Warum Kevin Durant 2016 Free Agent wird.
Seitdem LeBron James in seine Heimat zurückging und die Offseason so gut wie abgeschlossen ist, blicken einige Journalisten schon wieder weit in die Zukunft und beschäftigen sich gar mit der Free Agency 2016. Dort rückt natürlich die Free Agency-Phase in den Mittelpunkt, weil der Vertrag des amtierenden MVPs Kevin Durant ausläuft. Spekulationen, ob Durant in seine Heimat Washington, D. C. zurückkehre, machen die Runde, auch weil Durant diese durch eigene Aussagen in der Washington Post selbst befeuert:
“When [free agency] comes around, I’ll answer those questions, but for now, I’m focused on where I am and the task at hand. Just take it a day at a time,” he said. “It’s hard to tell the future. That’s why you can’t do it. It’s hard. I can’t do it right now.”
– Kevin Durant
Durant selbst nimmt hier an, dass er Free Agent wird und nicht vorzeitig bei Oklahoma City verlängert. Warum schließt Durant eine vorzeitige Verlängerung seines Vertrages nun schon aus?
Die Basis: Anpassungen im Collective Bargaining Agreement
Das Collective Bargaining Agreement hat viele Funktionen. Zuvorderst regelt es die finanziellen Vereinbarungen zwischen Liga und Spielergewerkschaft, es stellt aber auch Rahmenbedingungen für ein gemeinsames Miteinander dar. So werden durch die Luxury Tax benachteiligte Franchises unterstützt, sodass man dem System gar kommunistische Züge unterstellen könnte. Dies ist in einem Franchiseunternehmen natürlich nicht der Fall.
Umso verwunderlicher scheint nun ein Umstand zu werden, der sich erst seit der Anpassung 2011 ergeben hat: der Umgang mit Max-Deal-Kandidaten in der Free Agency. Leidtragende scheinen die Franchises selbst zu sein.
Diese Max-Deal-Kandidaten sind vor allem die Spieler, die aus ihrem siebten oder achten Vertragsjahr kommen und möglicherweise das erste Mal überhaupt die Free Agency vollkommen frei austesten können. Hiermit sind nicht die Spieler gemeint, die aus ihren Rookie-Verträgen kommen, eventuell ein Maximalgebot von einem anderen Team erhalten, aber durch die restricted free agency dann doch an ihre alte Franchise gebunden sind. Demzufolge trifft dies nur auf ein paar Spieler pro Free-Agency-Class überhaupt zu, da dies die Superstars der Liga sind, deren erster oder zweiter Anschlussvertrag ausläuft.
Wir erinnern uns an diese Offseason zurück: LeBron James hat bei den Cleveland Cavaliers fürs Maximalgehalt unterschrieben, Carmelo Anthony und Chris Bosh blieben bei ihren Franchises und verlängerten für die maximale Laufzeit von fünf Jahren. Isoliert betrachtet, ist das eine ganz typische Free Agency. Der dickste Fisch hatte persönliche Motive, nahm einen von der Laufzeit kürzeren Deal und ging zu seiner alten Franchise zurück, Bosh überzeugten das zusätzliche Vertragsjahr und der erhöhte Gehaltsanstieg; ebenso Carmelo Anthony. Alles völlig normal. Dennoch zeichnet sich nun seit dem neuen Tarifvertrag ein Trend ab, der für die Zukunft wegweisend sein wird.
Flucht in die Free Agency
Bemerkenswert ist zunächst, dass überhaupt alle Free Agents auf dem Markt verfügbar waren. Dieses Phänomen zeigte sich auch schon in den vergangenen Jahren, als Dwight Howard und Chris Paul (2013) oder Deron Williams (2012) Free Agents wurden und im Anschluss Maximalverträge erhielten. Der geneigte Beobachter wird dann natürlich auf 2010 und „Le Summer“ verweisen, wo mit James, Bosh, Wade und weiteren Stars ein wahrer Free Agent-Wahn ausbrach. Die Feststellung ist richtig, stellt aber auch eine absolute Ausnahme dar, weil hier mit James und Bosh gleichzeitig zwei unzufriedene Superstars ihre Franchise verlassen wollten. Wade hingegen wollte vor allem dem Management der Heat einen Gefallen tun, um mehr Planungsspielraum anbieten zu können.
Der Regelfall im alten CBA war eigentlich ein anderer: Wenn sich der kommende Free Agent wohlfühlte, unterschrieb er eine Vertragsverlängerung. Diese Extension ist – im Unterschied zum Vertrag in der Free Agency – eine Verlängerung des bestehenden Vertrages und garantiert für beide Vertragspartner Sicherheit: Dem Spieler sichert der Vertrag garantiertes Gehalt, die Franchise kann mit dem Spieler planen, bevor die Free Agency überhaupt beginnt. Warum tritt dieser Fall in der heutigen NBA immer seltener ein?
