Brooklyn Nets

Schlimmer geht immer?

Die Aussichten der Brooklyn Nets nach Luxussteuer und Buyout

Die Aussichten der Brooklyn Nets nach Luxussteuer und Buyout

Fragt man nach der schlechtesten Situation einer NBA-Franchise, sind die Nets meist ganz oben auf der Liste. Die Kings schaffen es dank interner Querelen und des schlechteren Standorts vielleicht noch in ihre Nähe, aber bei den Liga-internen Faktoren sind die Nets kaum zu schlagen. Seit ihrem Umzug nach New York waren sie, durch diverse teure Verträge mittelmäßiger Spieler, der größte Luxussteuerzahler. Da keine vergleichbaren Einnahmen entstanden, schrieb die Franchise – allerdings ohne Einbeziehung des Barclay’s Center – tiefrote Zahlen. Wie in den letzten Jahren ausführlich diskutiert (u.a. hier), gaben die Nets zudem fast alle ihrer Picks ab. Durch Swaps umging GM Billy King sogar das Verbot, zwei Picks nacheinander zu vertraden: Erst 2015 mit den Hawks im Joe Johnson-Trade, dann 2017 mit den Celtics in der Transaktion um Paul Pierce und Kevin Garnett gaben die Nets Tauschrechte zu ihrem Nachteil ab. Das überraschend gute Abschneiden von Atlanta in der abgelaufenen Saison bedeutete, dass die Nets statt dem 15. den 29 Pick erhielten – was praktisch einem Verlust des Erstrundenpicks gleichkommt: Die frühen Zweitrundenpicks werden in der Regel als wertvoller eingeschätzt als die allerletzten Firstrounder.

Mit dem spektakulären Scheitern des Williams/Johnson/Pierce/Garnett-Teams mussten sich die Nets darauf einstellen, trotz der kaum vorhandenen Picks eine Restrukturierung einzuleiten. Insbesondere aufgrund der Repeater Tax, der erhöhten Luxussteuer für langjährige Zahler, waren weitere Ausgaben wenig erfolgversprechend: Auch ein Besitzer mit tiefen Taschen gibt ungern Geld aus, wenn selbst im Optimalfall kaum mehr als ein frühes Ausscheiden in den Playoffs denkbar ist. Dass für Mikhail Prokhorov Verkaufsüberlegungen und finanzielle Probleme kolportiert wurden, verstärkt diese Tendenz nur noch.

Gleichzeitig besteht aufgrund der abgegebenen Draftrechte keine Motivation, möglichst schlecht zu spielen. Die Nets mussten es sich für die kommenden Jahre, mindestens bis 2019, als Ziel setzen, langfristige Perspektive und vernünftiges Wirtschaften zu kombinieren. Nach der Weiterverpflichtung von Brook Lopez und Thad Young sowie dem Buyout von Deron Williams lässt sich festhalten: Auf eine sehr eigentümliche Weise war dieses Vorhaben erfolgreich.

Schritt 1: Umgruppieren am Drafttag

Die erste wichtige Entscheidung der Nets in der Offseason dürfte im Wesentlichen durch die fehlenden Picks geprägt worden sein: Mason Plumlee wurde, zusammen mit den Rechten am 41. Pick Pat Connaughton, für Steve Blake und den 23. Pick Rondae Hollis-Jefferson an die Blazers abgegeben. Besonders während der häufigeren Verletzungspausen von Brook Lopez hatte Plumlee gute Ansätze gezeigt, so dass der Trade von Anfang an etwas zweifelhaft aussah. Mit RHJ erhielten die Nets dafür einen jungen Wing, der in unserem Power Ranking 6 Plätze höher gewertet wurde als Rang 23. Auch nach zwei Jahren als Wildcat fällt Hollis-Jefferson eher in die Kategorie Talent mit Upside, so dass er in erster Linie mit langfristiger Perspektive gedraftet wurde.

Mit dem Atlanta-Pick, also an Position 29, drafteten die Nets zudem Syracuse-Freshman Chris McCullogh. Der Big ist damit in der unglücklichen Situation, wohl immer mit dem unnötigen Pick Swap in Verbindung gebracht zu werden. Da er sich zudem letzte Saison das Kreuzband gerissen hatte, stellt McCullugh allenfalls langfristig eine Verstärkung dar. Aber wie auch der Trade für Hollis-Jefferson zeigt, war eine generelle Verjüngung eines der zentralen Ziele der Nets. In der vergangenen Saison gehörte das Team de facto zu den drei ältesten der Liga. Selbst Rookie Bogdan Bogdanovic ist schon Mitte 20, außer dem begrenzt überzeugenden Sergey Karasev und Zweitrundenpick Cory Jefferson erhielt kein junger Spieler signifikant Minuten.

