NBA, Philadelphia 76ers, Salary Cap / CBA

Dead-line

Oder: Warum keine Nachrichten auch eine Nachricht sind

Oder: Warum keine Nachrichten auch eine Nachricht sind

Anfang Februar versprach ESPN-Analyst Chad Ford eine „epic trade deadline“. Im Nachhinein ist dagegen klar, dass nicht einmal Spieler von gehobenem Starter-Impact transferiert wurden – eine klare Fortsetzung, der Entwicklung des letzten Jahres. Damit stellt sich zwingend die Frage: Wieso ist der Markt zur Deadline so ausgetrocknet?

Kein Lärm um nichts

Die Trades der letzten Tage lassen sich im Prinzip in zwei Gruppen teilen. Zum einen ist das eine Anzahl kleinerer Transaktionen, also etwa von Salary Dumps beziehungsweise dem Erzeugen von Roster-Plätzen über den Tausch von schlechten Verträgen zu bestenfalls dem Füllen kleinerer Lücken in der Rotation. Die zweite, nicht komplett abzugrenzende Gruppe sind die diversen Trades rund um den Capspace der 76ers. Die Gemeinsamkeit der ersten Art ist, dass keines der Teams ein größeres Risiko eingeht, in den meisten Fällen aber entsprechend auch keine allzu großen Vorteile entstehen dürften. Einige, wie etwa der Tausch von Austin Daye und Nando de Colo durch Spurs und Raptors, dürften eher in Wochen- als in Jahresfrist schon wieder vergessen sein. Ähnliches gilt für die Trades der Clippers, die mit der Abgabe von Antawn Jamison und Byron Mullens für etwas Flexibilität sorgten. Auch Roger Mason Jr.s Abschied von den Heat dürfte lediglich für die Luxussteuerrechnung des Teams von Interesse sein.

Zumindest etwas mehr Bedeutung lässt sich für die Trades annehmen, die zumindest die Rotation von Playoffteams verändern könnten. Der Nets-Kings-Deal – Jason Terry und Reggie Evans für Marcus Thornton – tauscht zwei enttäuschende Spieler am Ende der Rotation gegen einen etwa gleich teuren Spieler am Ende der Rotation. Unter diesen Voraussetzungen haben die Teams praktisch nichts zu verlieren, was die Aktion durchaus sinnvoll erscheinen lässt. Bei einem Trade zwischen den sonst gerne belächelten Kings und Nets ist das auch auf gewisse Weise eine Nachricht wert.
In dieser Hinsicht unterhalten dafür Bobcats und Bucks: Milwaukee gibt Luke Ridnour und den Störfaktor Gary Neal für Ramon Sessions und Jeff Adrien ab. Für die Bucks erscheint das zumindest teilweise sinnvoll, weil sie eben Neal mit noch einem weiteren Vertragsjahr loswerden. Brauchbarer Gegenwert ist dabei allerdings Fehlanzeige, was für den weiteren Rebuild keine gute Nachricht ist. Auf der anderen Seite gibt Charlotte in Sessions den besten Spieler ab, um zwei enttäuschende Spieler aus dem schlechtesten Team der Liga aufzunehmen. Wieso sich die Cats davon einen Schub im Playoff-Rennen erhoffen, dürfte das Geheimnis von Michael Jordan bleiben.

Backups gefunden

Neben diesen Trades, bei denen eine größere Relevanz extrem überraschend wäre, sind immerhin noch zwei interessante Klein-Deals zu verzeichnen: Warriors und Wizards haben in Steve Blake beziehungsweise Andre Miller ihre Backup-Point Guards gefunden, und das in beiden Fällen sehr günstig. Für Golden State ist der ganze Preis eine verbrauchte Trade Exception und die mit viel Optimismus auf Seiten der Lakers als junge Talente zu beschreibenden Kent Bazemore und MarShon Brooks. Bei beiden Spielern laufen die Verträge am Ende der Saison aus, zudem zieht Brooks schon zum dritten Mal in unter einem Jahr um (Nets – Celtics – Warriors – Lakers). Trotz dieses eher bescheidenen Gegenwerts können die Lakers immerhin Luxussteuer-Einsparungen für sich verbuchen. Die Warriors erhoffen sich von dem Trade, mit der Rolle des Backup-Point Guards auch die Bank als Ganzes zu stärken – kein Luxus, nachdem die Bankproduktion bisher gerade für einen vorletzten Platz in den Punkten reicht, in anderen Kategorien ist sogar kein Team schlechter.

Nur einen Platz weiter oben stehen in dieser Hinsicht die Wizards, die Andre Millers Auseinandersetzungen mit den Nuggets für einen günstigen Trade nutzten. Fast alle Aussagen zum Blake-Trade lassen sich übertragen, hier ist das ‚Talent‘ mit auslaufendem Vertrag Jan Vesely, der 6. Pick von 2011. Als zusätzlichen Preis geben sowohl Denver als auch Washington noch je einen Zweitrundenpick an die 76ers ab, damit diese den bisherigen Wizard Eric Maynor aufnehmen. Die Nuggets füllten die schon länger praktisch vakanten Spielmacher-Minuten mit Aaron Brooks, der für Jordan Hamilton aus Houston kam, so dass letztendlich vor allem die Lösung des Konflikts mit Miller zu Buche steht. Für Wizards wie Warriors sind die Transaktionen immerhin als praktisch risikolose Trades zu verbuchen, die im Playoff-Rennen und möglicherweise auch in den ersten Playoff-Runden helfen sollten. Das ist zumindest mehr, als praktisch alle Konkurrenten in den letzten Tagen erreichten.