CBA-Anpassung: Vertragslängen
Im CBA, das 2005 verabschiedet wurde, war die Maximaldauer eines Vertrages mit sechs Jahren möglich; wenn der Spieler vorzeitig eine Extension unterschrieb, wurde im Anschluss ein vierjähriger Vertrag angehängt (offiziell waren dies fünf Jahre, jedoch wurde das Abschlussjahr schon mit einberechnet, sodass eine Extension vier weitere Jahre bedeutete). Auch hier wäre es theoretisch möglich gewesen, dass ein Spieler nach acht Jahren den Vertrag auslaufen lässt, um dann einen sechsjährigen neuen Vertrag zu unterschreiben. Die Frage ist hierbei nur, ob dies überhaupt im Interesse des Spielers und des Agenten war. Nach dem achten NBA-Jahr einen sechsjährigen Deal zu unterschreiben, klingt zunächst verlockend, aber praktischer war es, wenn man aufgrund der Extension-Regel die Möglichkeit besaß, zwei vierjährige Extensions zu unterschreiben. Welcher Spieler im 14. NBA-Jahr hat noch die Möglichkeit, einen weiteren Maximaldeal abzuschließen, der ihm mehr als zwei Jahre Maximalgehalt garantieren würde? Wir reden in der Regel von 32-34-jährigen Spielern, wenn diese recht früh in die Liga gekommen sind. Deswegen war es für das letzte CBA typisch, dass Spieler tendenziell die sichere Extension nahmen und dann mit 30-32 nochmals eine Max-Extension abschlossen.
Ab 2011 galten jedoch andere Regeln. Die Vertragslängen wurden für jede Vertragsart um ein Jahr gesenkt. Maximal können Franchises, die die vollen Bird Rights an Spielern besitzen, fünf Jahre für einen Neuen Vertag anbieten, bei Extensions fällt die Zahl auf drei (vier Saisons, die Saison, in der verlängert wurde, muss abgezogen werden). Dies verändert nun die Wahrnehmung der Spieler, vor allem aber der Agents. Der Trend verschob sich relativ schnell zu der Ansicht, dass es aus Agentensicht nun intelligenter erschien, ihren Klienten dazu zu raten, den Vertrag auslaufen zu lassen und Free Agent zu werden. Das vierte oder fünfte, sichere Vertragsjahr wurde auf einmal bedeutsam. In der diesjährigen Offseason bedeutete die Entscheidung von Chris Bosh, Free Agent zu werden, statt einer 63 Mio. $-Extension einen 107 Mio. $-Vertrag zu unterzeichnen. Wenn Boshs Vertrag ausläuft, wird Bosh schon 35 sein. Ab 36 greift sowieso eine „Over-36 rule“, die das Überbezahlen von alten, verdienten Spielern verhindern soll. Kurz: Boshs Agent hat hier den besten Deal für seinen Klienten erwirkt. Eine Vertragsverlängerung hätte Bosh nur den Maximalvertrag bis 33 garantiert. Ob dieser dann nochmals einen Zweijahresvertrag mit dem höchstmöglichen Gehalt bekommen hätte, ist sehr fraglich.
Durch die Restrukturierung gibt es momentan in der NBA nur einen Zeitpunkt in der Karriere eines Spielers, wo eine Vertragsverlängerung sinnvoll ist: Im letzten Jahr des Rookiedeals kann man für sechs Jahre (5 Jahre plus laufende Saison) verlängern. Das ist exakt dasselbe Angebot wie man es auf dem Free Agent Markt bekommen kann. Demnach sichern sich die Franchises ihre Spieler auch frühzeitig in der Saison. Im letzten Jahr wurden bspw. John Wall und Paul George oder im Jahr davor James Harden mit Maximal-Deals ausgestattet. Hier ist es weiterhin sinnvoll, die Vertragsverlängerung anzunehmen.
Die NBA spitzt mit dem neuen CBA aber die Situation noch weiterhin zu.
