Wieviel sind Stats in schlechten Teams wert?
Wir kennen den Spruch alle: Wer die Playoffs noch nie erreicht hat, dem sollte man nicht trauen. Das ist auf der einen Seite eine richtige Annahme, weil der Spieler offensichtlich nicht die Qualität hatte, um sein Team zu einer durchschnittlichen Bilanz zu führen. Auf der anderen Seite sollte man eine Einzelfallanalyse machen, um den Spieler richtig zu evaluieren.
Was sind good stats?
Der Kern des Problems des Sprichworts ist die Fähigkeit, überhaupt zu erkennen, was gute Stats sind. Wenn wir uns an die Per Game Statistiken halten, finden wir gleich mehrere Fälle, wo das Sprichwort einwandfrei greift. Auch in diesem Jahr gab es wieder zehn Spieler, die zwar 12 Punkte pro Spiel erzielten, aber weniger als einen Punkt pro Possession für ihr Team beisteuerten (Daten via basketball-reference.com). Ein durchschnittlicher NBA-Spieler erzielt 1,06 Punkte pro Possession. Wer meint, dass der Unterschied ja gering sei, dem sei gesagt, dass es pro Spiel 13/14 knapp 94 Possessions pro Spiel gab. Ein Spieler mit einem Offensive Rating unter 100 kostete sein Team pro Spiel knapp 6 Punkte im Vergleich zu einem Durchschnittsspieler. Der Unterschied ist also beträchtlich. Neben den Langzeitverletzten Rose und Bryant gesellen sich Rookie of the Year Michael Carter-Williams und mein Freund Evan Turner sowie Tony Wroten von den Sixers hinzu; ergänzt wird die Gruppe von Cavaliers-“Tradeasset” Dion Waiters, Josh Smith, Victor Oladipo, Rondo-Ersatz Avery Bradley und Neu-Laker Carlos Boozer.
Shooting | ||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Rk | Player | Season | Age | Tm | FG% | 2P% | 3P% | FT% | ORtg | PTS |
1 | Avery Bradley | 2013-14 | 23 | BOS | .438 | .451 | .395 | .804 | 100 | 14.9 |
2 | Dion Waiters | 2013-14 | 22 | CLE | .433 | .455 | .368 | .685 | 99 | 15.9 |
3 | Evan Turner | 2013-14 | 25 | TOT | .425 | .444 | .321 | .813 | 97 | 14.0 |
4 | Michael Carter-Williams | 2013-14 | 22 | PHI | .405 | .440 | .264 | .703 | 96 | 16.7 |
5 | Carlos Boozer | 2013-14 | 32 | CHI | .456 | .457 | .000 | .767 | 95 | 13.7 |
6 | Josh Smith | 2013-14 | 28 | DET | .419 | .462 | .264 | .532 | 95 | 16.4 |
7 | Victor Oladipo | 2013-14 | 21 | ORL | .419 | .448 | .327 | .780 | 94 | 13.8 |
8 | Tony Wroten | 2013-14 | 20 | PHI | .427 | .492 | .213 | .641 | 92 | 13.0 |
9 | Derrick Rose | 2013-14 | 25 | CHI | .354 | .359 | .340 | .844 | 88 | 15.9 |
10 | Kobe Bryant | 2013-14 | 35 | LAL | .425 | .491 | .188 | .857 | 84 | 13.8 |
Alle Spieler bis auf Carlos Boozer haben außer ineffizientem Scoring noch eine Gemeinsamkeit: Sie spielten in den Playoffs nicht. Bryant und Rose nicht, weil sie sich wieder verletzten, wobei Rose’ Team ohne ihn besser agierte, aber dann in der ersten Runde ausschied; die anderen sieben schadeten ihren Franchises so sehr, dass man mit den Playoffs nichts zu tun hatte. Ihre Rolle war zu groß oder sie wurden – im Fall von Josh Smith – völlig falsch eingesetzt. Alle versuchten weiterhin zu produzieren, scheiterten aber kläglich. Boozer ist die einzige Ausnahme in der Liste. Er spielte 28 Minuten pro Spiel bei einem Playoffteam. Dass Chicago als Favorit gegen die Wizards überraschend bereits in Runde 1 scheiterte, liegt auch an Carlos Boozer. Die Bulls schafften es in der Regular Season erfolgreich, Boozer hinter Noah oder Gibson zu verstecken. Mit seinem Scoring sollte Boozer den Bulls eigentlich helfen, doch die Wende kam erst mit der Verpflichtung von DJ Augustin, der sehr effizient abschloss. Die Bulls waren auch kein typisches Playoffteam, da sie ligaweit die drittschlechteste Offense stellten und nur durch exzellente Defense die Postseason erreichten. Boozer schadete sogar dieser schlechten Offense noch.
