New York Knicks

Empire STAT of mind

3-0. Bester Start in diesem Jahrtausend. Die New York Knicks haben mit Siegen über zwei Anwärter auf Heimrecht in Runde eins der Playoffs im Osten ein Ausrufezeichen gesetzt. Carmelo Anthony überzeugt vor allem durch Einsatz, die fast komplett neue Guard-Rotation sorgt bisher für Ruhe im Aufbau. Man ist zufrieden mit dem Team. Wenn da nicht das Damokles-Schwert in Form von Amar’e Stoudemires Comeback in 6-8 Wochen über dem Team schweben würde. Dabei fing alles so hoffnungsvoll an.

STAT City

“In New York, concrete jungle
where dreams are made of

There’s nothing you can’t do,
now you’re in New York”
– Alicia Keys

Wir schreiben den “Decision”-Sommer. LeBron James wird in einigen Tagen verkünden, dass er Dwyane Wade und Chris Bosh nach Miami folgen wird, um bald seinen ersten Ring gewinnen zu können. Derweil ist in New York bereits der neue Heiland eingetroffen. Amar’e Stoudemire unterschrieb am 8.7.2010 einen 100 Millionen Vertrag über fünf Jahre bei den Knickerbockers, um das Kapitel Phoenix zu schließen und gleichzeitig das Gesicht in Manhattan zu werden. STAT City war die ausgemachte Parole, Stoudemire der Franchise Player. Und Stoudemire lieferte ab. Im Dezember konnte der Power Forward der Knicks 30/10 bei fantastischen 53% aus dem Feld im Schnitt auflegen. Nach 30 Spielen führt Stoudemire das MVP-Ranking des Bleacher Reports an. Vor Kobe Bryant. Vor Chris Paul. Vor LeBron James.

“These streets will make you
feel brand new

Big lights will inspire you,
let’s hear it for New York”
– Alicia Keys

Stoudemire wirkte wie neu geboren, hatte zu diesem Zeitpunkt der Saison 26/8,5 und 2 Blocks pro Partie abgeliefert, die Knicks 18 ihrer 30 Spiele gewonnen. Stoudemire ist der unumstößliche Leader des Teams, das harmonisch wirkt und durch Einsatz, personifiziert durch Rookie Landry Fields, einige Überraschungssiege einfährt. Das erste Mal seit sechs Jahren sind die Playoffs wieder realistisch. New York träumt sogar von einer zweiten Runde, Conference Finals und Finals.

Die Playoffs erreicht das Team auch, in der ersten Runde ist jedoch sang- und klanglos Schluss. Viel wichtiger ist aber die teamimmanente Änderung, die bis zu diesem Zeitpunkt eingetreten ist. Das Team, das so erfolgreich und mannschaftsdienlich zusammen agierte, ist auseinandergerissen worden. Dafür ist nun Carmelo Anthony zu Hause angekommen und trägt ebenfalls ein Trikot der Knicks. STAT & Melo (wie ein Track von Judge auf den “Black & Yellow“-Hit Wiz Khalifas frohlockt ) sollten gemeinsam die Knicks wieder zum Mekka des Basketballs machen.

Die Realität sieht anders aus. Seit dem Trade konnten die Knicks in der Regular Season 14 Spiele gewinnen, verloren aber ebenso viele. Dazu kommt der Sweep durch die Celtics in der ersten Runde. STAT & Melo brachten den Knicks nicht den ersten Zweitrundeneinzug seit den vergötterten 99-00er Knicks um Patrick Ewing, Latrell Sprewell und Allan Houston ein – ja nicht einmal einen Sieg innerhalb der Serie. Erste Fragen bezüglich der Kompatibilität Stoudemires und Anthonys entstehen. Wessen Team ist dies überhaupt?

STAT & Melo (& Lin … & Chandler?)

Die Lockout-Saison sollte eigentlich der Gradmesser für eine Kooperation zwischen Stat & Melo werden. Die größte Schlagzeile der Saison schrieb jedoch in New York ein anderer: Harvard-Student Jeremy Lin sprang für die verletzungsgeplagten Knicks ein und läutete die Linsanity ein. Das Fazit zu Anthony und Stoudemire blieb hingegen weiter offen. Anthony verpasste 7 Spiele, bei Stoudemire sind es sogar 15. In den Playoffs gelang dann jedoch ein erster Erfolg: gegen den späteren Champ aus Miami gewann man ein Spiel.
Zu wenig für die Knicks-Fans. Zu wenig auch für das Team, das mit Tyson Chandler den Defensive Player of the Year stellen konnte, und trotzdem chancenlos gegen LeBron, Wade & Bosh war. Chandler als Defensivanker sollte Stoudemire eigentlich einen kaum gekannten Freiraum verschaffen, indem der Meister aus Dallas sich für die Defensive verantwortlich zeichnen und Stoudemire somit noch mehr Kraft in der Offensive ermöglichen sollte. Doch das Experiment scheiterte. Nicht wegen Chandler, auch nicht wegen Stoudemire. Es ist die Teamzusammenstellung, die nicht mehr erlaubt. Heimlicher Team-MVP werden nicht Anthony oder Stoudemire, sondern Chandler. Die Knicks erzielen die fünftbeste defensive Effizienz der Liga. Es ist die Offensive, die nicht funktioniert. Dort ist man nur graues Mittelmaß. Trotz – oder wegen ? – Anthony und Stoudemire.

