Der bevorstehende Fernsehvertrag verändert die Liga
Vor knapp einem Monat unterzeichnete Adam Silver als Commissioner der NBA einen neuen TV-Vertrag mit Disney und Turner. Seit diesem Zeitpunkt scheint der wirtschaftliche Sektor der NBA so grundlegend verändert worden zu sein wie bisher noch nie in ihrer Geschichte. Unklar sind jedoch die Auswirkungen, die der neue Fernsehvertrag hat. Was bedeutet dies für die NBA?
Dimensionen des Vertrages
Zunächst sollten aber die Dimensionen des Vertrags geklärt werden, so sie denn schon bekannt sind. Bisher erhielt die NBA von den Sendeanstalten pro Saison ungefähr 930 Millionen Dollar für die Ausstrahlungsrechte. Das sind etwas mehr als 20% der Einnahmen, die die NBA pro Jahr generiert. Der TV-Deal war also schon immer ein Garant für das Wachstum und gleichzeitig die Stabilität und Sicherheit der Liga, um sich konkurrenzfähig aufzustellen.
Ab 2016 erhält die NBA durchschnittlich 2,7 Milliarden Dollar pro Jahr! Die Verteilung der Gesamtsumme von etwas mehr als 24 Milliarden Dollar über die nächsten neun Jahre ist noch unklar. NBA-Beobachter rechnen damit, dass sich die Zahlung progressiv entwickeln wird und mit 2,1 Milliarden 2016 beginnen soll. Dies entspricht einer Verdopplung der Einnahmen zum jetzigen Deal – und weckt Begehrlichkeiten sowohl auf Seiten der Besitzer als auch der Spieler. Die neuen Einnahmen durch die Fernsehübertragung tragen nun dazu bei, dass die Liga nicht nur mit Leichtigkeit die Fünf-Milliarden-Grenze überspringen wird, sondern dass der TV-Deal zu diesem Zeitpunkt knapp 35% der Einnahmen der Liga entsprechen wird.
Wichtig für die Relevanz der neuen TV-Einnahmen ist die Information, dass das basketball related income (BRI) direkt mit dem Salary Cap der NBA und damit mit dem Verdienst der Spieler verknüpft ist. Die Spieler erhalten zwischen 49 und 51% des BRI an Gehältern. Wie schon mehrfach ausgeführt, ist das tatsächliche Gehalt nur ein Indikator für das zu erhaltene Gehalt der Spieler. Letztlich werden – in finanziell guten Zeiten – 51% des BRI ausgeschüttet. Ist das Gesamtgehaltsvolumen größer als die eingenommenen 51%, werden die Bezüge der Spieler gekürzt. In den letzten Jahren wurden aber noch zusätzliche Prämien ausgeschüttet, da das Gehaltsvolumen insgesamt unterschritten worden war.
Die Reaktionen der Franchises
Seit der Bekanntgabe am 10. Oktober gab es nur einige Signings, da der Großteil der Free Agents bereits erwartungsgemäß im Juli unterschrieben hatte. Aber bereits im Juli war es auffällig gewesen, dass mit Dwyane Wade, LeBron James und Luol Deng eigentlich sehr dekorierte und prominente Vertreter sich aktiv dazu entschieden, nur Zwei-Jahres-Verträge zu unterzeichnen. Die Intention dahinter war klar, auch wenn sie – gerade bei Wade – das Risiko birgt, dass man sich mit der geringen Vertragslänge verpokert hat, sollte man sich nun schwerer verletzen und zur Offseason 2016 nicht mehr an die alte Leistungsfähigkeit herankommen: Mit dem Einsetzen des neuen TV-Vertrags will man Free Agent sein, um nochmals mehr Geld kassieren zu können.
Blickt man auf die Signings, die um den 10.10. getätigt wurde, stechen vor allem Vertragsverlängerungen von Spielern im Rookie-Scale-Vertrag hervor:
Wie in jeder guten Auflistung gibt es Ausnahmen, die die Regel bestätigen: Anderson Varejao kam nicht aus seinem Rookie-Deal, unterzeichnete aber eine Extension; Eric Bledsoe unterschrieb keine Verlängerung, sondern unterzeichnete einen neuen Vertrag.
