war, agierte er defacto mit der Starting-Five plus Dion Waiters und für ein paar wenige Minuten im Spiel Randy Foye und Kanter. Dadurch waren die Stars oft überlastet – das könnte ein Faktor für die Niederlage in Spiel 6 gewesen sein. Ebenso fehlte ein weiterer Ballhandler hinter Westbrook; auch wenn vor allem Waiters hier gute Leistungen ablieferte, sollte er eben doch kein primärer Ballhandler sein. Presti hat diese Mängel selbstverständlich erkannt; der Ibaka-Trade war eine erste Reaktion darauf, weitere werden folgen.
Warum der Ibaka-Trade wohl unvermeidlich war
Es war der Blockbuster-Trade des Draft-Abends. Noch als es schon Gerüchte gab, dass Ibaka vielleicht getraded werden könnte, hielten viele Fans und Journalisten das für kaum möglich.
I would be stunned if OKC traded Ibaka, though. They are VERY excited about the existing roster (assuming that one guy comes back).
— Royce Young (@royceyoung) 23. Juni 2016
Auftritt Adrian Wojnarowski. Der Yahoo-Journalist wusste – wie immer – als erster, dass Serge Ibaka zukünftig für die Orlando Magic spielen würde. Und dass die Thunder als Gegenleistung Victor Oladipo, den zweiten Pick der Draft 2013, den türkischen Forward Ersan Ilyasova und Bigman Domantas Sabonis, den Orlando wenige Minuten vorher an elfter Stelle gedraftet hatte, bekommen haben.
Soweit die Tatsachen. Sekunden nach der Bekanntgabe überschlug sich die Twitter-Community der Thunder bereits mit den Bewertungen. Doch der Nebel rund um den Trade lichtete sich erst im Verlauf der Nacht und am nächsten Morgen. Da wurde bekannt, dass Serge Ibaka die Franchise wohl mit Auslaufen seines Vertrages im Jahr 2017 verlassen hätte, weil er mit seiner Rolle unzufrieden war. Zudem wollte er einen Maximalvertrag haben, in einem Sommer, in dem sowieso jedes Team zu viel Geld hat. Knapp 30 Millionen $ für einen zwar sehr wichtigen, aber doch in vielen Bereichen limitierten Spieler – das konnte Presti nicht verantworten. Denn obwohl Ibakas Skillset, die Kombination aus Shooting und Shotblocking, in der Liga wohl einmalig ist, kann diese Tatsache nicht über eine Vielzahl von Schwächen hinwegtäuschen. Ibaka war nie ein guter Passer, konnte sich keinen eigenen Wurf erarbeiten und hatte auch beim Dribbling Probleme. Während vor zwei bis vier Jahren sogenannte Stretch-Four-Bigmen extrem gefragt waren, haben sich die Anforderungen an Bigmen in letzter Zeit geändert. Besonders Draymond Green, aber auch Akteure wie Boris Diaw, Paul Millsap oder Al Horford prägen einen Spielertyp, bei dem es zwar auch auf Shooting und Defense ankommt, aber ein anderes Skill genauso im Mittelpunkt steht: das Passing. Genau die Komponente des Spiels, die Ibaka nie wirklich beherrschte. Da die Thunder auch noch andere Spieler bezahlen müssen, erscheint es unter Einbeziehung dieser Entwicklung und der Stagnation Ibakas in der letzten Situation nicht sinnvoll, ihm einen Maximalvertrag anzubieten. Dazu kommt die Unzufriedenheit des Bigmans. Zwar gibt es auch Stimmen, die mahnen, einen letzten Titelrun hätte die Franchise mit diesem Kern noch einmal versuchen sollen, auch in der Gefahr, dass Ibaka das Team nächstes Jahr dann ohne Gegenwert verlässt. Doch das Front Office der Thunder achtete schon in der Vergangenheit genau auf die Entwicklung des Teams und die Flexibilität in der Zukunft. Und in Anbetracht der oben genannten Tatsachen ist ein Trade Ibakas aus dieser Perspektive heraus definitiv als sinnvoll anzusehen.
