Golden State Warriors, Utah Jazz

Russische Rauchschwaden?

Ein „Smokescreen“ ist im Basketballjargon ein Vorgang, bei dem ein Verhandlungspartner (im Normalfall der General Manager) eine bewusst falsche Information durchsickern lässt, um von einer anderen Handlung abzulenken. Inwiefern wir es beim nächsten Blockbuster-Deal um Deron Williams mit einem solchen Smokescreen zu tun haben, kann mit Bestimmtheit nicht gesagt werden, allerdings gibt es schon so einige Indizien, dass Mikhail Prokhorov (Mehrheitseigner) und General Manager Billy King von den New Jersey Nets (beide erst seit diesem Jahr bei  dem Team am Hudson in führenden Positionen) ein erstklassisches Täuschungsmanöver vollzogen haben.

Ein kleiner Trick zur rechten Zeit?

Photo: NBANets (Lizenz)

Doch von vorne. Seit Monaten gab es zähe Verhandlungen zwischen den Denver Nuggets und den New Jersey Nets um All-Star Carmelo Anthony. New Jersey bot ein gutes Gesamtpaket für den Small Forward der Nuggets, erhöhte auch sukzessive dieses, bis Prokhorov – ein wenig genervt – offiziell aus den Verhandlungen ausstieg. Im stillen Kämmerlein gab es aber wohl weitere Gespräche, die beim All-Star-Weekend darin gipfelten, dass es zu einem Treffen zwischen dem russischen Milliardär und Carmelo Anthony kam. Nach bevor der Blockbuster-Deal zwischen den Nuggets und Knicks veröffentlicht wurde (Go-to-Guys berichtete), gab Prokhorov am 20.02. gegenüber CNBC folgendes Statement ab:

“I think we made a very good tactical decision to force (the) Knicks to pay as much as they can,” Prokhorov said. “So it’s very good, it’s very interesting, it’s very competitive.”

Haben die Nets von Anfang an nur darauf spekuliert, die Knicks auszunehmen? Waren ihre Angebote an Denver gar nie wirklich auf dem Tisch von Denver-GM Ujiri? Sollte durch die Medien nur der Eindruck erweckt werden, dass es einen anderen, starken Bieter neben den Knicks gab? Interpretiert man die Worte Prokhorovs in diese Richtung, könnte man zu dem Schluss kommen.

Aber damit nicht genug. Es ist kein Geheimnis, dass Troy Murphy seit Monaten auf dem Tradeblock der Nets stand, da er bei Head Coach Avery Johnson scheinbar in Ungnade gefallen war. Die Nets shoppten Murphy zwar aggressiv, aber konnten eventuell einen zweiten Smokescreen platzieren, indem sie Devin Harris als verfügbar deklarierten. Marc Stein von ESPN berichtete, dass seine Quellen davon sprachen, dass die Nets auf die Dallas Mavericks zugegangen seien und Devin Harris eine Rückkehr nach Dallas ermöglichen würden, wenn im Gegenzug der auslaufende Vertrag von Caron Butler, Dominique Jones (ebenso wie Butler übrigens bis zum Saisonende verletzt) und ein First-Round Pick der Dallas Mavericks für die Nets verfügbar wären. Die Mavericks sollen dieses Angebot abgelehnt haben. Als weiteren, „einzigen, ernsthaften“ Mitbieter hätten sich zudem die Portland Trailblazers herauskristallisiert, die Andre Miller im Tausch für Devin Harris angeboten hätten. Wo spielt Devin Harris zum Ende dieser Woche? Bei den Utah Jazz!

Smokescreen der Nets? Nur Internetgerüchte, deren Wahrheitsgehalt verblüffend gering waren? Ein guter Pokerspieler verzieht keine Miene – und zeigt auch keinesfalls das Blatt, das er in der Hand gehalten hatte. Ob all dies nur eine Verkettung von Zufällen oder doch ein taktisches Kalkül der Führungsriege der New Jersey Nets war, werden wir wohl nie restlos erfahren können, aber auf die Fakten können wir schauen.

Der Deal in der Übersicht

Die New Jersey Nets erhalten in einem Drei-Team-Trade (obgleich dies zwei separate Trades sind, die der besseren Übersicht als ein Trade präsentiert werden) All-Star-Point Guard Deron Williams von den Utah Jazz und Brandan Wright sowie Dan Gadzuric von den Golden State Warriors.

Quelle: ESPN Trade Machine

Dafür verlassen Devin Harris, Rookie und #3-Pick des letzte Drafts Derrick Favors, der Erstrundenpick der Nets 2011 und ein Erstrundenpick der Golden State Warriors 2012 sowie 3 Millionen Cash den Hudson in Richtung Utah.