Assets sammeln in Philadelphia

Auch die Transaktionen rund um Philadelphia lassen sich auf einen recht knappen Nenner bringen: Viele Trades für wenige Assets – die Sixers haben insgesamt sechs Zweit-, aber keinen einzigen Erstrundenpick eingesammelt. Zwei der Picks kamen aus dem oben genannten Trade mit Maynor. Aus Sicht der 76ers fände dieser Deal sowie die bereits angesprochene Aufnahme von Mullens (zu bisher unklaren Pick-Bedingungen) ebenfalls in der oben angesprochenen Kategorie der risiko- und bedeutungsarmen Trades Platz. Auffällig ist aber wiederum: Kein Team war für finanzielle Erleichterungen bereit, zur Deadline Assets in größerem Maßstab abzugeben.

Interessanter sind die Trades von Hawes und Turner: Immerhin zwei von drei Spielern mit irgendeiner Art von NBA-Erfahrung sind die 76ers losgeworden, nur Thad Young wird jetzt zum Traum jedes Fantasy-Managers. Hawes ging für zwei Zweitrundenpicks an die Cavs, die noch mal Assets für wenige Monate eines Spielers abgaben. Praktisch alles, was hier zum Deng-Trade steht, gilt analog. Aus Sicht der 76ers sind die beiden Picks nicht viel, aber immerhin eine Form von fassbarem Gegenwert. Beim Turner-Trade ist die Ausbeute noch deutlich schwächer. Für den kommenden Restricted Free Agent und den auslaufenden Vertrag von Lavoy Allen erhalten die Sixers einen weiteren Zweitrundenpick und Danny Granger. Das einzig Positive trotz eines so teuren Spieler, der nicht in den Rebuild passt: Immerhin sind die 76ers so weit unter der Gehaltsuntergrenze für Teams gewesen, dass keine Mehrkosten entstehen.

Turnaround?

Die Pacers sind damit eines der wenigen Playoffteams, die zumindest versucht haben, sich zur Deadline zu verbessern. Die Betonung auf den Versuch ist bei Evan Turner klar angebracht: Weder ineffizientes Spiel bei einem der schlechtesten Teams der Liga noch ein eher unpassendes Skillset eines Spielers in der Entwicklung sprechen für eine zentrale Bank-Rolle bei einem Contender. Passend wäre eher der Trade für einen Veteranen, im Optimalfall als 3&D-Spieler – also das genaue Gegenteil von Turner. Zudem haben die Pacers die Gelegenheit verstreichen lassen, Salary-Balast für kommende Saison loszuwerden. Chris Copeland wirkt wie schon Gerald Green vor einem Jahr in seiner ersten Saison in Indiana als Fehlverpflichtung, und auch Ian Mahinmi ist klar überbezahlt für seine Leistungen, vor allem, falls Andrew Bynum seine Rolle übernehmen kann. Der Traumtrade für Indiana hätte also einen erfahrenen Wing ins Team gebracht, mindestens einen der unnötigen Backups abgegeben und somit einen neuer Vertrag mit Lance Stephenson einfacher gemacht.

Das ist nicht passiert, auch, weil eben wegen der nötigen Stephenson-Verlängerung die Flexibilität fehlt, langfristig Gehalt aufzunehmen. Indiana hat sich also auf die günstigste Möglichkeit gestürzt, die immerhin für diese Saison finanziell eine leichte Verbesserung darstellt. Bleibt also die Abwägung, ob eher Granger oder Turner sportlich weiterhelfen – vermutlich ist der Unterschied minimal, da beide kaum prägenden Einfluss gehabt hätten.

Soviel zu den diversen kleineren Trades – festzuhalten bleibt damit: Zum zweiten Mal in Folge war zur Deadline kein Team bereit, für spielerische Upgrades oder Gehaltseinsparungen tief in die Tasche zu greifen. Selbst Assets wie Emeka Okafors auslaufender Vertrag wurden nicht eingesetzt, wohl, weil einfach der Markt fehlte. Die allgemeine Zurückhaltung ließ sich nur durch die zwei beschriebenen Szenarien aufbrechen: Zum einen hat die Anhebung des minimalen Teamgehalts im neuen Collective Bargaining Agreements (CBA) zumindest teilweise funktioniert. Die 76ers waren das aktivste Team der Deadline, nicht nur, weil sie ihre Veteranen noch in Picks verwandeln wollten, sondern auch wegen des verfügbaren Capspaces. Allerdings hat die Regelung einige andere Teams dazu gebracht, schon von Saisonbeginn an mehr auszugeben und somit eventuell mehr Bewegung in der Saison verhindert.

