Uns erreichte per Mail folgende Frage:
„Und hier mal ein paar Facts zum Melodrama:
Nuggets since trading Anthony: 16-4 (dabei wurden die Celtics, 2x Hawks, Hornets, Spurs und Lakers besiegt und kein Spiel mit mehr als 6 Punkten verloren und die Gegner hießen Miami, Orlando, Portland und Clippers bei den Niederlagen)
before: 31-25Knicks since getting Anthony: 10-12 (mit 2 peinlichen Niederlagen gegen die Cavs und zweien gegen die Pacers sowie Bucks und einer gegen die Pistons)
before: 28-26was sagt ihr dazu?“
Über die Vorgeschichte des Trades muss hier nichts mehr geschrieben werden, das wurde von uns schon ausgiebig analysiert und diskutiert. Wieso die Knicks in der Anfangsphase solche Probleme hatten und wieso Denver – nun quasi ohne einen einzigen legitimen Star – so erfolgreich spielte und spielt, soll im Folgenden diskutiert werden.
Die Bilanzen seit dem Trade
Die Leistungen den New York Knickerbockers glichen seit dem Trade einer Achterbahnfahrt, die mangelnde Konstanz rief einiges an Kritik auf den Plan. Die Knicks verloren und gewannen in ihren ersten zwölf Spielen jeweils sechs Partien. Einer Serie von sechs Niederlagen folgte eine Serie von sieben Siegen in Folge. Die Leistungen waren also alles andere als beständig. Am Ende steht seit dem Melo-Trade eine Bilanz von 14-14, davor stand man bei 28-26, rein auf die Bilanz beschränkt, hat sich das Team also verschlechtert.
Die Denver Nuggets überraschten mit ihrem Erfolg hingegen jeden. Wohl kaum jemand hätte eine solche Steigerung erwartet, auch wenn man mit Felton, Chandler und Gallinari drei Hochkaräter erhielt, die auch bis zum Zeitpunkt des Geschäfts eine super Saison spielten. Das Team um Trainer George Karl verlor nur sieben Partien und gewann 17, darunter Duelle bei den Lakers und Mavericks und gegen die Boston Celtics, letzteres direkt am Tag nach dem Trade.
Was bei den unterschiedlichen Leistungen beider Teams auffällt, ist, die Art und Weise, wie gewonnen bzw. verloren wurde. New York besitzt individuell unbestreitbar die größere Klasse. Carmelo Anthony und Amar’e Stoudemire sind beide in der Lage, Spiele im Alleingang zu gewinnen und sind nicht unverdient All-Star-Starter geworden. Die Niederlagen der Knicks sind aber auch individuellem Versagen zuzuschreiben. Wenn Carmelos Jumper nicht fällt, verlieren die Knicks mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit.
Quasi das Gegenteil dazu zeigen die Denver Nuggets. Sie sind offensiv potent und belegen im Offensive-Rating mit 112.3 Punkten pro 100 Ballbesitzen den ersten Platz in der gesamten NBA. Was jedoch ihre wahre Stärke ist, ist ihre mannschaftliche Geschlossenheit, der Teambasketball, das Ballmovement, die Vielseitigkeit, die ihnen diesen tollen Lauf ermöglicht hat.
War der Trade ein Fehler?
Ist Carmelo Anthony also überbewertet? Hat Donnie Walsh, der General Manager der Knicks, einen Fehler gemacht und zu gutes Spielermaterial in die Rocky Mountains verschifft? Generell ist zu sagen, dass die Mannschaft, die einen Superstar wie Anthony auf seinem Leistungszenit erhält, keinen Fehler gemacht haben kann. Die Startschwierigkeiten lassen sich anders erklären.
“Seven Seconds or less” – oder das “Anti-Melo”-System
Um zu verstehen, wieso Anthony anfangs im Spielsystem von Offensivguru Mike D’Antoni noch nicht klar kam, muss man wissen, wie der neue Knickerbocker spielt. Anthony ist einer der begnadetsten Scorer der Liga. Sein Karriereschnitt von 24,76 Punkten pro Spiel reicht für den vierten Platz unter den aktiven Spielern (hinter LeBron James, Dwyane Wade und Kobe Bryant) und ist mehr als ansehlich. Seine Wurfquoten über seine Laufbahn sind mit 45,8% aus dem Feld, 31,6% von der Dreier-, sowie 80,5% von der Freiwurflinie absolut in Ordnung und gehören zum oberen Feld der NBA. Anthony kann im Schlaf scoren, was unter anderem sein 33-Punkte-Viertel 2008 eindrucksvoll bewiesen hat.
Was jedoch die meisten nicht wissen, ist, dass Carmelo Anthony auch einer der elitärsten Ballstopper der NBA ist. Anthony ist, vielleicht nur hinter Joe Johnson, der Spieler, der den Ball am häufigsten bekommt und die meiste Zeit der 24-Sekunden-Uhr verstreichen lässt. Er bekommt den Ball auf dem Perimeter/Flügel, bringt ein paar Jabsteps und sucht sich dann die Möglichkeit, um zu punkten. Funktionierte dies unter George Karl noch gut, zeigt sich bei D’Antonis System in New York nun Melos Schwäche.