In die Saison 2015/16 starten die Nets dagegen im Alters-Mittelfeld. Obwohl mit Steve Blake auch ältere Spieler zum Kader stießen, könnten jetzt auf praktisch allen Positionen Spieler um die 20 eingesetzt werden. Auch die Free Agency-Verpflichtung von Shane Larkin, immerhin vor 3 Jahren noch 18. Pick., passt in dieses Konzept. Ob sich zumindest einige der Spieler durchsetzen, ist noch offen. Zumindest die Ansätze einer Restrukturierung trotz fehlender Picks wird in diesen Entscheidungen in jedem Fall sichtbar.

Schritt 2: Teure Verträge in der Free Agency

Obwohl die jüngeren Spieler auch tatsächlich auf dem Parkett stehen sollten, müssen die Nets aufgrund ihrer Assett-Situation wettbewerbsfähig bleiben. Ohne Picks gibt es keinen Grund, auf die letzten Plätze abzustürzen, weder sportlich noch finanziell. Die rentabelsten Franchises der NBA sind – den Standort-Faktor ausgeblendet – in der Regel diejenigen, die ohne Luxussteuer zu zahlen in den Playoffs stehen. Zu Beginn der Free Agency konnten die Nets mit keinem davon wirklich rechnen, aber zumindest eine gewisse sportliche Relevanz mussten sie erreichen. Insofern waren die relativ schnell verkündeten neuen Verträge für die eigenen Free Agent-Bigs keine Überraschung: Brook Lopez erhielt nach einer vergleichsweise verletzungsfreien Saison 63 über 3 Jahre, der Mitte der Saison verpflichtete Thad Young 54 über 4 Jahre, das letzte davon mit Spieler-Option.

Angesichts der in der Offseason aufgerufenen Gehälter fallen beide Verträge nicht völlig aus dem Rahmen, dürften aber zumindest an der Obergrenze der derzeit schwer einzuschätzenden Skala liegen. Aus der oben skizzierten Situation heraus blieben den Nets allerdings kaum Alternativen. Sie mussten wettbewerbsfähig bleiben, um Zuschauer ins Barclay’s Center zu locken, also zumindest den Eindruck von Playoffchancen erwecken. Ohne NBA-erprobte Big Men wäre das kaum möglich – und der einzige im Kader stehende war am Drafttag nach Portland geschickt worden. Die Lager von Lopez und Young gingen daher mit einer recht guten Ausgangsposition in die Vertragsverhandlungen, was sich wohl in den Gehältern ausschlug. Hätten die Nets Plumlee einige Wochen länger behalten, wäre ihre Situation zumindest nicht schlechter gewesen.

So musste Mikhail Prokhorov eigentlich damit rechnen, ein weiteres Jahr zu den größten Luxussteuerzahlern der NBA zu gehören. Mit Lopez, Young und Deron Williams sowie einigen Kader-Füllern hätte das Gesamtgehalt des Teams etwa 100 Millionen Dollar betragen. Für ein Team ohne realistische Hoffnungen auf eine Meisterschaft oder auch nur einen tieferen Playoff-Run ist das eine wenig attraktive Aussicht, aber die Nets waren offensichtlich dazu bereit. Zum Zeitpunkt der Lopez-Verpflichtung – ohne die ebenfalls keine Steuer angefallen wäre – waren die Gerüchte zu einem Buyout Williams‘ bestenfalls vage. Kaum ein Team mit Cap Space oder voller Mid Level Exception hatte gleichzeitig Bedarf an einem Spielmacher und Playoff-Ambitionen.

Schritt 3: Die unverhoffte Chance

Der Ausweg ergab sich also durch einen Zufall: Erst DeAndre Jordans Unentschlossenheit brachte die Steine ins Rollen. Die Mavericks waren plötzlich einer der Verlierer der Offseason mit viel kaum zu nutzendem Cap Space. Ein Spielmacher mit Starter-Potential fand sich im Kader ebenfalls nicht. Nachdem Williams‘ Überlegungen zu den Mavs 2012 noch ergebnislos geblieben waren – im Nachhinein mit Blick auf die Vertragsauflösung in Brooklyn wohl eher positiv zu bewerten – ergab sich jetzt die Chance zum Neuanfang. Williams einigte sich mit den Nets auf einen Buy-Out, bei dem er noch 27,4 Millionen seines verbleibenden Gehalts von 43,4 Millionen Dollar erhalten wird. Dass kein anderes Team einen Waiver Claim erheben würde, also den Vertrag eines entlassenen Spielers komplett übernehmen, war aufgrund des hohen Gehalts praktisch gegeben. Daher konnte D-Will schon damit rechnen, einen 10-Millionen-Vertrag bei den Mavs zu unterschreiben, das zweite Jahr beinhaltete eine Spieleroption.

