Woran liegt der schlechte Start der Bucks?
Dass die Milwaukee Bucks in dieser Saison eine Wundertüte sein würden, war fast allen Beobachtern der NBA klar. Die Optimisten sahen sie gar an Platz zwei im Osten, die Pessimisten bei 25-30 Siegen. Nichts fasst die momentane Situation der Bucks besser zusammen als die bisher einzige Niederlage der Warriors gegen eben dieses Bucks-Team, gefolgt von einer Niederlage in Los Angeles bei den Lakers. Milwaukee hat bisher jedoch ziemliche Probleme in der Saison. Welche Probleme gibt es? Und viel wichtiger – gibt es Lösungen?
Wie in unserem Preview-Podcast bereits angesprochen, hatten wir die Bucks eher kritisch beäugt. Die Probleme in Milwaukee sind jedoch nicht nur an einem Punkt festzumachen – so wie dies häufig der Fall ist. Basketball ist ein komplexes Spiel, was zahlreiche verschiedene Eigenschaften der Spieler erfordert, sodass isoliert ein Spieler nie der alleinige Schwachpunkt sein kann, sondern eher die Zusammenstellung problematisch wirkt.
Bei Milwaukee passt augenscheinlich recht wenig zusammen, wenn das Team bisher zwei von drei Spielen verliert. Offensiv und auch defensiv gehört man zu den schlechteren NBA-Teams. Dabei sah das Team im letzten Jahr sehr solide aus und von vielen Experten wurde Milwaukee auch als Geheimtipp im Osten beschreiben. Das letzte Jahr war auch kein Zufall oder ein Ausreißer nach oben, sondern eine passende Kombination.
Identität des letzten Jahres
Das Team war vor der Trading Deadline um Brandon Knights Fähigkeiten als Ballhandler, vor allem aber als Scorer aufgebaut. Das Team stellte bis zum Abgang von Knight die zweitbeste Defensive, auch wenn es offensiv unterdurchschnittlich war. Dies lag vor allem, dass man die drittmeisten Turnover spielte und so das eigentlich gute Shooting (im TrueShooting war man Achter in der Liga!) verblasste. Das Team funktionierte aber, weil es relativ gut aufeinander abgestimmt war: mit Pachulia und Henson stellte man zwei gute Verteidiger auf der Fünf, darum gab es mit Knight, Middleton, Dudley und Mayo gleich vier überdurchschnittliche Dreierschützen, mit Bayless einen leicht unterdurchschnittlichen und mit Ilyasova jemanden, der noch den Wurf suchte. Der einzige Non-Shooter auf dem Feld war Antetokounmpo, wenn nicht John Henson für 18 Minuten auf dem Feld stand. Etwas mehr als die Hälfte von der Spielzeit Hensons verbrachten beide auf dem Feld. Ansonsten hatte man potenziell vier Schützen auf dem Feld, auch da Jabari Parker nach 25 Spielen verletzt ausfiel und stattdessen Ilyasova, Antetokounmpo oder Dudley auf der Vier aufliefen. Da Dudley und auch Giannis als Flügel behandelt wurden, maximierte Coach Kidd die Leistungsfähigkeit seines Teams, indem er Spieler miteinander kombinierte, die sich nicht gegenseitig behinderten. So wurde eine theoretisch defensivere Aufstellung mit Henson neben Pachulia oder Larry Sanders so gut wie überhaupt nicht gespielt und demzufolge überhaupt nicht mit Antetokounmpo kombiniert. Spacing ist und war eine essentielle Komponente in diesem Bucks-Team – und Coach Kidd konnte dies auch erfolgreich umsetzen, weil die Puzzlestücke zusammenpassten. Vor allem Pachulias softer Touch aus der Mitteldistanz (über ein Drittel der Würfe kamen aus dieser Distanz und Zaza traf diese überdurchschnittlich) eröffnete Räume.
Die Bucks hatten als Team auch eine gute Verteilung ihrer Würfe vorgenommen: Sie schlossen die viertmeisten Versuche in der Liga direkt am Korb ab, vermieden die ineffizienten Würfe in-the-paint, hätten aber noch mehr Dreier – gerade bei diesem potenten Team – statt der Midrangewürfe nehmen sollen, auch wenn Pachulia eine gute Option war.