Die berüchtigte „Seven Seconds Or Less“-Offensive, die die Phoenix Suns früher so spektakulär und erfolgreich gemacht hat, verlangt eine schnelle Rotation des Balles, um die Defense auseinander zu ziehen und so Löcher zu reißen. Entweder wird der Ball im hohen Pick-and-Roll zum Angriff verwertet oder der offene Mann am Flügel oder in der Ecke für einen Dreier gefunden.
Nicht so bei Anthony. Dieser hatte anfangs gewaltige Probleme, seine Mitspieler zu involvieren und den Ball rotieren zu lassen. Einzelaktionen, die zwar dank Melos offensiver Potenz häufig funktionierten, aber das System behinderten, waren das Resultat. Das Ganze darf allerdings andererseits auch nicht überbewertet werden. Im Team USA hatte Melo bereits 2008 gezeigt, dass er mit D’Antonis Offensivsystem klar kommen und punkten kann. Momentan funktioniert es allerdings für den Teamerfolg nicht und das liegt vor allem an etwas anderem: Defense.
Defense – In New York verzweifelt gesucht; in Denver auf dem Vormarsch
Dass brauchbare Verteidiger in New York Mangelware sind, ist kein Geheimnis, die bekannte Verteidigungsallergie von Anthony und Stoudemire auch nicht. Und wie wir alle wissen, besagt eine alte (wenn auch unbestätigte) Basketballweisheit: „Defense wins championships“.
Im Spielsystem der Knicks wird Defense kleingeschrieben. Ein Offensivfeuerwerk soll abgebrannt werden, um die Gegner einfach auszuscoren. Theoretisch ist dies in Ordnung, da man mit Stoudemire, Anthony und auch Billups sichere Schützen hat, die durchaus genug Punkte auf die Tafel zaubern können. Was passiert aber, wenn der Ball mal nicht fällt? Dann steckt New York in gewaltigen Problemen.
Mannschaften wie die Celtics und die Heat können ihre Gegner mit ihrer Defensive ersticken, New York ist dies keineswegs möglich. Wenn man sich folgende Statistiken als Vergleich zwischen Denver und New York ansieht, wird ersichtlich, wer momentan den besseren Basketball spielt:
Offensive Effizienz | Defensive Effizienz | Punktedifferenz | |
Denver | 109,5 | 104,8 | 4,68 |
New York | 108,3 | 106,9 | 1,42 |
Was aus diesen Statistiken ersichtlich wird, ist, dass die Knicks offensiv nicht schlecht sind, defensiv jedoch katastrophal und keine „stops“ bekommen, wenn sie sie brauchen. Gegen starke Verteidigungen wie Miami, Boston, Chicago und Orlando fallen die Bälle nicht durch die Reuse, was ihnen ihr gesamtes Spielkonzept entzieht und somit nahezu keine Möglichkeit auf einen Sieg lässt.
Denver hingegen ist in allen drei Kategorien besser. Sie scoren effizienter und lassen denfensiv weniegr Punkte zu, was zu einer höheren Punktedifferenz führt. Die Nuggets können Spiele also auch durch ihre Leistungen in der eigenen Hälfte gewinnen und sind nicht zu 99% auf den Angriff angewiesen, wie es die Knicks sind.
Fazit: Kommt Zeit, kommt Rat
Fans der Knickerbockers müssen sich noch keine großen Sorgen machen. Die Knicks fanden gegen Ende der regulären Saison immer besser ihren Rhythmus und gewannen schließlich auch sieben Spiele in Folge, was eindeutig für eine rosige Zukunft spricht. Schafft es D’Antoni in New York auch nur annähernd so etwas wie eine defensive Identität zu implementieren (beispielsweise durch eine Verpflichtung eines Centers in der Offseason), werden die Knicks sicherlich für die nächsten Jahre eines der Topteams im Osten werden. Zwar müssen einige Baustellen im Kader verbessert werden, aber das Gerüst ist vielversprechend.
Vielversprechend sind die Nuggets hingegen jetzt schon. Eine heiß erwartete Playoff-Serie gegen die Oklahoma City Thunder steht an und in den Rocky Mountains wird momentan vielleicht mit der schönste Basketball der NBA gespielt. Sie besitzen einen tollen Nukleus von jungen Spielern – der aber auch bezahlt werden muss. In dieser Postseason wird man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das letzte Mal alle Puzzelteile zusammen gesehen haben, denn ind er Offseason müssen einige Spieler verlängert werden. Dass Denver diesen Kader zusammenhält, erscheint unwahrscheinlich, da er zu viel kosten, aber kein Contender sein wird.
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