Playoffs 2019, Utah Jazz

Was fehlt zum Contender?

Die Utah Jazz nach dem Erstrundenaus

Die Utah Jazz nach dem Erstrundenaus

Die Utah Jazz sind, letztlich deutlich und chancenlos aus den Playoffs ausgeschieden – soviel zu den Fakten. Auf den zweiten Blick gibt es jedoch durchaus auch Anlass zu verhaltenem Optimismus auf Seiten der Jazz-Anhänger. Auf der einen Seite war Houston das wohl denkbar schlechteste Matchup für die Jazz, das hatten nahezu alle Analysten im Vorhinein so prognostiziert und am Ende Recht behalten. Gegen jedes andere Team der Western Conference (außer Golden State) wäre Utah wohl favorisiert gewesen. Auf der anderen Seite war im Laufe der Serie eine klare Steigerung aufseiten der Jazz zu erkennen: In den letzten drei Spielen war die Defense etwa auf absolutem Top-Niveau und erlaubte den Rockets nur Ortgs von 103, 99 und 102. Verloren wurden diese Spiele letztlich durch die Offense und die mangelnde Abgezocktheit des Teams.

Es bleiben also drei Fragen, die nach dem Ausscheiden zu klären sind: Was war letztlich der Knackpunkt für die Serienniederlage? Was lief in den letzten drei Spielen besser? Und wie gehen die Jazz in die Zukunft?

Was haben die Jazz geändert?

Personell sticht eine Änderung heraus: Jae Crowder rückte für Derrick Favors in die Starting 5. Favors spielte in den letzten drei Spielen nur noch 18,6 MPG, nach zuvor 23,5 MPG in den ersten beiden Spielen. Dadurch wurden die Jazz deutlich mobiler: Ein Flügel wie Jae Crowder ist deutlich besser geeignet, Stretch Vierer wie PJ Tucker am Perimeter zu verteidigen.

Dazu wurde das extreme Defensiv-Konzept gegen James Harden aufgeweicht: Nur noch sporadisch verteidigten die Jazz ihn komplett von hinten und spielten insgesamt etwas konventioneller. Das zahlte sich aus: Harden hatte es so schwieriger, Schützen frei zu spielen; in den ersten beiden Spielen hatte er jeweils 10 Assists, in den letzten drei nur noch im Schnitt 6,7 pro Spiel. Schafft es eine Defense, Harden, das Kernstück der Rockets-Offense, einzudämmen, besteht immer eine Siegchance – das war der Hauptgrund dafür, dass die Jazz diese Serie zumindest noch einmal kompetitiv gestalten konnten.

Was war der Grund für die insgesamt deutliche Serienniederlage?

Etwas überraschend – nicht die Defense. Betrachten wir einmal die wichtigsten Kennzahlen: Über die Serie hinweg erreichten die Rockets ein Ortg von 109, das ist deutlich unter ihrem Saisonschnitt. Auch James Harden hatten die Jazz nach den ersten beiden Spielen verhältnismäßig gut im Griff: Er legte „nur“ 27,8 PPG bei einem 103er Ortg auf, traf nur 37,4% seiner Würfe und 35% seiner Dreier und ging in allen 5 Spielen der Serie nur 37 Mal an die Linie. Über seinen 0/15 Start in Spiel 3 ist sowieso schon genug geschrieben worden. Im Nachhinein war es ein klarer Fehler, die eigene Defense so stark von der Angst vor Hardens Stepback-Jumper treiben zu lassen, wie das in den Spielen 1 und 2 geschehen war.

Dennoch: Die Probleme sind auf der anderen Seite des Feldes zu finden. Die Jazz brachten selbst nur ein miserables Ortg von 99,9 zustande und offenbarten hier deutliche Defizite. Im Pod haben wir diesen Aspekt bereits angerissen. Die Jazz sind gut darin, den Ball laufen zu lassen und dann Fehler der Defense zu bestrafen – in den Playoffs werden diese Fehler zunehmend seltener. Umso wichtiger wird dann schlicht individuelle Klasse, die die Defense zu solchen Fehlern beziehungsweise Adjustements zwingt; zu sehen ist das etwa an James Harden oder Damian Lillard. Die Jazz haben jedoch einen solchen Spieler nicht im Kader – nein, auch nicht Donovan Mitchell.

Mitchell – das muss man so hart sagen – enttäuschte gegen Houston auf ganzer Linie. Die Rockets spielten gegen ihn ein klares Defensivkonzept, ihm die Driving Lanes zuzustellen und ihn so zu Fehlern zu zwingen. In dieser Szene ignoriert Gerald Green den freien Royce O’Neale und hilft bei Mitchells Drive von der Ballseite aus.

Das funktionierte: Mitchell legte nur 21,4 PPG und nur 3,2 APG auf, bei einem unterirdischen Ortg von 83. Hierbei zeigte sich, dass Mitchell in seiner Entwicklung einfach noch nicht weit genug ist: Es fällt ihm immer noch schwer, konstant die richtige Entscheidung zu treffen, besonders wenn sich die Defense gut auf ihn vorbereitet. Dazu neigt er, wie viele junge Spieler dazu, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen. Mitchell kennt oftmals nur zwei Optionen: Vollgas zum Korb oder Pullup-Jumper aus dem Lauf. Ein verlässliches Midrange-Game mit kontrollierten Tempo- und Richtungswechseln wie etwa bei Chris Paul geht ihm noch komplett ab.