Nach dem Trade für Carter-Williams zeigte sich das Team defensiv unverändert. Auch wenn Brandon Knight als Verteidiger hin und wieder noch unterschätzt wird, machte Carter Williams einen sehr guten Job neben Middleton und Antetokounmpo. Das Team war auch gar nicht so sehr verändert, aber es kam zu ersten, leichten Spacing-Problemen, die sich in dieser Saison noch potenzieren sollten. Statt mit Knight einen der besten Dreierschützen der Liga auf dem Feld zu haben, verursachte Carter-Williams durch seinen nicht vorhandenen Wurf Probleme, das teils sehr gute Spacing aufrechtzuerhalten. Mit Dudley, Ilyasova und Pachulia hatte man aber gerade auf den Positionen Vier und Fünf sehr gute Rotationsspieler, die die Schwächen von MCW ausgleichen konnten. Die Bucks waren in diesem Zeitraum trotzdem schon ein Minus-Team, weil die eh schon unterdurchschnittliche Offense auf Rang 26 abrutschte und Brandon Knight bereits schmerzlich vermisst wurde. Der Record aus den letzten 29 Spielen liest sie exakt so wie der Record der ersten 29 Spiele in dieser Saison: Man gewann nur 11 Spiele. Dabei war MCW auf dem Feld eigentlich ein Plus. Das NetRating mit ihm auf dem Feld war so hoch wie sonst nur noch bei Pachulia; zudem sollte Brandon Knights leicht negatives NetRating auch nicht verschwiegen werden.
Doch trotz der Anzeichen, dass die jetzt laufende Saison problematisch werden könnte, sollte man konstatieren, dass das Team momentan noch schlechter ist als das 11-18-Team aus der Vorsaison. Dies liegt vordergründig an drei Ursachen: Zum einen sind diese ersten 29 Spiele dadurch geschönt, dass man bereits fünf Mal gegen die Sixers, Nets und Knicks gespielt hat und heute Nacht wieder Philadelphia bekommt. Milwaukee steht gegen Teams mit einer positiven Bilanz bei 3-12. Zuversichtlich stimmten sicherlich die Siege gegen Cleveland und vor allem Golden State, aber es steht zu befürchten, dass dies zu den wenigen Highlights der Bucks-Saison zu zählen ist.
Daraus kann man zudem – zweitens – folgern, dass das Team keinen besonders schwierigen Schedule spielen musste, auch wenn das SRS momentan noch etwas anderes sagen würde. Zu diesem Zeitpunkt der Saison ist diese Statistik aber auch nur bedingt aussagekräftig. Wer bereits 14 Spiele gegen Teams mit einem Losing-Record absolviert hat, hatte es nicht besonders schwer.
Zuletzt sollte noch darauf hingewiesen werden, dass die Bucks das fünftschlechteste NetRating der gesamten Liga vorzuweisen haben; rechnet man noch die Stärke des bisherigen Schedules ein, landen sie auf dem Niveau der Brooklyn Nets bisher, sind als dritt- bzw. viertschlechtestes Team der Liga. Doch wieso sind die Bucks momentan so schwach?
Fehlende Identität offensiv
Nicht ganz so verwunderlich ist die offensive Identität, die bisher bei den Bucks fehlt. Man war auch in der letzten Saison kein besonders gutes Offensivteam – auch eben mit Knight nicht -, was sich nun fortsetzt. Mit Greg Monroe hat man aber zumindest den offensiven Fixpunkt verpflichten können. Der Center kann – vor allem für sich selbst – effizient kreieren und trägt dieses Team auch offensiv. Leider ist das defensive Potential nicht in demselben Maße vorhanden wie das offensive. Monroe agiert – im Gegensatz zur letzten Saison in Detroit – nur noch als Center, kann aber leider keine Defensive ankern. So ergibt sich auch mit Monroe auf dem Feld ein negatives Endergebnis.