Quelle: ESPN Trade Machine

Troy Murphy kann hoffentlich endlich wieder Spielpraxis sammeln und wandert in Richtung Bay Area ab.

Quelle: ESPN Trade Machine

Rüsten die Warriors auf?

Die Intention der Golden State Warriors bei diesem Deal ist nicht so leicht abzuschätzen. Zum einen ist noch nicht ganz klar, ob die Warriors nicht vielleicht auch Geld in diesem Deal erhalten. Faktisch zahlen sie bisher mehr Gehalt für Murphy als für Gadzuric und Wright. Bliebe dies so, muss man Murphy als spielerische Verstärkung sehen, die er auch zweifelsohne sein kann. Ein Floorspreader auf der 4, der die Räume für Ellis beim Drive schafft, hinten zumindest ordentlich rebounden kann und dem Team damit sehr viel mehr hilft als Wright oder Gadzuric.

Ist Murphy ein spielerisches Upgrade, sollte man sich verdeutlichen, wieso die Warriors dies gemacht haben: Man hat zwar eine negative Bilanz, aber ist nur vier Niederlagen hinter den Playoff-Teams zurück und hat zudem sieben der letzten zehn Spiele gewonnen. Viel schwerer wiegt aber der Umbau der Konkurrenz. Die Denver Nuggets haben ihren Starspieler getradet, die Utah Jazz ebenfalls. Bei Memphis fehlt Rudy Gay für eine unbestimmte Zeit. Es wäre also durchaus noch im Rahmen des Möglichen, dass die Warriors zu einem letzten Push auf die Playoffplätze ansetzen. Rang 8 ist absolut im Bereich des Möglichen. Troy Murphy könnte hierbei von entscheidender Bedeutung sein. Dass man das ewige Talent Brandan Wright irgendwann entnervt aufgibt, da Wright es leider nie verstand, seinen Körper dauerhaft in einem basketballbereiten Zustand zu halten, ist nach dem vierten Jahr in Oakland nur allzu verständlich. Wright hat bisher nur 1200 Minuten auf dem NBA-Parkett gesehen – zum Vergleich: John Wall hat trotz Verletzungsbeschwerden bereits 1600 Minuten in seiner Rookie-Saison absolviert.

Wird Troy Murphy jedoch nur als finanzieller Move angesehen, bei dem die Warriors Geld einsparen wollen, ist zumindest zu hinterfragen, inwiefern sie dies anstellen wollen. Wenn Geld mitgeschickt wurde (dies würde auch dafür sprechen, dass es zwei separate Deals sind), würde sich dies finanziell lohnen. Ansonsten müssten die Warriors einen guten Buyout mit Murphy aushandeln, um von dem Trade zu profitieren. Murphys Motivation wäre hierbei klar ersichtlich: Er verzichtet auf Geld, um einen anderen Vertrag bei einem Playoffteam zu unterschrieben, wo er eventuell helfen könnte.

Umbruch in Utah?

Photo: kris247 (Lizenz)

Warum tradet eine Franchise ihr Gesicht? Nachdem Carmelo Anthony gestern wechselte, stellt sich bei den Jazz dieselbe Frage in Bezug auf Deron Williams. Williams war zuletzt in den Schlagzeilen, als er mitverantwortlich für den Rücktritt von Jazz-Coaching-Legende Jerry Sloan gemacht wurde. Williams sollte in einem Disput mit dem Trainer so mit diesem aneinandergeraten sein, dass Sloan sein Engagement im Mormonenstaat aufgab. Diese Meldungen wurden von Williams dementiert, aber so ganz schuldlos scheint er doch nicht gewesen zu sein, sonst hätte GM Kevin O’Connor nicht schon jetzt die Reißleine gezogen. Gerüchten zufolge wollte Williams auch keine Vertragsverlängerung in Utah unterschreiben, was ihn im Sommer 2012 zum Free Agent gemacht hätte. Wenn man auf das Melo-Drama zurückblickt, wäre es durchaus denkbar, dass ab dem nächsten Sommer gestreute Gerüchte für Unruhe in Salt Lake City gesorgt hätten. Ein Mix aus beiden Gründen war wohl für den Trade Williams‘ verantwortlich. Zurück erhalten die Jazz mit Devin Harris und Derrick Favors einen soliden Point Guard mit Drive, der jedoch nie ein wirklicher Passing-First-Point sein wird, und ein BigMan-Talent, das defensiv schon gute Ansätze aufblitzen ließ. Ebenso ist der First-Rounder der New Jersey Nets 2011 nicht geschützt. Mit ziemlicher Sicherheit dürfte dies ein Lottery Pick werden. Was der First Rounder der Warriors im Jahr 2012 wert sein wird, ist noch nicht abzusehen. Die Jazz werden in ihrer Rotation gar nicht so viel verändern müssen:

