Golden State Warriors, Milwaukee Bucks, NBA

Wie realistisch ist Giannis’ Wechsel zu den Warriors?

Nichts emotionalisiert und polarisiert NBA-Fans der Gegenwart so sehr, wie die Formierung eines Superteams und das damit verbundene Gefühl, dass die Meisterschaft schon vor dem ersten Tipp-Off entschieden scheint. Dennoch sind es offenbar genau diese Teams, die das Interesse an der Association weiter steigern. Ist man solchen Teams gegenüber negativ eingestellt, will man sie unbedingt scheitern sehen. Befindet man sich auf der anderen Seite des Spektrums, möchte man eventuelle All-Time-Greatness miterleben. Das war 2010 bei den Miami Heat so, setzte sich 2012 bei den Los Angeles Lakers, 2014 bei den Cleveland Cavaliers und 2016 sowie 2018 bei den Golden State Warriors fort. Dass die letzte Dekade diese Aufregung im Sommer im Zweijahres-Rhythmus lieferte ist allerdings ein neues Phänomen. Mittlerweile entscheiden nicht mehr die Teams alleine über ihren Kader. Viel mehr machen die Spieler im Zuge des “Player Empowerment” ihre Macht geltend und wollen ihre Geschichte aktiv mitbestimmen.

Die momentane NBA-freie Zeit eignet sich daher hervorragend, um über zukünftige Superteams zu spekulieren. Ein Gerücht, welches man derzeit immer wieder liest und hört, dreht sich um die  anstehenden Bemühungen Golden States um MVP Giannis Antetokounmpo.  Auch für den Superstar der Milwaukee Bucks sollen die Warriors 2021 wohl eine ernsthafte Option darstellen. Dieses Gerücht passt zumindest oberflächlich betrachtet tatsächlich hervorragend in die Geschichte der Liga.

Aus dem kleinen Milwaukee in das große San Francisco

Auf der einen Seite trauen die Wenigsten dem Team aus dem beschaulichen Wisconsin wirklich zu, in naher Zukunft gegen die LA Lakers oder Clippers eine Championship zu gewinnen. Auf der anderen Seite steht mit den Golden State Warriors die erfolgreichste Franchise der letzten Dekade, in einem der größten Märkte der Liga, die noch immer drei Puzzleteile ihrer Meistermannschaften unter Vertrag hat. Seit dem Signing Kevin Durants 2016 scheinen der Fantasie hier keine Grenzen mehr gesetzt zu sein. Im Laufe der Saison 2017-18 musste sich sogar LeBron James zu Gerüchten äußern, denen zufolge er sich in der folgenden Offseason den Warriors anschließen würde. Die Denkweise ist simpel: Hast du das Unmögliche schon einmal möglich gemacht, dann kannst du es wieder schaffen.

So einfach die Theorie auch ist, ein Superteam erfordert viel Planung und am Ende auch eine ganze Menge Glück. Kevin Durant hätte niemals das Trikot der Golden State Warriors getragen, wenn Stephen Curry nicht bis zu seiner ersten Vertragsverlängerung mit Knöchelverletzungen zu kämpfen und entsprechend günstig unterschrieben gehabt hätte. Auch falls der Salary Cap nicht zufällig genau in diesem Sommer 2016 durch einen neuen TV-Vertrag in die Höhe geschossen wäre, hätten die Warriors schlicht nicht die finanziellen Mittel gehabt. So brauchte man nur den auslaufenden Vertrag von Harrison Barnes nicht zu verlängern und Andrew Boguts Gehalt loswerden – schon war ausreichend Gehaltsspielraum vorhanden, um Kevin Durant seinen Vertrag vorzulegen. In der Folge war die Franchise dann auch bereit, tief in die Luxussteuer zu gehen – was Milwaukee bislang tunlichst vermeidet. Big Spender versus latente Knausrigkeit. Doch wie genau sieht die Situation rund um Giannis Antetokounmpo aus? Hier gibt es mehrere Parameter, die beachtet werden müssen.

Trade noch vor der Offseason 2021?