Die Interessen von Spieler und neuem Team lassen sich in diesem Fall klar umreißen: Dallas erhält einen ehemaligen Allstar-Point Guard, der nach unglücklichen Jahren wieder an sein altes Niveau anschließen will. Der Preis dafür ist überschaubar, insbesondere im Vergleich mit den übrigen Vertragsabschlüssen der Offseason. Nachdem auch keine echten Alternativen mehr verfügbar waren, kann Williams für die Mavs als praktisch risikolose Chance angesehen werden. D-Will selbst sah vermutlich auch die Chancen, die ein zumindest offensiv gut aufgestelltes Mavs-Team mit sich bringt. Vor allem werden seine Zahlen nicht mehr an seinem Gehalt und den vergeblichen Hoffnungen auf einen Franchise-Player gemessen. Mit drei weiteren Offensivoptionen sollte er zudem seine Effizienz steigern können, nachdem gleichzeitig die Ansprüche an Williams‘ Scoring-Volumen heruntergeschraubt werden. Der Verlust von bis zu 10 Millionen Dollar wird sich verschmerzen lassen; vor allem, falls Williams seine Karriere wieder auf Kurs bringen kann. Die Spieleroption bedeutet zwei Chancen auf eine gute Saison, nach der D-Will einen Vertrag unter den Bedingungen des neuen TV-Deals unterzeichnen könnte.

Für die Nets ergab sich ein Ausweg aus der Luxussteuer und dem wenig attraktiven Vertrag von Deron Williams. Anders als im Fall der Pistons bei Josh Smith kam der Spieler ihnen durch den Buyout entgegen, so dass zumindest ein klarer finanzieller Vorteil zu verbuchen ist. Wenn man davon ausgeht, dass Williams als Free Agent kaum 10 Millionen Dollar erhalten hätte, wird der Vorteil ersichtlich: Es ist besser, 27 Millionen Dollar für einen Spieler zu zahlen, der nicht im Kader steht, als mehr Geld zu viel für einen Spieler zu zahlen, der im Kader steht. Noch deutlicher wird der finanzielle Gewinn, wenn man die Luxussteuer miteinbezieht: Die Nets haben – wie auch die Pistons bei Smith – auf Williams‘ verbleibendes Gehalt die Stretch Provision angewandt. Das bedeutet, dass über die kommenden fünf Jahre nur ein Cap Hit von je gut 5 Millionen Dollar bleibt, was die Nets für diese Saison aus der Luxussteuer entfernt. Durch den Buyout sparen die Nets insgesamt, je nach übrigen Ausgaben, bis zu 60 Millionen Dollar.

Fazit

Langfristig hat sich die Franchise jedoch eine weitere Hypothek aufgeladen. Trotz steigendem Cap bedeutet Williams‘ verbliebenes Gehalt, dass die Nets praktisch auf einen Rollenspieler verzichten müssen. In Kombination mit den fehlenden Picks bleibt die Situation tendenziell bis 2020 unangenehm: Die Nets werden in erster Linie bemüht sein, mit einem durchschnittlichen Team um die Playoffs zu kämpfen. Mit dem auslaufenden Vertrag von Joe Johnson – der in der Offseason ebenfalls Ausgangspunkt von Tradegerüchten war – gehören die Nets im nächsten Sommer immerhin zu den Teams mit viel Cap Space.

Kurzfristig entsteht eine klare Lücke im Kader: Jarrett Jack, Shane Larkin und Steve Blake stellen nicht unbedingt eine Spielmacher-Rotation auf NBA-Niveau dar. Die Folge des Williams-Buyouts ist also, dass die Nets eine neue Lücke gerissen haben, nachdem sie gerade die Probleme auf den großen Positionen teuer lösen konnten. Der Versuch, langfristige Perspektiven und einen halbwegs konkurrenzfähigen Kader ohne Luxussteuer-Zahlungen zu erreichen, überzeugt daher nur begrenzt: Statt einer klaren Linie ergab sich eher ein Schlingerkurs. Ihre finanziellen Ziele hätten die Nets beispielsweise auch erreichen können, wenn sie Plumlee statt Lopez behalten hätten. Im sportlichen Niemandsland hätte sich das Team in jedem Fall befunden, nur hätte sich Brooklyn die Hypothek des ausstehenden Gehalts für Deron Williams gespart – und außerdem das Risiko, sich mit einem verletzungsanfälligen Center einen neuen schlechten Vertrag aufzuladen.

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