Die Akquisition Monroes hat sich offensiv auch entscheidend auf die Gestaltung des Angriffes ausgewirkt: Die Bucks posten am fünftmeisten in dieser Saison auf. Problematisch ist nur, dass das Team eigentlich gar keinen effizienten Post-Up-Spieler besitzt. Monroe selbst kreiert nur 0,82 Punkte pro Versuch – 16 Teams in der Liga sind im Schnitt besser als er -, was ihn aber nicht davon abhält, jede dritte Possession, die er beendet, ins Post-Up zu gehen. Die Top 3 wird mit Antetokounmpo (0,78) und Middleton (0,69) vollendet, die noch schlechter abschließen als Monroe.
Dass Post-Ups keine große Rolle mehr in der NBA spielen, liegt in der eher statischen Natur dieses Angriffs-Typs. Verbindet sich dies jedoch mit einer weiteren Schwachstelle der Bucks – dem Spacing -, wird es richtig problematisch für das Team. Hier bekommt Monroe nach einem Entry-Pass von Greivis Vasquez den Ball zum Post-Up.
Vasquez orientiert sich auf die Weakside, um Platz für Monroe zu schaffen. Zu diesem Zeitpunkt stehen mit Bayless, Vasquez, Middleton und Copeland wahrscheinlich einige der besten Schützen in dieser Saison auf dem Feld. Trotzdem orientieren sich alle Verteidiger in die Mitte und lassen die Schützen offen:
Dass Lopez zudem noch genug Masse hat, um sich gegen Monroe zu behaupten, erschwert die Lage weiter. Die Bucks machen hier im Prinzip alles richtig, indem sie sich auf der Weakside am Perimeter platzieren.
Als Copeland dann sieht, dass Monroe abschließen will und zum Offensivrebound geht, kollabieren alle Knicks in die Mitte und verteidigen überhaupt nicht mehr ihre Gegenspieler.
Wie das Set-play der Bucks aber ohne die vorher genannten Schützen, sondern mit Carter-Williams und Jabari Parker aussieht, kann man hier eindrucksvoll erkennen:
Brandon Knight „verteidigt“ einen Pass vom Ballhandler (hier OJ Mayo) entfernt, aber sinkt bei Carter-Williams so weit ab, dass er zugleich deny gegen den Entry-Pass von Greg Monroe spielen kann. Carter-Williams wird von kaum einem Gegenspieler respektiert und schadet damit dem Spiel seiner Franchise.
Symptomatisch für das Setplay der Bucks ist es, dass Carter-Williams nicht mal wirklich verteidigt wird, wenn er den Ball in den Händen hält. In derselben Szene hat Mayo den völlig freien Carter-Williams gefunden und Brandon Knight lässt erst 1-2 Sekunden verstreichen, um sich überhaupt näher an Carter-Williams zu positionieren. Die Suns switchen das angedeutete Pick’n’Roll zwischen Carter-Williams und Monroe, sodass dieser eigentlich nur noch Brandon Knight gegen sich haben müsste:
Tatsächlich kann John Leuer aber problemlos von Jabari Parker in der Ecke wegrotieren, weil Parker in seiner ganzen NBA-Karriere erst vier Dreier getroffen hat und in dieser Saison auf sein erstes Erfolgserlebnis noch wartet! Knight und Leuer können Monroe zu einem Turnover zwingen und die Possession beenden.
Carter-Williams als Ballhandler ist katastrophal, gerade wenn es um die Abschlüsse im Pick’n’Roll geht. Die Bucks haben überhaupt keinen vernünftigen Ballhandler im Kader, der eine Offense im Halfcourt leiten kann. Dennoch schließen Carter-Williams (0,64 PPP), Vasquez (0,61) und Ennis (0,65) jeden dritten Wurf nach einem Pick and Roll ab und sind dabei alle miserabel. Knight war als Ballhandler mit 0,82 Punkten pro Possession in der Nähe von Westbrook, Paul und Lillard.
In der heutigen NBA ist der Startpunkt einer Offensive fast immer ein Pick’n’Roll, um entweder für den Ballhandler, den Roll Man oder eben einen Spot-Up-Schützen einen Wurf zu kreieren. Die Bucks nutzen keine 40% ihrer Possessions für diese drei Abschluss-Typen. Sie gehören sowohl bei den Ballhandler- als auch bei den Roll Man-Abschlüssen zu den fünf schlechtesten Teams in der Liga und nutzen dies auch kaum. Eigentlich ist dies sogar zu entschulden, weil ein Team nicht nur Stärken haben kann und Schwächen eher kaschieren muss. Die Bucks haben ihre „Stärke“ in der Offensive allerdings in den Spot-Up-Würfen, die sie überdurchschnittlich treffen. Allerdings kommen sie zu wenig („nur“ zu 20%, Rang 20 in der Liga) zu diesen Würfen, weil sie eben grundsätzlich nicht das Spielermaterial haben, um Situationen zu kreieren, die zu einem freien Wurf führen.