Devin Harris/Earl Watson/Ronnie Price
Raja Bell/CJ Miles
Andrei Kirilenko/Gordon Hayward
Paul Millsap/Derrick Favors/Jeremy Evans
Al Jefferson/Mehmet Okur/Kyrylo Fesenko/Francisco Elson

Photo: NBANets (Lizenz)

Was sich jedoch komplett verändern wird, ist der Spielstil, den die Jazz von nun an pflegen werden. Nachdem mit Jerry Sloan der Coach ging, der jahrzehntelang mit seiner Flex Offense das Spielsystem in Utah geprägt hatte, fehlt nun mit Deron Williams auch noch die rechte Hand des Trainers, der dieses System umsetzen kann. Devin Harris wird dies mit Sicherheit nicht können. Er hat nicht die überragenden Passing-Skills wie Williams, nicht die Courtvision, kann seine Mitspieler nicht besser machen. Dabei ist so jemand jedoch von Nöten, wenn man bedenkt, dass sich auf dem Flügel der Jazz auch niemand einen Wurf selbst kreieren kann.  Tyrone Corbin steht als neuer Cheftrainer vor einer richtig schweren Aufgabe. Ob die Playoffs erreicht werden können (die Jazz sind momentan nur Achter im Westen), ist fraglich und hängt einerseits von der Integration von Harris und Favors ab, andererseits auch von den Gegnern im Kampf um die vorderen Ränge. Wie erwähnt haben Denver und Memphis ebenfalls Probleme.

Bereit für den Umzug nach Brooklyn?

Die New Jersey Nets haben erstmals nach dem Abgang von Jason Kidd wieder einen Franchise Player in ihren Reihen. Deron Williams, zufällig ebenso auf der Point Guard-Position beheimatet und mit einer ähnlichen Courtvision wie der zukünftige Hall-of-Famer ausgestattet, wird nun am Hudson seine neuen Teamkameraden dirigieren. Zweifel, wie lange Williams für die Nets auflaufen wird, sind zur momentanen Stunde jedoch berechtigt. Laut einiger Quellen soll Williams nichts von seinem Trade gewusst haben und unglücklich über diesen sein. Vor dem Hintergrund, dass New Jersey im schlimmsten Fall nun dasselbe Theater wie Denver droht, ist die Frage durchaus angebracht, ob die Nets auch wissen, was sie da getan haben. So sehr man diesen Move auch als Coup bezeichnen kann, sollte das nicht über die Tatsachen hinwegtäuschen, dass die Nets noch einen langen Weg vor sich haben. Es gilt nicht mal als gesichert, dass das Team in der jetzigen Form in der nächsten Saison die Playoffs erreichen würde. Ein Blick auf das umgeworfene Roster der Nets offenbart folgendes Spielermaterial:

Deron Williams/Jordan Farmar/Ben Uzoh
Anthony Morrow/Sasha Vujacic/Quinton Ross
Travis Outlaw/Stephen Graham/Damion James
Kris Humphries/Brandan Wright
Brook Lopez/Dan Gadzuric/Johan Petro

Dass die Nets in dieser Saison noch die Playoffs erreichen, ist ausgeschlossen, da sie bereits zu diesem Zeitpunkt 40 Spiele verloren haben. Die Saison ist eigentlich schon abgeschenkt, jedoch hat man den eigenen Pick an die Utah Jazz weitergereicht. Will man den worst case verhindern (die Jazz erhalten durch die Lottery den ersten Pick 2011), sollte man einige Spiele gewinnen, um die Chancen zu verringern.

Photo: NBANets (Lizenz)

Die jetzige Situation ist aber zunächst noch konfus und zerfahren. Unklar ist, welche Rollen Wright und Gadzuric spielen sollen. Werden beide nur als auslaufende Verträge angesehen, könnte die Situation auf der 4 (bisher eher ein Logjam mit Favors und Murphy) zur Problemzone werden. Generell ist es um die BigMen-Rotation nicht gut bestellt. Ob das Team in dieser Zusammenstellung überhaupt signifikant besser ist als mit Harris und Favors, ist ebenfalls zu hinterfragen, vor allem, weil Coach Avery Johnson als Kontrollfreak gilt. Hier ist der Ärger mit Deron Williams unter Umständen schon vorprogrammiert. Johnson kam in Dallas nur bedingt mit Devin Harris klar, mit Jason Kidd konnte er kaum etwas anfangen. In New Jersey soll es wieder nicht mit Harris geklappt haben.
Der Rest der Saison sollte vor allem dazu genutzt werden, um Puzzleteile zu finden, die mit Deron Williams funktionieren. Anthony Morrow könnte hierbei eine ähnliche Rolle wie Kyle Korver in Utah zukommen. Wie das Zusammenspiel von Williams und Brook Lopez funktioniert, ist ebenfalls noch abzuwarten. Zusätzlich wird man sicherlich noch testen wollen, ob Brandan Wright die Qualifying Offer wert ist, die man in der Offseason ziehen müsste, um die Rechte am Talent auf jeden Fall halten zu können.