Oladipo, Ilyasova, Sabonis – Spieler die weiterhelfen werden
Presti musste also handeln und hatte dafür auch das Grüne Licht seines Superstars; wie verschiedene Quellen übereinstimmend berichten, soll Kevin Durant signalisiert haben, dass ein Trade Ibakas seine Entscheidung über einen Verbleib nicht negativ beeinflussen würde. Nachdem es verschiedene Angebote gegeben hatte, entschied sich der GM letztlich für das der Orlando Magic. Um es gleich vorweg zu nehmen: der Gegenwert, den die Thunder dabei erhalten, ist enorm. Für einen abwanderungswilligen Spieler mit auslaufendem Vertrag erhielt Presti einen jungen, atheltischen Two-Way-Flügel in Oladipo, einen vergleichsweise billigen Stretch-4 mit Ilyasova und Draftee Domantas Sabonis, der als Sophomore in Gonzaga 17 Punkte und 11 Rebounds auflegte. Alle drei werden den Thunder in verschiedener Weise weiterhelfen können.
Der 24-jährige Oladipo verstärkt den in der letzten Saison qualitativ sehr dünnen Flügel der Thunder und ist gleichzeitig eine Versicherung, falls Restricted Free Agent Dion Waiters ein exorbitantes Angebot erhalten sollte. Mit seiner Athletik, seiner starken Defense und der vorbildlichen Arbeitseinstellung passt Oladipo perfekt zwischen Durant und Westbrook. Auch wenn sein Dreier in der seiner Karriere noch nie wirklich überdurchschnittlich war, war gerade gegen Ende der letzten Saison eine Steigerung zu beobachten. So traf Oladipo zwischen Januar und April 2016 40% seiner Distanzwürfe bei 4,3 Versuchen pro Spiel. Dieser Trend könnte noch zunehmen, wenn er nicht mehr wie in Orlando die erste Geige spielen muss, sondern neben Durant und Westbrook nicht so viel Aufmerksamkeit durch die Defense der Gegner bekommt.
Ilyasova, der zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate getraded wurde, ist zwar deutlich weniger athletisch als Oladipo, besitzt dafür allerdings einen exzellenten Wurf und ist somit fast der Prototyp eines klassischen Stretch-4. Anfangs war spekuliert worden, ob die Thunder Ilyasova nicht direkt cutten könnten, da von seinem Vertrag nur 400.000$ garantiert sind. Doch Presti machte relativ schnell klar, dass der Türke in der kommenden Saison für die Thunder spielen soll, auch wenn man natürlich einen Trade bei einem guten Angebot nie ausschließen sollte.
Presti says Ilyasova will be part of the team next season. “We traded for him because we think he’s a good complementary player.”
— Royce Young (@royceyoung) 24. Juni 2016
Ilyasova könnte einen Teil von Ibakas Rolle übernehmen und dem Team wichtiges Spacing liefern. Ob er dabei starten oder von der Bank kommen wird, ist dabei noch nicht klar.
Der dritte Spieler im Deal, Domantas Sabonis, ist sozusagen die Wildcard des Deals. Mit ihm bekommt Presti zum dritten mal in vier Jahren am Drafttag einen Spieler aus den hinteren Bereichen der Lottery. Sabonis besticht durch ein ausgeprägtes Skillset und einen hohen Basketball-IQ. Er ist zwar kein Überathlet und auch sein Wurf ist ausbaufähig, doch am College konnte er mit seinen guten Lowpost-Fähigkeiten glänzen; auch sein Passing ist nicht schlecht. In der Defense hat er vor allem in der Verteidigung anderer Bigmen Vorteile. Bei schnellen Flügelspielern ist er jedoch oft noch zu langsam. Insgesamt wird Sabonis wahrscheinlich zunächst nur wenige Minuten sehen, vor allem wenn Kanter bleibt, wovon Stand jetzt auszugehen ist. Für die Zukunft hat sich Presti jedoch zum wiederholten Male einen extrem vielversprechenden Spieler geholt.