CBA-Anpassung: Sign-and-Trades
Ein weiterer entscheidender Unterschied zum vorhergehenden CBA zeigt sich vor allem jetzt vermehrt. Durch die Anpassung 2011 ist ein entscheidendes Detail bei Sign-and-Trades geändert worden: In Sign-and-Trade-Deals verwickelte Spieler bekommen maximal einen Vier-Jahres-Vertrag und erhalten maximal einen Gehaltsanstieg von 4,5% pro Jahr. Zum Vergleich zum CBA von 2005 verlieren die Sign-and-Trade-Spieler potentiell 2 Jahre und 6,5% Gehaltsanstieg. Da beim jetzigen CBA jedoch alle Vertragslängen angepasst wurden, lohnt sich ein genauerer Blick: Bei den Sign-and-Trades hat als einziges eine Anpassung von „Full Bird Rights“ auf „Non Bird Rights“ stattgefunden. Das bedeutet im Klartext: Spieler, die gesignet und direkt danach getradet werden, verlieren ihre vorher erworbenen Rechte. Um dies an konkreten Beispielen festmachen zu können, bietet sich ein Blick auf die bisherigen Max-Deals seit Einführung des neuen CBA an: Es gab keinen. Gerade einmal ein Sign-and-Trade in den vier Jahren fällt ungefähr in diese Kategorie: Tyson Chandler ging damals von den Dallas Mavericks zu den New York Knicks. Wieso dieser Move der Knicks komplett unverständlich erschien, wurde bereits erklärt. New York hatte den finanziellen Spielraum und tat den Mavericks einen finanziellen Gefallen, die mit der Traded Player Exception Lamar Odom verpflichten konnten. Auf Max-Level-Ebene gab es nur zwei Entscheidungen: Deron Williams, Chris Paul, Chris Bosh und Carmelo Anthony entschieden sich für die maximale Laufzeit und den größtmöglichen Gehaltsanstieg; Dwight Howard und LeBron James verließen ihre Franchise und unterschrieben in Houston und Cleveland.
Die Auswirkungen: Trades oder leere Hände
Mittlerweile hat sich die Ansicht, dass man als Franchise keine Sign-and-Trades mehr einfädeln kann, so verselbstständigt, dass das jeweilige Front Office nach anderen Lösungen sucht. Im Falle von Kevin Love entschied man sich, nicht das Risiko einzugehen und Gegenwert für den abwanderungswilligen Star zu erhalten. Love ist aber auch kein Einzelfall, hier hat nur das Front Office frühzeitig reagiert. Nicht ganz vergleichbar ist der Fall James Harden. Hier hatte die Franchise die Entscheidung getroffen, dass sie ihn nicht mit einem Max-Deal ausstatten wollten; Harden hatte signalisiert, dass er nicht für weniger unterschriebe. Letztlich suchte man nach einem Trade, ehe man in der Offseason ein Maximalangebot an Harden nicht matchen wollen würde.
Es gibt jedoch auch Franchises, die diesen Weg nicht gehen wollen. Diese begeben sich durch das neue CBA in das Risiko, ihre Starspieler substanzlos zu verlieren. Es wird in den weiteren Jahren keine Sign-and-Trades geben. Das Risiko für die Franchises wird sich ebenfalls nicht verringern. Nur der Ausgang ist ungewiss. Hat man in den letzten Jahren gut gearbeitet oder kann eine Vision präsentieren, die dem Spieler gefällt, bleibt dieser bei der Franchise, wie dies bei Williams oder Paul der Fall war. Ist der Spieler unzufrieden, wechselt er die Franchise – zuletzt bei Dwight Howard gesehen.
Dazu kommen noch völlig unbeeinflussbare Faktoren, wie dies bei LeBron James der Fall war. Die Miami Heat haben in den letzten vier Jahren immer die Finals erreicht. James wollte trotzdem nicht in Florida bleiben. Vielleicht, weil Miami perspektivisch zu alt war; vielleicht, weil James wirklich nach Ohio zurückwollte. Fraglich ist nur, ob wir dieselbe Entscheidung beim alten CBA gesehen hätten. Letztlich können wir nur darüber spekulieren. Was aber wohl spruchreif ist, ist die Annahme, dass Miami James nicht ohne Gegenwert verloren hätte. Die Heat waren hier in der glücklichen Lage, dass sie durch den Ausstieg aller drei Superstars den Roster schon wieder auf cap space ausgerichtet hatten, sodass man sich sinnvoll verstärken konnte. Wäre James als einziger Star aus dem Vertrag ausgestiegen, wäre sicherlich kein Platz mehr unter dem cap gewesen.
Die Annahme, dass es Gegenwert gegeben hätte, ist deshalb nicht von der Hand zu weisen, weil dies 2010 noch der normale Gang war. Auch wenn dies vielleicht aus der Erinnerung schon wieder verdrängt wurde, wurden sowohl Bosh als auch James per Sign-and-Trades nach Miami geschickt. Sowohl Bosh als auch James unterzeichneten damals einen vollen 6-Jahres-Vertrag bei ihren alten Franchises, der alle Annehmlichkeiten enthielt. Im Gegenzug bekamen Toronto und Cleveland eine Traded Player Exception und Picks von Miami. Das ist natürlich nicht viel. Aber es kann den Teams helfen, überhaupt handlungsfähig zu werden. Miami hatte nach dem Verlust James‘ Glück; Los Angeles traf der Abgang von Howard ziemlich hart. Hätten die Lakers von den Rockets Picks und eine TPE erhalten, wäre das Team (gerade in diesem Markt) sicherlich aktiv geworden und hätte einen Ersatz für Howard geholt oder sich anderweitig verstärkt (und Gasol auf Center geschoben).
