Warum die kleineren Transaktionen zur Deadline nicht unterschätzt werden sollten
Caleb Swanigan für Skal Labissière – dieser Trade der Blazers und Kings dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach die NBA-Landschaft praktisch überhaupt nicht beeinflussen. Rückblickend könnte man das beispielsweise mit ziemlicher Sicherheit für den Tausch von Nando de Colo und Austin Day zwischen Spurs und Raptors sagen, der zur Deadline 2014 passierte. Beide Spieler verabschiedeten sich wenig später aus der NBA. Jedes Jahr erfolgen zudem Trades ausschließlich aus finanziellen Gründen, in denen Spieler vom neuen Team unmittelbar entlassen werden. Wieso sollte man solchen Transaktionen besondere Aufmerksamkeit schenken?
Die Antwort ist: Tatsächlich verdienen nicht alle kleinen Trades echte Aufmerksamkeit. Aber es gibt genug Deals ohne Erstrundenpicks und mit einem Gehaltsvolumen von um die 10 Millionen Dollar, die erheblichen Einfluss auf die Entwicklung einer Franchise haben. Die aktuelle Deadline zeigt einige Beispiele, besonders, wenn man frühere Trades dieses Jahres miteinbezieht. Oft erzeugt eine unglückliche Transaktion die Notwendigkeit, weitere schwere Entscheidungen zu treffen. Zwei besonders auffällige Fälle, wie es richtig laufen kann und wie nicht, lassen sich an Clippers und Grizzlies beziehungsweise an Bucks, Pelicans und Wizards demonstrieren.
Fall 1: Die Trades von Bucks, Wizards und Pelicans
Zwischen den Front Offices in Milwaukee und Washington scheint es recht gute Beziehungen zu geben. Obwohl man (zumindest nach Wizards-Hoffnungen) in einem Konkurrenzverhältnis um die Playoffplatzierungen stand, tradeten die beiden Teams im Herbst zweimal miteinander. Beide Male ging es in erster Linie um die Payroll der Wizards. Zuerst wurden sie unmittelbar vor Saisonbeginn Jodie Meeks für einen kompliziert geschützten Zweitrundenpick los. Anfang Dezember stiegen die Wizards in den Hill-Trade der Bucks mit Cleveland ein, indem sie das Gehalt von Jason Smith für einen Zweitrundenpick abluden. Der Big spielte wie zuvor Meeks kaum noch eine Rolle in der Rotation, so dass der Trade auch Sinn ergab, ohne dass die Wizards echte Verwendung für den aufgenommenen Sam Dekker hatten. Immerhin konnte Ernie Grunfeld so die Luxussteuerrechnung der Franchise so reduzieren, ohne wichtige Assets abzugeben oder das Team sportlich zu schwächen. Daher sahen die Entscheidungen noch vertretbar aus. Schließlich muss jeder General Manager den finanziellen Vorgaben der Besitzer Folge leisten, die verständlicherweise kaum für nicht benötigte Spieler tief in die Tasche greifen wollen.
Dass die Verträge der von Jodie Meeks und Jason Smith vermutlich von Anfang an Fehler waren, soll hier nicht weiter diskutiert werden – passt aber in das Bild, dass die Wizards in den letzten Jahren abgegeben haben. Es ist typisch für die NBA, dass frühere Fehler teuer ausgeglichen werden müssen, was nicht selten erneut falsche Entscheidungen bedeutet. Richtet man den Blick nur auf diese Saison, ist die Wizards-Abfolge an Transaktionen jedoch bemerkenswert: In den angesprochenen kleineren Trades wurde man Gehalt los, ohne jedoch wirklich unter die Steuergrenze zu fallen. Der Tausch von Austin Rivers und Kelly Oubre für Trevor Ariza half in dieser Hinsicht ebenso wenig weiter, kostete allerdings in dem erst 23-jährigen Oubre ein weiteres Asset. Zur Deadline wurde schließlich Otto Porter für eine minimale Gehaltsersparnis, einen Second 2023 und zwei begrenzt überzeugende jüngere Spieler mit auslaufenden Verträgen (Jabari Parker und Bobby Portis) gedumpt. Zudem schickte GM Ernie Grunfeld Markieff Morris mit einem weiteren Zweitrundenpick für den etwas günstigeren Wes Johnson nach New Orleans. Damit gelangte das Team gerade noch unter die Tax – bezahlte aber insgesamt einen hohen Preis. Selbst wenn der Porter-Trade aufgrund der langfristigen Gehaltsersparnis ausgeklammert wird, bleibt ein klares Minus an Assets ohne sportlichen Gegenwert. Insgesamt drei Zweitrundenpicks mussten die Wizards letztendlich abgeben. Angesichts der Kombination von John Walls Vertrag und seiner Verletzungsprobleme könnte das Team so drei Wahlrechte in den 30ern verlieren.