Die Situation des Kaders
Das Roster stellt sich zurzeit und für die nächsten Jahre so dar:
Name | Alter | Position | 16/17 | 17/18 | 18/19 |
Russell Westbrook | 27 | Ballhandler | 17,769,374 | UFA |
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Cameron Payne | 21 | Ballhandler | 2,112,480 | 2,203,440 | 3,263,294 |
Victor Oladipo | 24 | Wing/Ballhandler | 6,552,690 | RFA |
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Josh Huestis | 24 | Wing | 1,191,480 | 1,242,840 | 2,243,326 |
Andre Roberson | 24 | Wing | 3,222,215 | RFA |
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Anthony Morrow | 30 | Wing | 3,488,000 (Team-Option) | UFA |
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Kyle Singler | 28 | Wing | 4,837,500 | 4,666,500 | 4,996,000 |
Ersan Ilyasova | 29 | Big/Wing | 8,400,000 (Team-Option) | UFA |
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Nick Collison | 35 | Big | 3,750,000 | UFA |
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Mitch McGary | 23 | Big | 1,526,040 | 2,430,981 | RFA |
Steven Adams | 22 | Big | 3,140,517 | RFA |
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Enes Kanter | 24 | Big | 17,145,838 | 17,884,176 | 18,622,514 (Player-Option) |
Domantas Sabonis | 20 | Big | 2,300,000* | 2,400,000* | 2,500,000* |
GESAMT (ohne Capholds): |
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| 75,186,134 |
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GESAMT (ohne Capholds und Optionen): |
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| 64,298,134
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Projected Salary Cap: |
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| 94,000,000 |
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Maximaler Cap-Space (ohne Capholds und Optionen): |
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| 29,701,866
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*Anhand der Rookie-Scales geschätzt, Vertrag noch nicht unterzeichnet.
Free Agents: Kevin Durant (UFA), Dion Waiters (RFA), Randy Foye (UFA), Nazr Mohamed (UFA)
Draft: Die Thunder drafteten an 56. Stelle Daniel Hamilton. Es ist unwahrscheinlich, dass dieser einen garantierten Vertrag erhält.
Rechte an Spielern: Alex Abrines (Ballhandler/Wing, 32. Pick 2013)
Abgegebene Draft-Picks: Firstrounddraftpicks 2016 (nach Philadelphia) und 2018 (nach Utah), Secondrounddraftpicks 2016 (nach Denver) und 2018 (nach Utah)
Die Finanzielle Situation der Thunder
Folglich haben die Thunder ohne Capholds und bei einem Ablehnen der Team-Option bei Anthony Morrow insgesamt wahrscheinlich gut 27 Millionen $ Capspace. Mit Capholds haben die Thunder keinen Capspace; eine Verpflichtung von Free Agents via Capspace und ein gleichzeitiges Halten der eigenen Free Agents via Bird-Rigths ist also nicht möglich. Die finanzielle Situation der Franchise ist in diesem Sommer also relativ klar. Interessanter wird es im nächsten Jahr. Im Sommer 2017 soll der Salary-Cap nochmals steigen, dann auf über 100 Millionen $. Doch in diesem Sommer laufen dann auch viele Verträge von wichtigen Spielern der Thunder aus, zum Beispiel die der Starting 5 außer Kevin Durant. Da Durant, sollte er denn bleiben, und Westbrook sicher einen Maximalvertrag bekommen werden und dieser auch bei Steven Adams und Victor Oladipo nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, könnte es finanziell für die Thunder im nächsten Sommer kritisch werden. Zumal sie schon 2015 und 2016 Luxussteuer bezahlt haben. Mit dem Trade Serge Ibakas ist Presti hier schon proaktiv tätig geworden. Weitere Transaktionen zum Geldsparen könnten Enes Kanter treffen, allerdings wird der Bigman in diesem Sommer bestimmt nicht um jeden Preis getraded werden.
Trades und Free Agency
Mit dem Trade von Serge Ibaka bewies Presti zwar schon, dass er bereit ist, personelle Weichenstellungen auch ohne eine endgültige Entscheidung seines Superstars zu treffen, doch die Entscheidung Kevin Durants wird dennoch einige Personalentscheidungen beeinflussen. In jedem Fall wird Presti versuchen, die drei Restricted Free Agents 2017, Steven Adams, Andre Roberson und Victor Oladipo, bis zur Deadline im Oktober kostengünstig zu verlängern. Durch den Ibaka-Trade haben sich jedoch im Kader einige Redundanzen und ein Loch ergeben. Wie damit und mit Dion Waites, der ebenfalls Free Agents ist, verfahren werden soll, wird sich wohl nach dem 9. Juli klären, wenn Durant seinen zukünftigen Arbeitgeber bekannt gegeben hat. Beleuchten wir also die beiden möglichen Szenarien einmal genauer.