Die Reaktionen der Franchises: cap space
Keiner der beiden wurde letztlich in einem Sign-and-Trade gedealt, weil der Anreiz fehlte.
Im letzten CBA hatte der Spieler (und sein Agent) einen Nutzen von Sign-and-Trades. Man erhielt ein weiteres Vertragsjahr, höhere Gehaltssteigerungen und insgesamt viel mehr garantiertes Gehalt. Demnach waren vor allem auch die Agents bestrebt, dass die Spieler den „Bird Rights“-Vertrag unterschreiben, auch wenn sie danach getradet wurden. Nun fehlt diese Komponente völlig, da es für Agent und Spieler keinen Unterschied macht, ob man einen Vertrag bei der neuen oder alten Franchise erhält, da dieser exakt gleich dotiert ist.
Die einzige sinnvolle Möglichkeit eines Sign-and-Trades tritt dann ein, wenn die aufnehmende Franchise keinen Gehaltsspielraum hat, um einen Maximalvertrag anbieten zu können. Die Reaktion der Franchises zu jeder Offseason ist natürlich gut nachzuvollziehen: man macht cap frei, um volle Maxdeals bieten zu können. Deshalb ist es auch in der heutigen Zeit nicht so ungewöhnlich, dass gleich mehrere Teams unter dem cap arbeiten: Sie bekommen die Möglichkeit, ohne Picks oder andere Assets an abwanderungswillige Stars zu gelangen. Dies muss natürlich nicht immer gelingen (die neuesten Beispiele sind die Mavericks bis zur Offseason, wo sie Jose Calderon und Monta Ellis gesignet haben; und die Los Angeles Lakers, die auch in dieser Offseason leer ausgingen), aber die Voraussetzungen schaffen mittlerweile nicht mehr nur Rebuilding Teams, die ihr Team sanieren wollen. Das neue CBA mit den immer kürzeren Verträgen gestattet immer mehr Contendern oder Playoffteams, sich für den Free Agent Markt gut zu positionieren.
Alles oder nichts
Die Besitzer der NBA-Franchises waren bisher immer darauf bedacht, dass sie ihren eigenen Standort schützen und dies bedeutete, dass man seine Superstars halten konnte. Dies hat sich eigentlich nicht im CBA verändert, weil die Teams ihren Spielern weiterhin ein Vertragsjahr mehr bieten können. Die Überarbeitung der Sign-and-Trade-Regel führt aber dazu, dass die Franchises nur noch „boom or bust“ erleben. Entweder unterschreibt der Superstar für fünf Jahre oder man verliert ihn ersatzlos. Dies kann eigentlich nicht im Sinne der Franchises sein, deren Owner bisher so radikal für die Vorteile der eigenen Franchise gekämpft haben. Durch die Einführung der Rookie Scale hatte man die teils hanebüchenen Forderungen der Rookies entkräftigt; die Restricted Free Agency garantiert nahezu, dass sehr gute Spieler bei ihren Franchises bleiben. Werden sie jedoch danach Free Agents (weil es sich finanziell nicht lohnt, eine Verlängerung zu unterschreiben), besteht für die Franchise immer die Gefahr, ihren Franchise Player zu verlieren.
Und was bedeutet dies nun für Durant?
Bei Kevin Durant haben die Oklahoma City Thunder fast alle Voraussetzungen erfüllt, um ihre erste Option im nächsten Jahr halten zu können. Der Kader wird wieder versuchen um die Meisterschaft mitzuspielen, die Mitspieler sind noch jung und somit ist die Perspektive auch gegeben. Einzig die finanzielle Situation der Franchise könnte problematisch sein, weil das Team sonst sicherlich individuell noch mehr Qualität hätte. Will Durant dann wirklich in seine Heimat, bleibt den Thunder nur zu hoffen, dass Washington keinen Caproom hat, um Durant direkt zu signen. Ansonsten stünde OKC trotz dieser guten Ausgangsposition am Ende mit leeren Händen da – auch wenn dies zum jetzigen Zeitpunkt unrealistisch erscheint.
“We’re going to put it out on the table. It’s been talked about,” Durant said. “Everybody is asking me about it. Every time I go on Instagram or Twitter, all my friends ask me about it. So I’m not going to sit here and act like I’m naïve to the fact that people think about that stuff. But I just tell everybody, ‘Look, I’m here in Oklahoma City. I love it here.’ Who knows what’ll happen? You never can close a door on anything, but I like where I’m at right now. I can’t answer those questions.”
– Kevin Durant