Bemerkenswerterweise landeten letztendlich alle drei Picks in New Orleans. Der Morris/Johnson-Swap stellte den direkten Weg dar, indirekt gingen die weiteren Picks über Milwaukee und Cleveland an die Pelicans. Die Bucks konnten die von den Wizards eingesammelten Seconds mit einigen weiteren Assets für Nikola Mirotic einsetzen. Der unzufriedene Thon Maker ging nach Detroit, Stanley Johnson stattdessen nach New Orleans. Auch Jason Smith war als Salary Filler wieder in den Trade eingebunden. Den Bucks gelang es somit, ihren recht überschaubaren Platz unter der Tax in einen Großteil des Pakets für Mirotic umzuwandeln. Für einen etablierten Starting-Stretch Big wäre ein Erstrundenpick ein durchaus realistischer Preis gewesen – aber der Trade ergab für die Pelicans trotzdem Sinn, weil die Seconds der Wizards aus den beschriebenen Gründen ihren Wert haben. Angesichts der schwierigen Situation um Anthony Davis war das Gesamtergebnis für New Orleans sogar mehr als brauchbar für einen Spieler mit auslaufendem Vertrag. Der Mirotic-Trade und der Johnson/Morris-Tausch sollten es nicht gewesen sein, die Pelicans-GM Dell Demps letztendlich den Job kostete (stattdessen wäre praktisch jede andere Entscheidung seit dem Davis-Draft zu kritisieren).
Insgesamt sehen die Wizards wie die klaren Verlierer dieses Transaktionsnetzes aus: Sie haben gerade einmal um die 10 Millionen Dollar an direkten Gehältern gespart, dafür aber den besten Spieler (Porter), das beste Asset (Oubre) und diverse Seconds abgeben müssen. Die Pelicans haben für ihre Expirings einen Großteil des Gegenwerts erhalten, die Bucks bekommen – wenn Mirotic wieder fit ist – einen weiteren Baustein für die wichtigste Phase der Saison.
Fall 2: Grizzlies und Clippers
Ein recht ähnliches Beispiel zeigt sich mit Clippers und Grizzlies als auffälligsten Akteuren. Memphis war wie die Wizards schon vor diesem Trade aktiv, indem sie erst im Sommer Garrett Temple, dann als mitten in ihrer Schwächephase Justin Holiday für Zweitrundenpicks verpflichteten. Beiden Entscheidungen kann man die sportliche Logik nicht absprechen, anders als in den Trades der Wizards ging es hier nicht um Tax-Vermeidung. Wie der Absturz der Grizzlies in den letzten Monaten zeigt, hielt sich der Erfolg der Maßnahmen jedoch stark in Grenzen. Stattdessen fehlen jetzt – wieder ähnlich wie den Wizards – drei Picks, die angesichts der schwierigen sportlichen Situation vermutlich am Anfang der zweiten Runde gelandet wären. Diese Problematik lässt sich sogar noch länger zurückverfolgen: Zur letzten Deadline behielten die Grizzlies trotz der sportlich aussichtslosen Situation Tyreke Evans, statt ihn an ein Playoffteam abzugeben. Der damals berichtete Grund war, dass keiner der Interessenten einen Erstrundenpick bezahlen wollte. Aber: Hätten die Grizzlies damals einige brauchbare Seconds eingenommen, wären die Tradepartner in dieser Saison vermutlich mit diesen einverstanden gewesen. Stattdessen hat Memphis mit den eigenen Seconds der Jahre 2019‑21 Assets abgegeben, die bei den aktuellen sportlichen Leistungen praktisch dem Wert eines Erstrundenpicks entsprechen.