S.T.A.T. : Saviour, Teamleader, All-Star – Trade candidate?

Die diesjährige Saison sollte den endgültigen Beweis liefern. Mit Jeremy Lin wurde ein balldominanter Point Guard ziehen gelassen, obwohl dieser – wie Neuzugang Raymond Felton – ein guter Pick & Roll-Guy für Amar’e Stoudemire war. Feltons Usage-Rate sollte jedoch niemals die Lins erreichen. Stoudemire neben Anthony, noch immer eine Vorstellung, die in Verbindung mit Chandlers Defensivfähigkeiten beunruhigen sollte. Doch auch in diesem Jahr wird das Experiment wohl zu keinem Ergebnis führen: Amar’e Stoudemire kuriert eine Verletzung seines linken Knies aus. Stoudemire soll nach der Operation am 31.10. zwischen sechs und acht Wochen ausfallen. Damit wird er ein gutes Stück der Saison verpassen. Gerade diese Knie sind dafür verantwortlich, dass keine Versicherung mehr Stoudemires Vertrag über 100 Millionen Dollar versichern wollte. Die Knicks zahlen also jede Ausfallzeit Stoudemires aus der eigenen Tasche.

Selbst wenn Stoudemire ein Tradekandidat wäre – wer sollte denn das Risiko eingehen, 60 vollgarantierte Millionen Dollar aufzunehmen, die die Franchise selbst zahlen müsste? Normalerweise kommen dort nur big markets in Frage, die sich erhoffen, dass man dort für eine größere Payroll mehr Erfolg einkauft. Doch wann war Stoudemire denn das letzte Mal so fit, dass er in den Playoffs abliefern konnte? Augen OP, Rückenprobleme, nun wieder das Knie. Stoudemire ist einfach ein zu großes Risiko, denn der Gegenwert muss ja captechnisch auch passen. Sollten die Lakers Gasol für Stoudemire aufgeben? Die Heat einen der big 3? Die Clippers Blake Griffin? Jerry Reinsdorf in Chicago ist zudem allergisch gegen die Luxury Tax.

Empire STAT of mind?

Was sind dann die Optionen für Knicks? Vor allem sind sie eng umrissen. Stoudemire ist kein Trade Asset aufgrund der Vertrags- und Versicherungsoption. Stoudemire ist momentan auch keine Hilfe für ein Team: Er ist verletzt. Die Option der Knicks liegt einzig darin, eine Rotation aufzubauen, die sowohl Stoudemire als auch Anthony genügend Touches gibt, um effektiv zu sein. Und diese Möglichkeit besteht – zweifelsohne. Zunächst muss sichergestellt werden, dass Stoudemire jede verfügbare Minute auf dem Feld steht, in der Anthony auf der Bank sitzt. Zieht man die Zahlen der letzten Saison heran, wären dies 14 Minuten, wo man mit Felton und Stoudemire das Pick & Roll laufen könnte. In der Zeit mit Anthony sollte man überlegen, ob es nicht hilfreich wäre, wenn Stoudemire für 5-10 Minuten als Smallball-Center aufläuft, um Anthony weiterhin das Mismatch auf Power Forward anzubieten. Das Lineup wäre natürlich anfällig in der Defensive, aber müsste in dieser Zeit den Gegner ausscoren. Das wären im besten Fall 24 Minuten für Amar’e Stoudemire, vielleicht gar verbunden mit einer Bankrolle, um Anthony konstant die Möglichkeit zu geben, auf Power Forward agieren zu können. Mehr wäre angesichts der Tatsache, dass mit Tyson Chandler ein Defensivanker zwingend gebraucht würde, nicht möglich. Ist dies genug für die Knicks? Für Stoudemire?