Das Problem des Spacings, bedingt durch die Zusammenstellung des Kaders, ist in kaum einem Team so offenkundig wie bei den Bucks und wird sich in den nächsten Wochen noch potenzieren. Dies liegt vor allem an den Verletzungen von Vasquez (wird noch drei Monate ausfallen) und Bayless (wird in der nächsten Zeit zurückerwartet), die den Bucks wichtige Optionen nehmen. Bayless ist der einzig verlässliche Schütze neben Middleton im Team. Vasquez spielt bisher auch eine grauenhafte Saison, aber hat zumindest in seiner Spielzeit in Toronto angedeutet, dass er ein ordentlicher Schütze und ein zweiter Ballhandler auf dem Feld sein kann.
Trotz des Ausfalls von Vasquez hat dieser immer noch die viertmeisten Dreier im Team getroffen – Vasquez fehlt dem Team seit 13 Spielen und hat demzufolge nur 16 Spiele absolviert. Das Geheimnis der Bucks dürfte auch nicht die Letzten schon entschlüsselt haben: Milwaukee nimmt so viele Dreier wie Memphis (Rang 27), aber trifft diese zumindest im Ligaschnitt von 35%. Weniger haben nur Minnesota und Brooklyn versucht. Die Gesellschaft ist also nicht gerade exquisit, in der man sich befindet.
Der Kader bietet auch leider kaum internes Entwicklungspotenzial, um dem Problem Herr zu werden. Parker verweigert den Dreier komplett, Henson und Monroe als klassische Bigs nehmen ebenfalls keine Würfe von außerhalb des Perimeters. Dazu gesellen sich noch Antetokounmpo und Carter-Williams, die jedes zweite bzw. dritte Spiel mal einen Dreier versenken. Der drittbeste Volumenschütze ist OJ Mayo, der zwar 1,4 Dreier trifft, dafür aber über 5 Versuche benötigt. Effizient geht anders. Dementsprechend spielen die Bucks seit dem Ausfall von Bayless vor zehn Spielen mit nur einem verlässlichen Schützen: Khris Middleton. In der heutigen NBA ist dies kaum mehr zu kompensieren.
Deswegen muss man Situationen suchen, in denen man möglichst dem set-play entfliehen kann, da dort ein kompetenter Ballhandler, gute Schützen oder Isolationsspieler gebraucht werden. Diese sind jedoch Mangelware – außer Giannis, der bei nicht so hohem Volumen in die Top 10 der Liga gehört. Allerdings ist er auch deshalb so effizient, weil er eben nur zwei Mal pro Spiel in die Isolation geht.
Abhilfe müsste dann doch eigentlich das Fastbreak schaffen, wo dieses athletische Team rennen müsste, um die Defizite zu kompensieren – nur tun sie dies nicht oft genug. Bei genauerer Betrachtung ist dies auch nicht weiter verwunderlich, weil dies mit der momentan fehlenden defensiven Identität zusammenhängt.
Fehlende Identität defensiv
Die Bucks laufen den Fastbreak ganz okay, sind 13. ligaweit, aber sie kommen erst gar nicht in geeignete Situationen, sodass sie zum letzten Drittel der NBA gehören, was die Frequenz angeht. Dies liegt auch darin begründet, dass sie insgesamt die viertlangsamste pace laufen, um Greg Monroe als focalpoint der Offense zu nutzen. Wenn der geneigte Fan sagt, dass gute Offense bei guter Defense beginnt (und natürlich umgekehrt auch), lässt sich auch recht leicht ablesen, wieso die Bucks nicht in Transition kommen. Dies beginnt zunächst mit dem Verteidigen, genauer: mit dem Sichern des Rebounds, um in Transition zu kommen. Die Bucks sind hier abgeschlagener Letzter, was das Sichern des defensiven Bretts angeht. Wie Fabian Thewes schon dargestellt hat, ist gerade der defensive Rebound ein Team-Rebound, wo mehrere Spieler zusammenarbeiten (Positionierung, Ausboxen, Rebound-Lanes sehen und Ball sichern), um in Ballbesitz zu kommen.