Nach den alten Metriken ist es also nicht verwunderlich, dass man guten Statistiken bei schlechten Teams nicht vertraute. Wir sind aber in der glücklichen Situation, dass wir nicht mehr auf diese simplen Zahlen zurückgreifen müssen. Wir konnten gar mit der Kombination von Punkten pro Spiel und einer offensiven Effizienzstatistik zielsicher die größten Statspadder der Saison ausfindig machen. Statspadder sind die Spieler, die sich einfach zu viele Würfe nehmen (oder diese brauchen), um auf eine recht hohe totale Zahl zu kommen. Klassischerweise sind dies junge Spieler in zu großen Rollen, weil die Teams in der Lottery landen und deshalb den Spielern Entwicklungsspielraum geben. Dass Josh Smith und Carlos Boozer in dieser Liste stehen, war definitiv nicht die Intention ihrer Teams.
Es sollte also als gesichert angesehen werden, dass die Punkte pro Spiel kein guter Indikator für gute Statistiken sind. Was sind denn dann gute Statistiken? Zumeist ist es ein Konglomerat von mehreren Statistiken, die ein Bild ergeben. Für die oberflächliche Betrachtung von On-ball-Entscheidungen eignet sich eine Kombination aus dem ORtg und der Usage Rate. Hiermit kann man die Aussage treffen, ob jemand mit hohem Volumen effiziente Entscheidungen getroffen hat. Genau dies sucht jede Franchise: Möglichst viele Punkte mit möglichst wenigen Versuchen zu erzielen. Für die oben genannten Spieler können wir dies schon ausschließen, sie waren alle ineffizient.
No love for Love
In diese Kategorie wird zu Teilen aber auch Kevin Love gesteckt. Der Franchise Player der Minnesota Timberwolves wird zumeist mit dem Vorurteil konfrontiert, dass er leere Stats produziert, also Statistiken, die zwar gut aussehen, aber seinem Team nicht helfen. Dies wird daran festgemacht, dass die Timberwolves mit Love noch nicht ein einziges Mal die Playoffs erreichten. Wenn dann ein Spieler 26/13 auflegt, muss an den Zahlen etwas nicht stimmen. Die Per Game-Stats sehen hier einen absoluten Superstar, aber wie kann sein, dass seine Teams dann nicht zumindest die Playoffs erreichen? Nun, wenn das Team um Love schlichtweg keine Qualität hat, dann ist dies durchaus möglich. Love weist nämlich seit Jahren (außer 12/13, wo er fast durchgängig verletzt war) nach, dass er die spielerische Klasse besitzt.
Love ist 13/14 einer von 5 Spielern, die mehr als 20 Punkte pro Spiel bei einer offensiven Effizienz von 120 erzielt haben (Daten via basketball-reference.com). Die anderen? LeBron James, Kevin Durant, James Harden und Dirk Nowitzki. Da Love etwas mehr Punkte als Harden und bedeutend mehr als Nowitzki erzielte, könnte man sogar argumentieren, dass Love 13/14 der drittbeste Scorer der Liga war. Die Zahlen würden dies unterstützen.