Bis auf die Deals der Morris-Twins gab es bei fast jedem Vertrag gleich zwei, zumeist nacheinander ablaufende Reaktionen: „Oh, Gott, ist das viel! Das ist der nie wert“ gefolgt von „aber der neue TV-Deal kommt 2016. Also alles okay.“ Diese beiden flapsigen Aussprüche gibt es in tausendfacher Ausfertigung auf Twitter und zeigen die momentane Verwirrung, was das Verständnis und die Relation zwischen momentan noch gültigen CBA-Grenzen und der dann 2016 einsetzenden Erhöhung des Salary Caps angeht.
Um dies so klar zu sagen: Die Franchises selbst wissen noch nicht, was auf sie zukommt. Momentan stehen NBPA (National Basketball Players Association) und Besitzer in Verhandlungen, um Lösungen für den ab 2016 massiv ansteigenden Salary Cap zu finden. Dies bedeutet vor allem, dass die Franchises zum jetzigen Zeitpunkt spekulieren, wie sich das Gehaltsgefüge entwickeln könnte, und danach handeln. Diese Deals jetzt zu kritisieren, entbehrt jeder Grundlage – sie zu loben aber ebenfalls. Die Rahmenbedingungen sind einfach noch nicht ersichtlich.
Dennoch ist die Strategie der Franchises – so man diese überhaupt über einen Kamm scheren kann – erkennbar: Sie zahlen für ihre jungen Spieler (zu) viel, erhoffen sich aber gleichzeitig, dass sich diese Investition gleich auf zwei Arten auszahlt: Zum einen gibt der langjährige Vertrag der Franchise Planungssicherheit um einen Baustein ihrer Franchise; zum anderen könnte sich die Betrachtung des Deals mit der Entwicklung des Salary Caps ab dem dritten Vertragsjahr grundsätzlich verändern. Sollte der Salary Cap ansteigen, wären die Deals prozentual weniger teuer und könnten zu guten Deals werden. Aber wie wird sich der Cap denn entwickeln?
Die Anpassung des Salary Caps
Die Gretchenfrage in diesem ganzen Szenario ist die Entwicklung des Salary Caps. Hiermit steht und fällt jegliche Bewertung der bisherigen Moves der Franchises. Direkt nach der Veröffentlichung der durchschnittlichen TV-Einnahmen gab es bereits erste Schätzungen von Arturo Galletti:
Here’s my estimated breakdown of the impact of the new NBA TV deal. pic.twitter.com/UVYAWZYEak
— The man with the #’s (@ArturoGalletti) 6. Oktober 2014
Galletti arbeitete hier mit den Durchschnittswerten, die gerade zur Saison 16/17 den Cap nochmals anheben. Aber auch mit geschätzten 2,1 Milliarden Dollar zur Erstsaison hätten wir knapp 90 Millionen Dollar – einen Anstieg von über 20 Millionen Dollar in einem Jahr – oder der Wert, den momentan ein Max-Vertrag innehat. Das Chaos wäre unvorstellbar, wenn plötzlich so gut wie jede Franchise einen Max-Player mehr unter Vertrag nehmen könnte. Deshalb redet Zach Lowe vor allem über „smoothing the situation“. Die Liga sucht einen seichteren Übergang der komplizierten Situation, damit nicht die etablierten Strukturen und Wertvorstellungen vollständig verschwinden.
Dazu muss die neu eingesetzte Direktorin der NBPA, Michele Roberts, einen unglaublich schweren Job machen, denn gerade ihre Klienten werden den Übergang von der Saison 15/16 auf 16/17 erschweren. Den Besitzern mag dies zuvorderst gar nicht stören – sie erhalten weit, weit mehr Geld. Das jeweilige Front Office der Liga könnte sich sicherlich auf diese Situation einstellen und handlungsfähig sein.