Giannis Antetokounmpos Vertrag bei den Bucks läuft noch bis zur Offseason 2021, womit für den Wechsel zwei Optionen bleiben: ein Trade zwischen kommender Offseason und Deadline oder ein Sign-and-Trade im Sommer 2021. Ein bloßes Hinzuaddieren via Signing ist nahezu ausgeschlossen. Der vorläufig errechnete Salary Cap für die Saison 2021/22 liegt bei 125 Millionen Dollar. Zu diesem Zeitpunkt stehen allerdings Stephen Curry, Klay Thompson, Draymond Green und Andrew Wiggins für bereits knapp 140 Millionen Dollar unter Vertrag. 

Es kommt also auch maßgeblich auf Milwaukee an. Ein Trade in diesem Sommer erscheint dabei für Cream City als äußerst unwahrscheinlich. In den letzten Jahren hat sich immer wieder gezeigt, dass Teams aus kleinen Märkten versuchen, ihr Championship-Fenster vollständig auszunutzen, auch wenn die reelle Gefahr besteht, den Superstar zu verlieren. Das war zuletzt bei den Toronto Raptors mit Kawhi Leonard so, bei den OKC Thunder mit Paul George und natürlich bei LeBron James in Cleveland. Der Trade eines Franchisespielers erfolgt nur dann, wenn dieser, wie bei Anthony Davis geschehen, öffentlich eingefordert wird und so aktiv Druck auf die Organisation ausgeübt wird. Der Aufbau einer solchen Kulisse seitens Antetokounmpos erscheint jedoch als unwahrscheinlich, wenn man den gegenwärtigen Erfolg der Bucks betrachtet, bei dem ein tiefer Playoff-Run sehr wahrscheinlich ist. Selbst falls Giannis einen Trade fordern würde, gäbe es andere Teams mit deutlich lukrativeren Assets.

Dicke Deals und finanzielle Unsicherheiten

Ein Wechsel würde daher vermutlich erst im Sommer 2021 stattfinden können und unter den bereits genannten Bedingungen wäre ein Sign-and-Trade notwendig. Als Empfänger eines Spielers via Sign-and-Trade würde für die Warriors, wie in der aktuellen Saison durch D’Angelo Russell, erneut der Hard Cap getriggert werden. Dieser liegt sechs Millionen Dollar über der Luxussteuergrenze. Nach Angaben der NBA Ende des Jahres 2019, dürfte Golden State in der Saison 2021-22 folglich maximal 157 Millionen Dollar an Gehältern ausgeben.

Geht man davon aus, dass Antetokounmpo einen Maximalvertrag unterzeichnet und Stephen Curry keiner der Spieler ist, die getradet werden, gäbe man für diese zwei Spieler bereits 83,2 Millionen Dollar aus. Um überhaupt eine realistische Chance auf einen Championship-Kader zu haben, könnte man daher lediglich einen Spieler aus dem Trio Klay Thompson (37,9 Mio. Dollar), Andrew Wiggins (31,5 Mio. Dollar) und Draymond Green (24 Mio. Dollar) halten.

Hier wäre spielerisch wohl Klay Thompson die erste Wahl. Wenn man sein Gehalt jedoch zu denen von Curry und Antetokounmpo addiert, würden anschließend nur noch 35,9 Millionen Dollar verbleiben, um die restlichen zwölf Kaderplätze zu füllen. Einen Championship-Kader würde man unter diesen Umständen nur noch schwer zusammenstellen können. Da auch Andrew Wiggins nur knapp sechs Millionen Dollar weniger als Thompson verdient, wäre es fast unumgänglich, sowohl Andrew Wiggins als auch Klay Thompson abzugeben – auch da bei Wiggins allein wohl kein Team anbeißen würde. Falls Draymond Green das Trio um Steph und Giannis komplettieren würde, hätte man für die restlichen zwölf Kaderplätze immerhin knapp 49 Millionen Dollar zur Verfügung.

Zudem müsste man wohl mindestens den eigenen Pick bzw. Rookie aus der kommenden Draft abgeben, da das Gehalt dieses Spielers sich wahrscheinlich um die zehn Millionen Dollar bewegen wird und damit auch eine zu große Belastung im Rahmen des Hard Caps wäre. Den Erstrundenpick der Minnesota Timberwolves 2021, der im Trade mit Wiggins kam, könnte man  hingegen wohl schon eher gebrauchen, wenn er denn bei den Warriors verbleibt und nicht ebenfalls sehr hoch ist.

