David Blatts Adjustment und die Folgen
104 zu 91 für die Golden State Warriors. Was durchaus eindeutig klingt, war lange Zeit ein extrem enges, intensives Spiel, denn noch 5 Minuten vor Spielende lagen die Cavs nur mit einem Punkt hinten. Obgleich die Warriors, angeführt von Steph Curry, erst im letzten Viertel einen guten Vorsprung herausspielen konnten, waren klare Anzeichen für eben diesen Spielverlauf bereits vor dem Schlussviertel zu erkennen.
Der Schlüsselspieler
LeBron James legte ein unglaubliches Spiel historischen Ausmaßes hin, Steph Curry explodierte im vierten Viertel mit 17 Punkten, Andre Iguodala legte, abgesehen von den Freiwürfen, ein tolles all-around-Game auf und J.R. Smith brachte die von Artur Kowis in unserem Podcast prognostizierte Hilfe von Downtown – allerdings nur in der ersten Halbzeit. Doch derjenige, der dafür sorgte, dass wir in Spiel Fünf wiederum ein anderes Spiel geliefert bekamen, sah nur 9 Minuten: Timofey Mozgov. Nachdem er in Spiel 4 noch 28/10 auflegte und James die offensive Last etwas abnehmen konnte, wurde Mozgov nach 5 Minuten Spielzeit gebencht und kam erst 37 Sekunden vor Ende des Dritten Viertels wieder zurück.
Grund für die frühe Auswechslung war ein kompletter Fehlstart der Cavs, die in der Offensive in den ersten 5 Minuten reihenweise Turnover fabrizierten und in Rückstand gerieten (8:2 für Golden State). Die Warriors schienen auch auf das gute Spiel von Mozgov – und ihr eigenes Unvermögen, Mozgov im 1on1 zu verteidigen – zu reagieren, indem sie ihn früh im Spiel doppelten. Kerr wollte demnach nicht noch einmal zuschauen, wie Mozgov für Entlastung sorgen kann und wollte dafür sorgen, dass die Cavs in der Offensive auf LeBron angewiesen sind. David Blatt entschied sich daraufhin den Smaller Ball der Warriors mit einer eigenen Small Ball-Variante zu kontern und tatsächlich komplett die Verantwortung auf LeBron abzuwälzen und stellte diesem phasenweise vier Schützen zur Seite.
LeBron und die Rückkehr der Schützen
Das Adjustment von Blatt zeigte Wirkung, sodass es für James möglich war das Spiel an sich zu reißen und die Cavs zurück ins Spiel zu bringen. Die Statline von 20/8/8 zur Halbzeit und lediglich 26 Sekunden auf der Bank machen deutlich, dass LeBron das Spiel übernehmen musste, um die Cavs im Spiel zu halten. Die Rollenspieler, allen voran J.R. Smith, konnten nur durch James’ Omnipräsenz effektiv agieren. Sieben getroffene Dreier seitens der Cavs bis zur Halbzeitpause ließen den Schluss zu, dass Coach Blatt die richtige Entscheidung getroffen hat, indem er die Minuten von Mozgov limitierte. LeBron konnte dadurch unterm Korb mit viel Platz mithilfe von Post-Ups agieren und auch die Drives konnte das Kollektiv der Warriors nur bedingt einschränken, da die Schützen der Cavs die Help-Defense bestrafen konnten.
Auf Mozgov verzichtete Blatt wie bereits ausgeführt im gesamten zweiten und dritten Viertel. Zwar lief die Offense der Cavs dank des überragenden James, jedoch war dies auch problematisch, da man auf die Präsenz und vor allem kräfteraubende Aggressivität angewiesen war.
Die zweite Seite des Adjustments
An dieser Stelle wird auch die Schwäche von David Blatts Adjustment deutlich. Natürlich zeigte das Benching von Mozgov eine positive Wirkung und man konnte ins Spiel finden, jedoch muss die Frage gestellt werden, ob der quasi-Komplettverzicht auf Mozgov von Nöten gewesen ist. In seinen wenigen Minuten Anfang des vierten Viertels fabrizierte Mozgov zwar einen unnötigen Turnover, welchen Jeff van Gundy oberflächlich betrachtet mit den Worten “it´s not his game” kommentierte. Allerdings hatte Mozgov in der kurzen Spielzeit keinen nachweislich negativen Effekt auf das Spiel der Cavs – wenn man es genau nimmt hatte er in der zweiten Halbzeit einen Netwert von +2, was jedoch aufgrund der geringen Spielzeit kaum Aussagekraft beeinhaltet.
Die Aussage von Jeff van Gundy ist deshalb als oberflächlich zu bewerten, weil Mozgov versagt wurde, überhaupt nachzuweisen, ob er den Cavs nicht hätte mehr helfen können. Insbesondere im Hinblick darauf, dass sein Team sowieso schon unter einer kleinen Rotation leidet sowie Dellavedova und LeBron in den vergangenen Spielen konditionelle Probleme hatten, ist die Infragestellung von Blatts Adjustment durchaus angebracht. Als kurzfristige Lösung nach der verpatzten Anfangsphase war es der richtige Schritt, doch die langfristigen Folgen waren durchaus absehbar, denn gleichzeitig war der Verzicht auf Mozgov mit einer Alleinverantwortung von LeBron in der Offensive gleichzusetzen, da außer Mozgov kein weiterer fitter Spieler halbwegs eigentständig offensiven Output generieren kann. Demgemäß hätte eine frühere Rückkehr von Mozgov für Entlastung sorgen können, welche dringend gebraucht wurde, wenn man sich die Schlussphase abermals vor Augen führt. Zwar zeigte LeBron auch im vierten Viertel seine Extraklasse, unter anderem mit drei getroffenen Dreiern, aber der Drive zum Korb konnte nicht mehr dermaßen zählbar umgesetzt werden, wie es noch in der ersten Halbzeit zu beobachten gewesen ist. Wenn gleichzeitig auf der anderen Seite Curry in bester MVP-Manier die Dreier aus allen Lagen trifft, kann selbst ein LeBron in den seltensten Fällen das Spiel dann auch noch im vierten Viertel im Alleingang gewinnen.
Selbstverständlich lässt sich anführen, dass erst das Adjustment von Blatt die Cavs so lange im Spiel hielt und dieser Fakt lässt sich nicht wegdiskutieren. Fraglich bleibt dennoch, ob man es sich in den Finals als gebeuteltes Team erlauben kann einen Spieler dermaßen lang auf der Bank zu lassen, der bislang ein wichtiger Bestandteil gewesen ist. Auf einen Center zu verzichten, ist sicher eine interessante Idee, die sich noch in Game 4 für die Warriors auszahlte, in Spiel 5 führte diese Taktik jedoch nicht zum Erfolg. Blatts Taktik war demnach theoretisch nachvollziehbar, aber praktisch sieht es da anders aus. Während die Warriors die Zeit von Bogut auf Iggy, Lee, Livingston und Co. aufteilen konnten und sowie über eine größere Rotation verfügen, wurde die Spielzeit von Mozgov auf die bereits dezimierte Rotation und einen Mike Miller verteilt, der zuvor insgesamt in den ersten vier Spielen nur 15 Minuten gesehen hat.