Leidtragende sind jedoch die Spieler, genauer: die schon für 2016/17 unter Vertrag stehenden Spieler. Diese müssen nämlich mit ansehen, wie andere Spieler für dieselbe oder geringere Leistung wahrscheinlich besser entlohnt werden, weil einfach in diesem einen Jahr so viel mehr Geld zur Verfügung steht, dass die Franchises ausgeben können. Sollte zudem schon frühzeitig klar sein, dass der Anstieg 2016 definitiv käme, und man sich diese monströse Free Agency Class ansähe, die an der Spitze LeBron James UND Kevin Durant vorweisen könnte, ist davon auszugehen, dass Teams sich bemühen würden, zwischen 50 und 70 Millionen an Cap Space zu erschaffen. Im Gegensatz zur jetzigen Situation hätte man dabei aber schon 20 Millionen im Kader, bspw. Spieler in Rookieverträgen.
Michele Roberts muss hierfür eine Lösung finden, denn die Franchises haben für 16/17 schon ungefähr 900 Millionen Dollar an fixen Verträgen ausgegeben. Das sind jede Menge Spieler, die von diesem Deal nicht profitieren können. Genau so werden die Franchises unglücklich sein, die die ersten Max-Player bezahlen „müssen“. Lowe verwies in seinem Artikel dazu auf den Umstand, dass Kyrie Irvings Extension 16/17 16,5 Millionen wert sein wird – Anthony Davis‘ Max-Contract würde bei ungefähr 25 Millionen beginnen! Dies ist zum einen problematisch für Irving, der einfach das Pech gehabt hätte, ein Jahr zu früh in die Liga gekommen zu sein; zum anderen schadet es aber auch den Pelicans enorm, wenn sie diesen Maximal-Vertrag aushändigen müssen, die Cavaliers aber Irving für knapp zehn Millionen Dollar weniger halten dürfen.
Die Liga – vor allem aber Michele Roberts – muss sich eine Lösung für diese Problematik einfallen lassen. Was bisher noch gar nicht angesprochen wurde, aber in den weiteren Verhandlungen auf den Tisch kommen könnte, um alle Spieler zufrieden zu stellen, wären prozentuale Anpassungen aller Gehälter. Bisher ist unklar, ob dies laut dem CBA überhaupt möglich ist – selbst NBPA-Direktorin Roberts liest noch das jetzige und frühere CBA -, aber auf den ersten Blick klingt diese Lösung ziemlich gerecht. Sollte dies wirklich eine Option sein, sprächen wir 2016 von den katastrophalen Entscheidungen im Oktober 2014, als einige Franchises (Near-)Max-Deals ausgaben, weil sie dachten, sie hätten sich besonders gut für die Zeit nach 2016 positioniert.
Zumindest einen Elefanten im Raum wollen aber alle Beteiligten vermeiden: 2017 gäbe es für beide Parteien die Möglichkeit, aus dem CBA auszusteigen und neu zu verhandeln.
Lockout?
Bei Zach Lowe sprach Michele Roberts entschieden dagegen, dass man einen Lockout anstreben würde; laut ihr seien auch Adam Silver und die Besitzer nicht daran interessiert. Die Situation dürfte nach dem enormen Anstieg des BRI 2016 auch sehr entspannt sein, da von den neun Franchises, die momentan noch defizitär sind, sicherlich einige wieder schwarze Zahlen schreiben würden. Zudem sollten jeder Spieler im Schnitt auch eine Million pro Jahr mehr verdienen, wenn jede Franchise durch den Salary Floor investieren muss und wenn der Salary Cap um 11 bis 15 Mio. ansteigen würde.
Sollte man 2017 den Lockout wirklich abwenden können und die Aufteilung des BRI unverändert bleiben, würden wir sicherlich vor 2020 eine Salary Cap-Grenze von 100 Mio. fallen sehen. Das wären 40% mehr als zum jetzigen Zeitpunkt. Aber bis dahin muss erst einmal der lange Weg zur Zufriedenstellung aller Spieler gefunden werden, denn dies ist das größte Problem, das die NB(P)A hat – das viele Geld ist es sicherlich nicht.