Hier kommt Portland ins set-play, nachdem Milwaukee offensiv erfolgreich war. Schon bei der Positionierung fällt auf, dass Parker völlig falsch bei Noah Vonleh unter dem Korb steht, weil Greg Monroe oben ein sich nahendes Pick’n’Roll verteidigt.
Lillard erwischt aber Mayo einfach auf dem falschen Fuß und dribbelt zwischen Monroe und Mayo hindurch. Währenddessen platziert sich Vonleh (selbst fast Rookie wie Parker) so geschickt, dass er für Lillard die Driving Lane öffnet und sich gleichzeitig in Position bringt, falls sein Ballhandler nicht abschließen kann.
Als Lillard verlegt, hat Vonleh nicht eine, sondern gleich zwei Reboundchancen, weil die Bucks-Defensive trotz set-play nie stand und Parker defensiv nicht weiß, was er zu tun hat. Es dürfte nicht unerklärlich bleiben, wieso Vonleh an diesem Abend sechs Offensivrebounds gegen die Bucks holen konnte.
Generell sehen sich die Bucks zu 50% drei Aktionen der gegnerischen Teams gegenüber: Wenn der Pick’n’Roll-Ballhandler abschließt (dies lösen sie hervorragend und halten diese bei 0,68 PPP); in Transition scheitern sie grandios und stellen die drittschlechteste Verteidigung aller Teams; der Großteil besteht aber aus Spot-Up-Würfen, die die Bucks mit 1,00 PPP gegen sich kassieren. Jeder vierte Wurf ist ein catch-and-shoot-Jumpshot gegen die Bucks. Rechnet man dann noch hinzu, dass die Bucks die zweitmeisten Freiwürfe verursachen, weil ihre Kommunikation schlecht oder nicht vorhanden ist, ergibt sich ein eher mittelgroßes Problem für die Bucks, die in der letzten Saison noch so fantastisch verteidigt haben.
Dies liegt an den Kaderveränderungen. Das Verschenken von Pachulia mag irgendwie zu rechtfertigen sein, weil man Platz und Minuten für Monroe, Henson, Giannis und Parker haben wollte – ebenso das Verschiffen von Ilyasova (passte evtl. nicht ins defensive Konzept) und Dudley. Allerdings hat man damit den letzten Rest der Spacing-Bucks aus dem letzten Jahr veräußert – ohne nennenswerten Gegenwert. Auffällig ist hierbei nämlich, dass zumindest zwei der drei Spieler Eigenschaften haben, die den jetzigen Bucks fehlen und so für eine kontinuierliche Unausgeglichenheit der Aufstellungen sorgen.
Fehlende Balance in den Lineups
Sowohl Dudley als auch Pachulia waren zwar nur Rotationsspieler und keine Stars, aber sie konnten sehr effektiv auf beiden Seiten des Feldes eingesetzt werden. Dudley diente als off-ball-Floor-Spacer, während Pachulia zu Screens nach oben kam und dort Pick’n’Pop spielte konnte. Defensiv konnte Dudley gerade auch als Stretch Four Bigs verteidigen oder war flink genug, um den anderen hochgeschobenen Wing zu verteidigen. Pachulia ist ein absolut unterschätzter Verteidiger, weil er defensiv nicht der klassische Ringbeschützer ist, aber durch geschickte Bewegungen den Drive der Guards im Pick’n’Roll stoppen konnte. Ilyasova ist defensiv eher kein großes Plus gewesen, aber gab auf der Vier wichtiges Spacing für das Team.