Damit stellt sich die Frage: Warum sind indirekt die Clippers und nicht etwa die Bulls der große Profiteur? Chicago hat eine aus Management-Sicht durchwachsene Saison hinter sich, mit guten Entscheidungen (Holiday), einigen großen Fragezeichen (LaVine) und einer ziemlich undurchsichtigen Richtung in Form des schon thematisierten Porter-Trades. Das macht eine schlüssige Bewertung schwierig. Die Clippers haben aber zur Deadline eine klare Idee gezeigt und die hervorragend umgesetzt. Der Trade von Tobias Harris zu den Sixers war natürlich der wichtigste Baustein, aber die kleinen Transactions sind vermutlich in der Summe noch gelungener. Direkt nach Memphis schickten die Clippers Avery Bradley, der nicht nur eine miserable Saison spielt (ORtg von 93 für die Clippers, klar negative On/Off-Zahlen), sondern auch im nächsten Jahr noch zwei Millionen seines Vertrages garantiert hat. Im Gegenzug zogen in Garrett Temple und JaMychal Green zwei solide Exprings nach Westen. Für die Clippers zeigt sich hier der Vorteil getrennter GM- und Coach-Rollen: Doc Rivers schien seinem langjährigen Spieler noch zu vertrauen (29,9 MPG), während das Management um Berater Jerry West anscheinend keine solchen Sentimentalitäten zeigte. Dass die Clippers zudem noch den interessanten Ivica Zubac vom stadtinternen Konkurrenten erhielten (mit dem entlassenen Michael Beasley für den im Harris-Trade erhaltenen Mike Muscala), macht sie insgesamt zum klaren Gewinner der Deadline.
Daher stellt sich die Frage: Warum mussten die Memphis einen schlechteren Spieler und Gehaltsforderungen im nächsten Jahr akzeptieren, ohne einen Gegenwert zu erhalten? Die Antwort findet sich im Trade von Marc Gasol, bei dem die Raptors etwas mehr Gehalt abgaben, als sie aufnahmen. Memphis wäre daher mit Temple und Green in der Luxussteuer gelandet. Die will eine Small-Market-Franchise für ein Lotteryteam verständlicherweise nicht zahlen – musste dafür aber akzeptieren, dass sie für ihre brauchbaren Expirings keinen adäquaten Gegenwert erhielten. Auch das nicht gerade überzeugende Tradepaket für Gasol wirkt in Folge dieser Überlegungen noch etwas fragwürdiger. Auf Ebene der kleinen Trades ist in diesem Zusammenhang nochmal der für Justin Holiday im Dezember bemerkenswert – hier nahmen die Grizzlies noch zusätzliches Gehalt auf. Ohne diesen Fehler wäre also auch die finanzielle Flexibilität größer gewesen, so dass Green und Temple profitabler hätten abgegeben werden können.
Fazit
Trades mit Spielern am Ende der Rotation, die größtenteils finanziell motiviert sind, interessieren NBA-Fans verständlicherweise meist weniger als die großen Blockbuster – ob sie tatsächlich schon stattfinden wie bei Butler und Harris oder noch verschoben werden wie im Fall Davis. Aber zur Deadline und in den vorherigen Monaten haben einige Teams unfreiwillig demonstriert, wie kleinste Entscheidungen sich zu wichtigen Faktoren summieren können. Besonders wurde deutlich, dass ein Fehler gerne einen weiteren nach sich zieht: Schlechte Verträge müssen zur Steuervermeidung gedumpt werden, was teils nur teuer möglich ist und meist sportlich keinerlei Vorteile mit sich bringt. Besonders deutlich wird diese Problematik bei Teams wie Wizards und Grizzlies, wo sich die Pläne der Franchise durch eine schlechte Saison und/oder Verletzungen erzwungenermaßen änderten. Die vermeintlich mittleren Zweitrundenpicks könnten so gut zehn Positionen früher aufgerufen werden und sind dann als interessante Assets anzusehen. Von den jeweiligen Tradepartnern lassen sich diese Entwicklungen nicht immer vorhersehen, teils hatten sie schlicht Glück. Allerdings hatten sich die GMs der Bucks und Clippers ein Maß an Flexibilität gesichert, das die Transaktionen erst ermöglichte. Auch wenn keines der hier thematisierten Assets isoliert eine größere Rolle spielen dürfte: Es ist durchaus möglich, dass Nikola Mirotic den Bucks in einem Playoffrun entscheidend weiterhilft oder dass die Trades der Clippers einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu zwei Top-Free Agents darstellen. Dann können kleinere richtige Entscheidungen in der Summe die Perspektiven einer Franchise entscheidend beeinflussen.