Kevin Durant verlässt die Thunder
Die Doomsday-Vorstellung für eine ganze Stadt, eine komplette Fanbase. Kevin Durant, der Superstar, der Spieler, mit dem sich alle identifizieren, der seit letztem Jahr auch Mitglied der örtlichen Hall-of-Fame ist, würde plötzlich ein anderes Trikot tragen. Eigentlich völlig undenkbar. Und doch möglich. Durant will sich in den Tagen nach dem 1. Juli nicht nur mit den Thunder, sondern auch mit Vertretern aus Oakland, San Antonio, Los Angeles, Boston und Miami treffen. Für Sam Presti würden hektische Tage beginnen. Der beste Spieler weg, die komplette Franchise am Abgrund. Eine undankbare Aufgabe, vorsichtig formuliert. Nach dem ersten Schock müsste der GM sich für einen von zwei Wegen entscheiden: entweder mit den verbleibenden Spielern weitermachen, das Team durch Trades und die Free Agency sinnvoll ergänzen, Russell Westbrook zum unumschränkten Chef der Mannschaft machen und versuchen, wenigstens den zweiten Star zum Bleiben zu überreden. Falls Westbrook in diesem Fall eine vorzeitige Verlängerung seines bis 2017 laufenden Vertrages unterschreiben sollte, hätte Presti gute Chancen, weiterhin ein kompetitives Team zu stellen.
Die Wahrscheinlichkeit dafür wäre jedoch eher nicht so hoch. Solange er es nicht schafft, für Durant in einem S&T noch gute Spieler zurückzubekommen, für den Flügel jemanden wie Nic Batum oder auch einen Bigman wie Al Horford zu verpflichten. Zusammen mit den anderen jüngeren Spielern, von denen Presti sich ja zuletzt noch weitere ertraded hat, würde das vielleicht ausreichen, um Westbrook bis zum nächsten Sommer vom Verbleib zu überzeugen.
Vielleicht würde der Point-Guard jedoch auch klarmachen, dass er sich eine Zukunft in Oklahoma ohne Durant nicht vorstellen kann. So traurig es ist, aber an dieser Stelle würde dann das beginnen, was Presti schon im Jahr 2007 tat: der komplette Rebuild. Zwar würden diesmal einige junge Spieler wie Steven Adams, Andre Roberson, Victor Oladipo oder Cameron Payne wohl da bleiben und schon mal ein Grundgerüst bilden. Der Rest, inklusive Westbrook, wäre allerdings weg. Trotz des nur noch bis 2017 datierten Vertrags würde der Superstar noch massenweise Assets einbringen. Danny Ainge zum Beispiel würde wahrscheinlich seine Schatzkiste sehr weit aufmachen, um Westbrook bekommen zu können. Darin enthalten: Spieler wie Marcus Smart oder mehrere ungeschützte Draftpicks der Brooklyn Nets. Auch die LA Lakers könnten viel anbieten. Wie wäre es mit DeAngelo Russell, Brandon Ingram und Julius Randle? Doch ungeachtet dieser Spielereien: die nächsten Jahre würden hart werden, die Playoffs für eine lange Zeit außer Reichweite.
Kevin Durant unterschreibt einen neuen Vertrag in Oklahoma City
Nachdem die Thunder in den Playoffs bewiesen haben, dass sie mit den besten Teams sehr gut mithalten können, halten viele Beobachter einen Verbleib des Superstars inzwischen für sehr wahrscheinlich. Als positives Indiz wird auch gewertet, dass Durant in jedem Fall bei den Olympischen Spielen in Rio auflaufen will. Dies wäre bei einem Wechsel sehr schwer möglich. Immer wieder wird dabei die Möglichkeit eines Zweijahresvertrages mit einer Spieleroption nach dem ersten Jahr ins Spiel gebracht, sodass Durant im nächsten Sommer, wenn noch mehr Geld auf dem Tisch liegt, abermals Free Agent werden könnte.
Aber auch die „klassische“ Variante, also einfach ein neuer Fünfjahres-Maximalvertrag, ist natürlich immer noch möglich. So oder so, mit einer positiven Entscheidung Durants im Rücken kann sich Presti dann daran machen, den Kader so aufzustellen, dass er auch nächste Saison wieder um den Titel mitspielen kann. Dabei gibt es neben den obligatorischen, die Free Agency anderer Spieler betreffenden Entscheidungen durchaus Problemfelder, die behoben werden müssen. Beginnen wir jedoch mit den Free Agents. Der wichtigste nach Durant ist dabei sicherlich Dion Waiters.