Daneben bleiben nur Trades der low risk, low reward-Kategorie – für einen Trade Daye gegen de Colo wird sich vermutlich keiner der beiden GMs Vorwürfe machen lassen müssen. Um die Ausgangsfragestellung nach der ereignislosen Deadline zu klären, stellt sich also vor allem die Frage, was Manager so risikoscheu gemacht hat.

Risk is no Fun?

Zwei zentrale Diskussionsansätze in diese Richtung sprechen Bill Simmons und Zach Lowe in diesem Grantland-Artikel an. Der Erste: Das Team komplett zu demontieren und dann von Grund auf neu aufzubauen, sichert den GMs ihre Jobs. Wer den Teambesitzer davon überzeugt, erst einige Jahre verlieren zu müssen, sollte zumindest so lange seinen Job sicher haben. Mit OKC steht ein Beispiel bereit, dass der Ansatz funktionieren könnte – und falls die eigene Unfähigkeit sich durchsetzt, haben sich immerhin schon einige Gehaltsschecks angesammelt.

Das zweite Argument ist die steigende Bedeutung von Picks, die damit direkt in Zusammenhang steht: Assets sammeln ist der erste wichtige Teil eines Komplettrebuilds. Durch Teams wie eben OKC oder auch die Spurs mit ihren erfolgreichen späten Picks werden Draftrechte extrem hoch eingeschätzt. Die festen und sehr günstigen Gehälter (z.B. nur gut 3,2 Millionen Dollar für Paul George) sowie die mögliche langfristige Bindung durch die Restricted Free Agency machen selbstgedraftete Spieler zum Traum jedes GM.

Ein weiteres Argument findet sich noch in den vielen Picks, die durch Protection langfristig gebunden sind. Die Regel, dass jedes Team alle zwei Jahre einen Pick haben muss, verhindert weitere Trades: Die Mavs könnten etwa einem Tradepartner nicht garantieren, dass er vor 2020 (!) einen Pick erhält – ähnliches gilt für Pacers, Grizzlies, Heat, Blazers und Wizards; zuzüglich noch etwa New Yorker Teams, die diverse Picks abgeben haben, noch gar nicht mit einbezogen. Praktisch nur Franchises, die sich trotz Playoffchancen in einer Art Rebuild befinden (z. B. Suns, Hawks) oder traditionell zurückhaltend mit dem Traden von Picks sind (z. B. Spurs, Thunder), haben ihre Picks komplett verfügbar. Zumindest teilweise fehlt also nicht nur der Wille, sondern schlicht die Möglichkeit.

Planung für Fortgeschrittene

Daneben ist aber ein weiterer, mit den genannten Faktoren zusammenhängender Erklärungsansatz interessant, der kaum Beachtung findet: Die im neuen CBA gekürzten Verträge führen zu einem Paradox zwischen kurz- und langfristiger Planung. Statt sechs Jahren für Free Agents mit Bird-Rechten, die auch per Sign-and-Trade weitergegeben werden konnten, sind jetzt fünf (beziehungsweise nur vier Jahre bei einem Teamwechsel) möglich. Dieser, vor allem für Stars ausgeschöpfte Rahmen, zieht wiederum noch kürzere Verträge für Komplementärspieler nach sich. Teams mit Veteranen können also nur noch extrem kurzfristig planen, weil praktisch jede Saison der Vertrag eines Schlüsselspielers ausläuft.

Dem entgegen stehen die bereits angesprochenen Rookie-Verträge, die mit RFA-Verlängerung bei Spielern wie etwa Anthony Davis de facto acht Jahre für die Franchise garantieren. Auch die Draft-Protections laufen oft deutlich länger als die dafür ertradeten Spieler bei ihrem neuen Team bleiben, das Extrembeispiel wieder: Lamar Odoms fast schon vergessenes – oder gar: verdrängtes – Jahr bei den Mavs könnte OKC im Jahr 2018 einen ungeschützten Pick bescheren. 

Die Manager scheinen mit diesen Diskrepanzen noch zu kämpfen, und der sicherste Weg ist momentan das Stillhalten. Die – sicher nicht unberechtigte – Kritik und Häme für die spendableren Big-Market-Teams zeigt, dass andernfalls das Risiko eines Ausverkaufs droht.
Um zur Deadline zurückzukommen, noch eine Auffälligkeit als Beleg: Fast alle im Lauf der Saison getradeten Impact-Spieler hatten auslaufende Verträge; neben den aktuellen Fällen Hawes, Turner, Granger und Blake trifft das auch für Luol Deng und Marcin Gortat zu. Das ist deutlich als Extremfall kurzfristiger Planung nachzuvollziehen, während umgekehrt die langfristigen Assets gehalten werden.

Ob also in den nächsten Jahren wieder mehr ‚epische‘ Trades zu sehen sind, darf bezweifelt werden – inwieweit das eine negative Entwicklung ist, muss jeder NBA-Fan selbst entscheiden. Zumindest in diesem Jahr wurde die Deadline jedoch größtenteils als langweilig und enttäuschend wahrgenommen, so dass die Einschätzung eher in Richtung eine Verschlechterung durch das neue CBA gehen dürfte.

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