Der Preis um Raum für den Greek Freak zu machen wäre daher wohl mindestens Klay Thompson, Andrew Wiggins, der eigene Erstrundenpick 2020 sowie eine weitere Saison unter dem Hard Cap. Und hier sei ausdrücklich auf das Wort mindestens hingewiesen, die Auswirkungen der aktuellen Corona-Pandemie auf die zukünftige Gehaltsobergrenze noch vollkommen offen ist. Durch ausbleibende Einnahmen könnte der Cap signifikant unter die angesetzten 125 Millionen fallen und jede weitere fehlende Million macht den Warriors dann 2021 zu schaffen.

Die unterschiedliche Altersstruktur der Superstars

Mit der Saison unter den Einschränkungen des Hard Caps würde man dann eine weitere Saison der Karriere von Stephen Curry abgeben. Dieser ist mittlerweile 32 Jahre alt, zum Zeitpunkt der ersten Saison mit Giannis, die nicht unter den Hard Cap fällt, wäre er bereits 34. Draymond Green ist zwar immerhin zwei Jahre jünger, allerdings damit wohl auch schon eher in der Endphase seiner Karriere. Ein zu dieser Zeit 27-Jähriger Giannis Antetokounmpo würde hingegen in seiner absoluten Prime stehen, in der er sicherlich Titel gewinnen will. Mittlerweile hat sich die Liga dahingehend entwickelt, dass man mindestens einen weiteren Star in seiner besten Zeit (oder LeBron James) benötigt, um die NBA Meisterschaft zu gewinnen.

Und selbst falls Antetokounmpo zu dem Schluss kommt, dass Curry gut altert, man sein Shooting immer nutzen kann und er in den wichtigen Momenten dann mehr Verantwortung übernehmen kann und wird, stellt sich die Frage, was nach Stephen Curry kommt. Die Warriors könnten mit Giannis dann zwar noch immer einen der besten Spieler der Liga vorweisen, würden jedoch um diesen herum neu aufbauen müssen – oder Antetokounmpo würde seiner Vita ein weiteres NBA Team hinzufügen müssen.

No Shooting, no Fit?

Falls also die oben beschriebenen Hürden zu bewältigen sind, muss man vor dem Hintergrund der Entwicklung des NBA-Basketballs die Frage aufwerfen, wie gut der restliche Kern des Kaders, den man dann in San Francisco versammelt hat, noch in die heutige Zeit passt. Zu den drei verbliebenen Stars würde sich vermutlich Eric Paschall gesellen, der noch in seinem Rookie-Vertrag ist und bereits in der vergangenen Saison gezeigt hat, ein wertvoller Spieler in der Liga sein zu können. Er würde sich vermutlich gemeinsam mit Green die beiden großen Positionen teilen. Dies hätte jedoch auch zur Folge, dass drei Spieler in der Starting Five eine Dreierquote von weit unter 33 Prozent hätten.

Bereits in der letzten Saison mit Kevin Durant wurde in Oakland viel über das fehlende Spacing und die dünne Bank gesprochen. Die Addition von Antetokounmpo unter den oben genannten Konditionen würden diese Probleme erheblich vergrößern. Denn mit Durant stand zumindest ein weiterer Spieler auf dem Feld, der seinen Dreier gut getroffen hat und stets eng verteidigt werden muss. Natürlich kann man insbesondere dem amtierenden MVP selbst und dem jungen Paschall hier vielleicht noch eine Verbesserung zutrauen, allerdings handelt es sich hier eben um  eine vage Annahme – wirklich wahrscheinlich, geschweige denn sicher, ist es nicht.

 

Bei der Addition Kevin Durants waren die Vorboten klar ersichtlich, auch wenn man an den Deal nicht wirklich glauben konnte, bis er dann passierte. Bei Giannis Antetokounmpo ist es nun  das genaue Gegenteil. Zwar scheinen immer mehr Leute an eine Zusammenkunft zu glauben, allerdings gibt es keinerlei handfeste Argumente hierfür. Anders als 2016 passt es heute weder finanziell, noch von der Altersstruktur und auch der spielerische Fit wirft Fragen auf. Die Warriors müssten bei Antetokounmpo eine Menge Überzeugungsarbeit leisten und dieser der Franchise und den dann noch vorhandenen Spielern viel Vertrauen entgegenbringen. Unter diesen Vorzeichen erscheint ein Wechsel nicht völlig unmöglich, allerdings sehr unwahrscheinlich.

 

 

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