Waiters kam im Januar 2015 im Tausch für Lance Thomas und einen Draftpick nach Oklahoma. Seitdem hat sich der talentierte Guard einen Ruf als inkonstanter Spieler erarbeitet. Auf zum Teil sehr gute Spiele folgten fast immer einige sehr schlechte. Vor allem seine ineffizienten Step-Back-Midrange-Jumper sind fast schon legendär. Deswegen und wegen seiner manchmal nicht ganz so engagierten Defense wurde Waiters oft kritisiert und fand sich auch in vielen Trade-Gerüchten wieder. Vielen Fans erschien ein Verbleib über den Sommer hinaus noch im Frühjahr als kaum wünschenswert. Doch dann kamen die Playoffs und Waiters schaffte es zum ersten Mal überhaupt in seiner Karriere, sein Talent auf beiden Seiten des Courts in Leistung umzusetzen. Er traf vor allem in den ersten beiden Serien seine Dreier (37,5% über die gesamten Playoffs), verteidigte gut und konnte mit seinem Ballhandling Durant und Westbrook signifikant entlasten. Da Waiters gut mit Durant befreundet ist und auch schon geäußert hat, bleiben zu wollen, scheint ein neuer Vertrag nicht unwahrscheinlich. Zwar gibt es Stimmen, die ihn nach dem Ibaka-Trade als komplett überflüssig ansehen, doch ein Flügel-Quartett Waiters/Oladipo/Durant/Roberson würde in Tiefe und Qualität eine signifikante Verbesserung zum letzten Jahr darstellen. Bleibt die Frage nach dem Preis. Das Geld sitzt locker in diesem Sommer und somit könnte es durchaus sein, dass ein GM Waiters mit einem großen Vertrag ausstattet.
Andererseits könnte Presti versuchen, sich schon zuvor mit Waiters über einen guten, aber doch moderaten Preis mit ihm einig zu werden. Angesichts des auf rund 90 Millionen $ explodierenden Salary-Caps würden acht bis zehn Millionen Dollar pro Jahr fast wie ein Schnäppchen wirken; Waiters könnte jedoch durchaus deutlich mehr verdienen. In Gerüchten werden bis zu 15 Millionen Dollar genannt. Falls Waiters sich nicht mit den Thunder auf eine moderate Summe einigen will, sondern das Angebot eines anderen Teams annimmt, kann Presti mit diesem Angebot gleichziehen und Waiters halten, da dieser Restricted Free Agent ist. Diese Entscheidung wird schwierig; die Schmerzgrenze wird dabei wahrscheinlich irgendwo im Bereich 12 Millionen Dollar/Jahr liegen. Im Zweifel sollte Presti Waiters lieber ziehen lassen, denn mit Oladipo hat er einen passenden Ersatz verpflichtet; auch die Einfädlung eines Sign-and-Trades zur Verbesserung des Teams auf anderen Positionen könnte interessant sein.
Von der Personalie Waiters hängen wiederum weitere Entscheidungen ab. So können die Thunder den Vertrag von Scharfschütze Anthony Morrow bis zum 15. Juli auflösen. In seiner ersten Saison hatte der Guard unter dem damaligen Coach Scott Brooks noch viel gespielt, unter Donovan verschwand er jedoch immer öfter in den Tiefen der Ersatzbank. Dennoch, einen Shooter als 11. oder 12. Mann für knapp dreieinhalb Millionen Dollar von der Bank bringen zu können, ist nicht die schlechteste Option. Sollte Waiters gehen, hätte Morrow seinen Platz wahrscheinlich sicher, es sei denn, Presti will unbedingt Alex Abrines nach Oklahoma City holen.
Der Guard, dessen Rechte die Thunder seit 2013 besitzen, spielt zurzeit noch für den FC Barcelona, ist dort aber mit einer Ausstiegsklausel ausgestattet, sodass es noch in diesem Sommer den Sprung über den Teich wagen könnte. Vorausgesetzt ist jedoch der Wille Abrines, das zu tun. Mit ihm würden die Thunder einen starken Shooter mit Ballhandling-Fähigkeiten bekommen.