In der jetzigen Saison gibt es uneingeschränkt nur einen Spieler, der kein Risiko auf beiden Seiten des Feldes ist: Khris Middleton. Bayless als einziger weiterer richtiger Schütze ist defensiv furchtbar, Carter-Williams und Parker erzeugen null Gravity und können off-ball ihre Gegenspieler nicht binden, um Platz zu schaffen. Monroe ist kein Anker und es ist äußerst schwierig in der heutigen NBA um ihn ein Team aufzubauen, das seine defensiven Schwächen kompensieren kann. Henson ist bisher eine einzige Enttäuschung. OJ Mayos Gechucke tut in den Augen weh. Einzig bei Giannis Antetokounmpo sieht man, dass er Wege findet, um halbwegs effizient zu scoren, auch wenn hier weiterhin ein verlässlicher Jumpshot fehlt – in diesem Team mehr als sonst wo.
Coach Kidd – der zudem noch auf unbestimmte Zeit ausfällt – bzw. Interimscoach Joe Pruntry müssen in jeder einzelnen Lineup Kompromisse eingehen, weil das Team viel zu wenige Two-Way-Player hat, die man offensiv gebrauchen und defensiv nicht verstecken muss.
Der Starting-Lineup der Zukunft mit Carter-Williams – Middleton – Antetokounmpo – Parker – Monroe hat momentan vier Non-Shooter inne, auch wenn man bei Giannis die Hoffnung hat, dass er innerhalb der nächsten zwei Jahre den Sprung noch machen könnte. Parker sieht zum jetzigen Zeitpunkt wie ein absoluter Non-Shooter aus, der den Dreier wegpasst und verweigert. Monroes Ceiling wird ein Mitteldistanzwurf sein, den er aber auch noch nie halbwegs ordentlich getroffen hat. Carter-Williams ist bereits 24 und verweigert weiterhin den Distanzwurf. Zu allem Überfluss werden sowohl Parker als auch Monroe nie gute Verteidiger sein.
Deshalb müssen für das Spacing mit Mayo, Bayless oder in den Anfangszeiten Vasquez bzw. Copeland alles Spieler genutzt werden, die defensiv problematisch sind. Eine wirkliche Balance ist nur schwer zu finden. Dies sieht man auch daran, dass Kidd bisher unglaublich viele Kombinationen versucht hat und kaum eine funktioniert. Dies sieht man zum einen daran, dass es in den 29 Spielen bisher (auch verletzungsbedingt, keine Frage) 13 verschiedene Lineups gab. Die oben genannte Zukunftslineup ist diejenige, die die meisten Minuten bisher gespielt hat – sie kommt auf 110. Das ist ligaweit die Lineup mit den 41.-meisten Minuten. Bedauerlich ist zudem, dass die Lineup überhaupt nicht funktioniert und negative Ergebnisse einfährt. Insgesamt kommen nur vier Lineups über 50 NBA-Minuten – ein Spiel hat bekanntlich 48, sodass als einzige schlüssige Aussage taugt, dass gerade die fehlende Konstanz und die Automatismen dem Team, das eh schon so unerfahren ist, zusätzlich schaden.
Eigentlich müsste man John Henson als recht mobilen Defensivanker vorschlagen, doch dieser hat in dieser Saison bisher noch so gar keinen positiven Impact gehabt und kommt mit keinem einzigen Spieler des gesamten Kaders auf ein positives NetRating. Coach Kidd gehen so langsam die Optionen aus.
Kurzfristiger Entwicklungsspielraum
Hoffnung macht einzig, dass Giannis Antetokounmpos Entwicklung stetig voranschreitet und der Grieche auch abseits der Highlight-Dunks ein guter NBA-Profi wird. Er ist mit Monroe der Top-Scorer des Teams und scort bei größerem Volumen effizienter in einem dysfunktionalem Team. Dennoch gibt es noch genügend Lücken, an denen er arbeiten kann: er zieht – im Vergleich zum Vorjahr – weniger Fouls und begeht – normiert – auch leicht mehr Turnover als in den Vorjahren, weil seine Rolle verständlicherweise wächst. Er nimmt zumindest den Drei-Punkte-Wurf an, auch wenn er noch immer weit entfernt davon ist, ein respektierter Schütze zu werden.