Dass die Schützen der Jazz meist ziemlich kalt blieben (26,3% über die Serie!), half natürlich auch nicht.

Außer Mitchell haben die Jazz dazu kaum Playmaking im Kader: Ricky Rubio spielte im Rahmen seiner Möglichkeiten eine solide Serie, ist aber als Scorer einfach zu ungefährlich. Joe Ingles stand dagegen komplett neben sich und legte über die Serie gerade einmal 6,5 PPG, bei einem Ortg von 94 und einer lächerlich niedrigen USG% von 12,7% auf. Das reichte letztendlich nicht, um einer soliden, aber keineswegs herausragenden Rockets-Defense gefährlich zu werden.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Jazz sind momentan ein wenig im oberen Mittelmaß der Liga gefangen. Die Playoff-Teilnahme sollte auch nächstes Jahr gesichert sein, die eigene Defensive befindet sich auf Top-Niveau – gleichzeitig scheint das Team Probleme zu haben, den Schritt zum absoluten Top-Team zu machen. Entscheidend dafür ist eigentlich eine einzige Personalie – Donovan Mitchell.

Stars sind in der NBA (fast) alles, das singulär wichtigste Kriterium für Teamerfolg.

Außer Mitchell haben die Jazz keinen Spieler, der das Potential hat, zu einem solchen Spieler zu werden. Und solange er das nicht tut, werden die Jazz vermutlich in jeder Postseason der kommenden Jahre gegen dieselbe gläserne Wand rennen. Mitchell hat alle Tools, die es braucht, um ein solcher Spieler zu werden, war aber in seinen beiden NBA-Jahren ein unterdurchschnittlich effizienter Spieler (Ortgs: 103 und 104), enttäuschte dazu in den diesjährigen Playoffs. Gleichzeitig schwärmen Mitspieler, Coaches und Journalisten von seiner Arbeitseinstellung. Baustellen in seinem Spiel gibt es genug: Ballhandling, Wurf, Playmaking und vor allem Decision-making. Eine Prognose, ob Mitchell den Sprung schafft, maße ich mir an dieser Stelle nicht an. Tut er das nicht, werden es die Jazz in Zukunft jedoch schwer haben.

Dann bliebe nur der Ausweg via Trade, einen solchen Spieler zu bekommen, was jedoch in den meisten Fällen extrem schwierig ist. Sinn ergeben würde ein solcher Trade, falls realisierbar, jedoch auf jeden Fall – vielleicht bemühen sie sich im Sommer wieder verstärkt um den wechselwilligen Mike Conley.

Die zweite wichtige Personalie ist Rudy Gobert. Ihm wird seit langer Zeit nachgesagt, in den Playoffs an Wert zu verlieren, da er nicht in der Lage ist, das switch- und perimeterlastige Spiel dort mitzugehen. Gegen die Rockets sah man, dass dieser Vorwurf nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. Gobert von jeder Nützlichkeit freizusprechen, ist jedoch ebenfalls voreilig. Es gab schließlich einen Grund, warum Harden aus der Floaterdistanz so miese Quoten warf und so selten zum Korb und an die Freiwurflinie kam – Goberts Rimprotection ist nach wie vor elitär und sollte im Juni mit dem DPotY-Award ausgezeichnet werden. Gegen fast jedes andere Team der Liga, hätte Gobert noch größeren Impact gehabt.

Für die Jazz sollte es also eher darum gehen, Mitchell und Gobert mit passenden Rollenspielern zu umgeben und das sollten zum Großteil solche Spieler sein, nach denen die ganze Liga sucht: athletische Flügelspieler mit Wurf. Diese würden vorne dringend benötigtes Spacing liefern und hinten gegen gegnerische Stretch-Big-Man aushelfen können. In den Playoffs setzten die Jazz vor allem auf Donovan Mitchell, Joe Ingles, Jae Crowder und Royce O’Neal – die drei Flügelpositionen könnten qualitativ und quantitativ ein Upgrade vertragen. Intern stehen einige Spieler bereit, wobei bei jedem einzelnen fraglich ist, ob er bereit für eine größere Rolle ist. Ein paar Minuten in den Playoffs sahen noch Georges Niang und Thabo Sefolosha, wenngleich die beiden eher Notlösungen darstellen dürften. Kyle Korver ist zu alt und in den Playoffs kaum noch spielbar, Grayson Allen ist ein Rookie und Dante Exum ein Dauerverletzter ohne verlässlichen Wurf. Macht keiner dieser Spieler einen deutlichen Sprung nach vorne, sollten sich die Jazz in der Free Agency nach Wings und einem echten Stretch-Vierer umsehen; Derrick Favors – der in den Playoffs starke Leistungen zeigte – könnte dann mittelfristig zu Goberts Backup auf der 5 werden.

Die weitaus wichtigste Personalie der Jazz ist jedoch Donovan Mitchell. Er hat, wenn man so möchte, die Schlüssel für die weitere Entwicklung dieses Jazz-Teams in der Hand.

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