Dazu kommt die exorbitant hohe Reboundanzahl, wo Love nachgesagt wurde, dass er einfach nur die leichten Defensivrebounds einsammelt und so sein Konto erhöht. Das tut Love auch. Auch, aber eben nicht nur. Love bringt sich pro Spiel fast 19 Mal in eine aussichtsreiche Reboundposition; das ist der zweithöchste Wert in der Liga. Während er 7,6 mal ungestört den Abpraller einsammelte, sicherte er auch 5 mal im Kampf um den Ball die Possession für sein Team; drittbester Wert ligaweit (alle Werte via NBA.com/Stats). Love sichert sich sicherlich Rebounds, die auch mal ein Teamkollege einsammeln könnte, aber er hat ein absolutes Reboundtalent und setzt dies auch für sein Team erfolgreich ein. Dabei ist auf das Passing, das Floor-Spacing und das Offball-Spiel von Love noch gar nicht eingegangen worden.
Good stats on a bad team kann man nicht trauen
Love ist das andere Extrem des Spektrums. Während die vorwiegend jungen Spieler tatsächlich Statspadder sind, weil sie sich erst an das NBA-Spiel anpassen müssen, legt Love effiziente Volumenzahlen auf, sichert dem Team fünf umkämpfte Possessions pro Spiel – oder erhält sie beim Offensivrebound -, bindet Teamkollegen aktiv ein oder sorgt passiv mit seiner Wurfgefahr für Platz. Dennoch zeigen die Zahlen bei Love noch nicht alles – und gerade diese Aussicht sollte das Team erfreuen, das ihn ertraden kann: Love legt diese überzeugenden Zahlen in einem schlechten Team auf. Das bedeutet, dass er sich nicht optimal entfalten kann. LeBron James hat bisher vier Mal in seiner Karriere ein ORtg von über 120 erzielt. Seine Teams hatten in diesen Jahren mindestens 54 Spiele gewonnen, in drei von vier Jahren waren es sogar mindestens 61 Siege. Spieler produzieren für gewöhnlich effizienter, wenn sie in besseren Teams spielen. Love hat bisher nur in schlechten Teams gespielt. Vielleicht würde er neben LeBron James nicht ganz an seine 26 Punkte pro Spiel heranreichen, aber er würde sie weiterhin effizient erzielen.
Natürlich ist Kevin Love aufgrund seiner defensiven Probleme kein absoluter Allrounder. Er ist einer der 30 schlechtesten Rimprotector aller NBA-Spieler (Daten via nyloncalculus), allerdings rangiert er dort noch vor Blake Griffin und LaMarcus Aldridge. Love muss normalerweise auch den Korb nicht beschützen, da dies traditionell die Aufgabe des Centers ist. Mit Nikola Pekovic hatte er hier aber auch keine Hilfe. Man kann Love natürlich nicht als soliden Verteidiger verkaufen, aber Ethan Sherwood-Strauss sagte letztens noch, dass Love die Possession des Gegners oft durch einen Rebound beendete.
Love isn’t a great defender but he ends a lot of possessions with elite rebounding. Wolves had average defense with no shot blocking center
— Ethan Strauss (@SherwoodStrauss) 22. Juli 2014
Fazit
Gute totale Stats sagen gerade in Lotteryteams wenig aus. Zu Gute halten muss man den meist jungen Spielern aber, dass sie zum einen noch in der NBA lernen, zum anderen aber auch einfach keine guten Spieler um sich herum haben, die ihre Leistungen verbessern könnten. Im anderen Extrem muss aber in jedem Fall differenziert auf den zu bewertenden Spieler geschaut werden. Im Fall von Kevin Love haben wir in der letzten Saison einen Spieler gesehen, der unheimlich effizient bei großem Volumen war – und das in einem schlechten Team. Kevin Love wäre bspw. jedes Asset wert, das die Cavaliers bieten können. Er war in der letzten Saison offensiv ein Top 3 Spieler – trotz Lotterystatus seines Teams.