Hoffnung macht eigentlich vor allem ein Umstand: Obwohl die Nets (logischerweise) die schlechten Verträge von Travis Outlaw oder Johan Petro nicht in diesem Deal loswerden konnten, werden die Nets 2011 sehr viel Capspace besitzen. Für Williams, Outlaw, Farmar, Petro, Lopez und James zahlt man 39 Millionen Dollar (41, wenn man die Optionen von Graham und Uzah nutzt). Das sind gerade mal 2/3 des Caprooms. Egal, was bei den Verhandlungen zum neuen Collective Bargaining Agreement herumkommt, die Nets werden in der kommenden Free Agency genug Geld haben, um sich zu verstärken. Eine zweite Option oder eine Frontcourt-Ergänzung neben Brook Lopez müsste her. Funktionieren könnten theoretisch nicht nur Power Forwards wie David West oder Zach Randolph, sondern auch Center wie Tyson Chandler oder Kendrick Perkins, die allesamt Free Agents werden oder werden können.  Ob den Nets ein weiterer Coup in der Free Agency gelingt (bei James, Wade, Bosh, Stoudemire oder Boozer scheiterte man im letzten Jahr), steht jedoch noch in den Sternen.

Wer profitiert von diesem Deal?

Das ist eigentlich die entscheidende Frage. Kurzfristig sind dies vielleicht – so absurd es auf den ersten Blick klingen mag – sogar die Golden State Warriors, wenn Troy Murphy auch wirklich aufläuft. Ein erfolgreicher Playoff-Push würde sich auch dadurch erklären lassen, dass Murphy wertvolle Hilfe geleistet hätte.

Kurzfristig (also bis zum Ende der Saison) haben die Utah Jazz sicherlich nicht von diesem Deal profitiert. Devin Harris ist ein klares Downgrade gegenüber Deron Williams, vor allem was die Führungspersönlichkeit und die Spielmacherfähigkeiten angeht. Derrick Favors ist bei Weitem noch keine Hilfe für ein Playoff-Team, sodass es durchaus wahrscheinlich ist, dass die Jazz in diesem Jahr die Playoffs verpassen. Mittelfristig ergäbe das den Vorteil, dass man 2011 in dem Draft zwei Lottery-Picks vorzuweisen hätte – leider ist die Draftclass nicht gerade dafür berühmt, besonders hochklassig zu sein. Eigentlich müssten die Jazz noch einen weiteren Trade vollziehen, um sich besser zu positionieren. Man hat mit Favors, Jefferson, Okur und Millsap eigentlich einen Spieler zu viel für die Rotation und – spekulieren wir ein wenig in die Zukunft hinein – der Draft bietet vor allem ein Überangebot von Power Forwards. Wenn die Jazz auf die Schnelle noch einen weiteren Deal einfädeln könnten, der etwas mehr Klasse auf den Flügel bringen könnte, wäre das Unterfangen Playoffs vielleicht doch kein Utopisches. Ähnlich wie auch gestern bei Denver sollte jedoch die Richtungsbestimmung im Vordergrund stehen: Wie viel kann ein Team denn ohne Franchise Player überhaupt erreichen? Ist es richtig, jetzt das Team um Harris und die Big Men sukzessive zu verstärken oder sollte man mit einem geordneten Rebuild versuchen, über den Draft an einen hochklassigen Spieler zu kommen?

New Jersey ist mit diesem Trade ein hohes Risiko eingegangen, wenn es sich bewahrheiten sollte, dass Deron Williams von diesem Trade nicht so begeistert ist. Ein unzufriedener Franchise Player kann schlimmer sein, als gar keinen Spieler eines solchen Kalibers in seinen Reihen zu haben. Kann Deron Williams jedoch überzeugt werden, dass man in New Jersey (respektive Brooklyn) etwas aufbauen will, dann muss man ihn schnellstmöglich dazu bewegen, eine Vertragsverlängerung zu unterschreiben. Dies wäre ab dem 9. Juli 2011 möglich, wenn es keinen Lockout gibt. Kann man zudem in der Free Agency ein weiteres Puzzleteil neben Williams und Lopez dem Kader hinzufügen (vielleicht gar durch einen weiteren Smokescreen Prokhorovs?), könnte sich dieser Deal, der sicher nicht billig für die Nets war (Favors, hoher Lottery Pick, solider Aufbau in Harris), mittelfristig auszahlen und endlich wieder Playoffbasketball an den Hudson bringen –womöglich sogar für mehr als eine Runde.

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