Dazu sollte man auch hinterfragen, welchen sportlichen Wert die Knicks zurückerhalten, wenn sie Stoudemire veräußern. Denn wieso sollten die Knicks Stoudemire verschenken? Weil sie es sich nicht leisten könnten, Stoudemire zu zahlen? Sicherlich nicht. Der einzig denkbare Grund wäre, dass Stoudemire mit seiner (neuen) Rolle im Team nicht zufrieden wäre und es zu Unstimmigkeiten im Team käme. Dann wäre ein Trade der letzte Ausweg. Ansonsten sollten die Knicks Stoudemire auch nicht ohne Gegenwert abgeben. STAT kann noch immer produzieren, es fehlt nur die klar definierte Rolle des Power Forwards.

Retrospektiv könnte man zudem hinterfragen, ob die Amnestierung Chauncey Billups ein Fehler war. Die oberflächliche, populistische Antwort müsste “ja” lauten. Man hätte Chauncey Billups’ Vertrag erst gar nicht verlängern sollen, dann wäre eine Verpflichtung Tyson Chandlers möglich gewesen und des Problems Stoudemire hätte man sich durch die Amnesty Clause entledigen können, richtig? Falsch. Zunächst wird nicht bedacht, dass Billups’ Vertrag für die kommende Saison mit drei Millionen Dollar garantiert war. Die Knicks haben mit der Verlängerung und der Amnesty drei Millionen Dollar Cap freigemacht – wohl die Summe, die Chandler überzeugte, in New York  zu spielen.

Zudem ist eine Amnestierung Stoudemires zum einen keine wirtschaftliche Lösung (man spart gerade mal die Luxury Tax ein; das Gehalt müsste weiter gezahlt werden), zum anderen ist es sportlich auch schlichtweg falsch, sich von einem Spieler wie Stoudemire ersatzlos zu trennen. In dieser Offseason haben die Houston Rockets und vor allem die Philadelphia 76ers vorgemacht, wie man die Amnesty Clause nicht nutzen sollte. Die Rockets hätten mit Luis Scola und Kyle Lowry trotzdem genug Assets für James Harden gehabt, sodass ein Core Lowry – Harden – Scola ein noch besseres Abschneiden in dieser Saison ermöglicht hätte. Schaut man auf die Philadelphia 76ers, ist die Amnestierung Brands ein noch fatalerer Move. Wenig später entschied man sich dafür, Andre Iguodala für Andrew Bynum einzutauschen. Elton Brand wäre der beste Fit, den man neben Bynum auf dem Feld gebrauchen kann: Er agiert aus dem High Post, verteidigt und ist erfahren, um ein Team zu führen, kurz: die beste Ergänzung neben Bynum. Stattdessen hilft er nun den Mavs, konkurrenzfähig zu bleiben und die Playoffs zu erreichen – für ein unverschämt kleines Gehalt.

Exakt dies würde mit Amar’e Stoudemire auch passieren. Er würde zu einem Team unter dem Salary Cap kommen, für 2-3 Millionen pro Jahr – für drei weitere Jahre. Die Knicks würden den Restbetrag die restliche Zeit zahlen müssen, dafür, dass Stoudemire bei einem ambitionierten Team aufläuft und vielleicht in einer größeren Rolle wieder voll aufgeht, um das neue Team mit in die Playoffs zu führen. Eine Amnestierung eines überdurchschnittlichen Spielers hat einfach weder wirtschaftlich noch sportlich für die Knicks irgendeinen Sinn. Stoudemire sollte nur für einen adäquaten Gegenwert abgegeben werden, den die Knicks aber nicht bekommen werden.

Still STAT of the art?

“One hand in the air for the big city
Street lights, big dreams all looking pretty
No place in the world that can compare
Put your lighters in the air, everybody say yeah”
– Alicia Keys

Auch im dritten Jahr wissen die Knicks nicht, was sie an Stoudemire haben. Einen MVP-Kandidaten wohl nicht mehr. Einen All-Star? Nur einen Rollenspieler? Wie kommt Stoudemire nach seiner Operation überhaupt zurück? Die New York Knicks werden es herausfinden, denn traden werden und können sie Stoudemire nicht. Dazu geben weder der Markt noch der Wert Stoudemires etwas her. Es liegt an Stoudemire selbst, zu beweisen, dass er für ein Team auch zurückstecken und dem Team dadurch helfen kann. STAT City gibt es nicht mehr, aber STAT & Melo (& Chandler) könnten weiterhin ein Erfolgsmodell sein. Mit einem erfüllten Traum in einer unvergleichlichen Stadt. Put your lighters in the air – und hofft, dass Stoudemire wieder Leistungen bringen kann, denn nur mit Stoudemire haben die Knicks gute Chancen auf die zweite Runde der Playoffs.

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