Ein weiterer Guard der Thunder, dessen Vertrag endet, ist Randy Foye. Foye war erst zur Trading-Deadline nach Oklahoma gekommen. Der Veteran spielte in den Playoffs zwar regelmäßig, aber doch eher wenig und dabei solide, aber nicht überragend. Vor allem seine Wurffähigkeiten scheinen ihm in letzter Zeit abhandengekommen zu sein. Deswegen wird er trotz des bekundeten Willens zu bleiben wohl nur einen neuen Vertrag bekommen, wenn er zum Minimum unterschreibt und noch Platz für ihn im Kader ist.
Dies sind also die Entscheidungen, die Presti in jedem Fall treffen muss. Darüber hinaus gibt es im Kader allerdings noch weitere Baustellen, die der GM angehen sollte; durch den Trade mit den Orlando Magic ist der Kader an einigen Stellen ziemlich unrund. Hier beginnt dann auch erst der richtig komplizierte Teil der Kaderplanung.
In Sachen Free Agents ist die Lage relativ klar. Klammert man Sign&Trade-Deals einmal aus, kann OKC im Fall des Verbleibs von Kevin Durant spätestens nach einer Verlängerung von Waiters nur die eher beschränken Mittel der Tax-Payer-MLE nutzen und danach noch Spieler zum Minimum verpflichten. Größere Namen wie Nic Batum, Al Horford oder Joakim Noah kommen damit allein aus finanziellen Gründen kaum in Betracht. Bedarf besteht aus qualitativer Sicht bei einem Abgang Waiters weiterhin vor allem auf dem Flügel; bleibt Waiters, würden die bisherigen Spieler wohl ausreichen. Im Gegenteil: dann sollte Presti versuchen, Kyle Singler, Mitch McGary und Anthony Morrow zu traden, um die Defense des Frontcourts etwas zu verbessern. Hier besteht seit Ibakas Abgang eine Lücke, die auch Ersan Ilyasova nicht wird füllen können. Eventuell könnte auch der Türke selbst Teil eines Trades werden, der vielleicht einen Spieler wie Taj Gibson zurück bringt. Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob Singler und Co. wirklich einen Spieler mit Impact einbringen könnten. Eventuell ist es deswegen der bessere Weg, Singler und McGary zu dumpen und anschließend den freiwerdenden Rosterspot mithilfe der Tax-MLE zu füllen. Allerdings ist es auch hier fraglich, dass über diesen Weg ein geeigneter Spieler gefunden werden kann. In Sachen Bigmen/großer Wing kann der Kader allerdings auf der anderen Seite auch nicht so bleiben wie bisher. Presti muss hier eine befriedigende Lösung finden. Ebenfalls gut tun könnten dem Team ein dritter, erfahrener Point Guard. Wenn dazu kein Trade zustande kommen sollte, sind Kevin Durant, Russell Westbrook und die Chance auf einen Titel eigentlich relativ gute Argumente, um Veteranen zum Anheuern zu bewegen; dementsprechend könnte Presti bei verschiedenen Veteranen anfragen, um die Lücken im Kader zu schließen.
Fazit: Contender oder Rebuild?
Viel steht in Oklahoma City auf dem Spiel in diesem Sommer 2016. Verlässt Kevin Durant seine Franchise und die Stadt, die ihm seit Jahren zu Füßen liegt? Oder bleibt er und startet mit dem Team einen weiteren Run auf den ersehnten Titel? Die Thunder können wahrscheinlich die besten Bedingungen bieten, doch die Entscheidung Durants ist kaum vorhersagbar und liegt bei ihm allein. Sam Presti wird anschließend danach handeln müssen. Sein Ziel ist es weiterhin, die Thunder möglichst fit für die Zukunft zu machen, dabei aber ein Maximum an Flexibilität zu bewahren. Das hat er mit dem Ibaka-Trade wiedereinmal bewiesen. Der Kader ist zudem voll mit jungen, vielversprechenden Spielern; der gesamte Supporting-Cast der Playoffs ist maximal 26 Jahre alt, zum Teil deutlich jünger. Auch wenn im Sommer 2017 ebenfalls wichtige Entscheidungen anstehen: bleibt Durant, ist die Zukunft der Thunder rosig. Dafür hat Presti in den letzten Jahren gesorgt. Und mit einigen kleineren Verbesserungen gewinnen die Thunder in den nächsten Playoffs vielleicht fünf Spiele mehr.