Allerdings hat Antetokounmpo auch schon eine klare Stärke ausgebildet und das ist der Abschluss direkt am Korb. Dies klingt zunächst trivial, weil ein großer Spieler in Korbnähe recht oft erfolgreich sein sollte, aber Giannis schafft es, knapp 60% seiner Würfe direkt am Korb abzugeben – was schon für sich spricht. Er findet Wege zum Korb, um dort zu scoren. Dies bedeutet ebenfalls, dass er bewusst auf Würfe aus der Mitteldistanz – und leider auch von noch weiter draußen – verzichtet, um die Chance auf Erfolg zu erhöhen, denn Antetokounmpo trifft überdurchschnittlich direkt am Korb.
Dazu kommt, dass der Grieche im besten Fall zu einem Small-Ball-Center werden könnte. Er blockt schon jetzt die zweitmeisten Würfe im Team und ist aufgrund seiner enormen Länge dafür prädestiniert, auch defensiv Impact zu haben. Laut der Rim Protection von nyloncalculus.com ist Antetokounmpo nach Henson der zweitbeste Buck, was das Beschützen des Korbes angeht und hat hier schon positiven Einfluss, auch wenn er zu wenig der Würfe direkt am Ring beeinflusst.
Jabari Parker ist trotz seiner Wurfimpotenz schon ein ordentlicher Scorer als Quasi-Rookie in der Liga. Der Distanzwurf macht viele Sorgen, vor allem aber werfen die defensiven Probleme Fragen auf, inwiefern er auf Dauer dem Team helfen soll.
Was Kidd sich bei Carter-Williams‘ Verpflichtung gedacht hat, wird wohl sein Geheimnis bleiben; auch von Greg Monroe darf man sich nicht mehr allzu viel Entwicklung erhoffen.
Für diese Saison sollte man vor allem Wege finden, um Lineups zu finden, um sowohl Antetokounmpo als auch Parker, Monroe und Carter-Williams Freiräume zu schaffen. Deswegen wird es auch in den nächsten Spielen darum gehen, irgendwelche Kombinationen aus Verteidigung und Wurf zu finden, die klappen können. Rookie Rashad Vaughn hat bei kleiner sample size zumindest einige Dreier getroffen und sollte definitiv ausprobiert werden. Genauso sollte John Henson nicht aufgegeben, sondern weiterhin ausprobiert werden, auch um spielbare Lineups zusammen mit Giannis zu finden, um zwei Plus-Verteidiger auf den großen Positionen aufbieten zu können.
Fazit
Da man bereits zu diesem Zeitpunkt der Saison sehen kann, dass es problematisch wird – auch durch den erstarkten Osten – die Playoffs zu erreichen, sollten die Bucks ihre Spieler entwickeln, denn dies war nach dieser Offseason auch so zu erwarten. Man hat erfahrene, gute Rotationsspieler in Pachulia, Dudley und Ilyasova abgegeben und bereits zur Trading Deadline mit Knight den besten Spieler des Teams gegen Carter-Williams getauscht. Dieses Team sollte wachsen und wird es auch.
Beunruhigend ist allerdings die Zusammenstellung des Kaders. In Zeiten des Small-Balls und des Spacings ist es unkonventionell auf fast ausschließlich Spieler zu setzen, die den Wurf verweigern. Der Genickbruch ist aber die fehlende Identität, die dieser Kader vorweist. Man will eigentlich schnell spielen, weil man mit Parker, Giannis und Carter-Williams in den Fastbreak will und diese dort auch überdurchschnittlich gut sind, aber verpflichtet mit Monroe dann einen klassischen Big-Behemoth, der dazu nicht passt.
Zum größten Problem könnte sich aber die Defensive entwickeln, obwohl man im letzten Jahr mit den gestandenen Veteranen schon so einen guten Core zusammenhatte, der sehr, sehr gute funktionierte. Auch hier liegt die Hoffnung bei Antetokounmpo und nicht zuletzt bei John Henson. Ein sure-shot ist dieses Team aber beileibe noch nicht, auch nicht mittelfristig.
Dem momentanen Team fehlt es aber weiterhin noch an vielen Ecken und Enden, angefangen bei einem starken Ballhandler über einen etablierten Anker der Defensive bis hin zu einer glasklaren ersten Offensivoption, die keine Belastung für die Defensive ist. Die Antwort auf all diese Fragen kann nicht nur Giannis Antetokounmpo heißen.
Statistiken via basketball-reference.com, nba.com/stats, nyloncalculus & nbawowy – Stand 22.12.2015