Die Ballhandler
Jahr für Jahr zeigen wir euch mit unserem Draftranking, welche internationalen Talente und CBB-Prospects über die Saison hinweg unser Herz erobert haben. Allen aufgeführten Spielern sagen wir mindestens eine NBA-Karriere als erfolgreicher Rollenspieler voraus. In diesen erlesenen Kreis zu kommen, ist allerdings nicht ganz einfach. Viele auf anderen Draftseiten als Firstrounder gehandelte Talente genügen unseren Ansprüchen nicht ganz. Sie funkeln und glänzen, sind am Ende aber wohl mehr Schein als Sein. In “Fool’s Gold Prospects” erklären wir euch, welche Jungs das in diesem Jahr sind und warum wir sie als Spieler mit zu hohem Bust-Potential einschätzen. Heute die Ballhandler:
Delon Wright – Senior – Utah Utes
Warum Erstrundenhype?
Im Grunde kann das Spiel von All American Delon Wright in einem Vine zusammengefasst werden:
In Sachen Größe und “Feel for the Game” macht dem Ballhandler der Utah Utes kaum jemand etwas vor. Der kleine Bruder von Blazer Dorell Wright kombinierte diese Fähigkeiten in den vergangenen beiden Spielzeiten nahezu in Perfektion und riss dadurch beeindruckende All-Around-Spielzeiten ab. Als eine Art Jason Kidd des CBBs gelang es Wright, zu jeder Zeit seine Mitspieler als Passfirst-Ballhandler besser zu machen (Career: 30 AST%), nebenbei aber auch die anderen kleinen Dinge zu erledigen, um täglich mit Triple-Doubles zu flirten (Career: 15,4 DRB%, 17,3 P/40). Als ungemein effizienter Offensivspieler (Career: 127 ORtg bei 22,1 USG%), der besonders im Pick’n’Roll zu brillieren weiß, gilt er zudem als starker Verteidiger. Der flinke 6‘5‘‘-Spieler kann mit seiner Länge sogar kleineren Flügelspielern Probleme bereiten, da sein Motor auch auf dieser Seite des Feldes ständig zu laufen scheint (Career: 2,5 S/40, 1,3 B/40).
Warum nicht im GTG-Draftranking?
Wrights Probleme lassen sich alle auf die Zahl 23 herunterbrechen – so alt ist der Senior im April dieses Jahres geworden. Dies allein ist natürlich nicht schlimm, lässt Manager aber sicherlich stutzen, wenn sie auf die Entwicklungskurve des Utes-Stars schauen. Während andere Talente zu diesem Zeitpunkt schon sehr an Masse zugelegt haben, wiegt er nur knapp 180 lbs. Trotz wohl etwas vorhandenen Wurftalents (83 FT%) hat es Wright noch immer nicht geschafft, sich einen funktionierenden Jumper zuzulegen. Sein Mechanismus ist nicht sauber, sein Release recht langsam und zu niedrig. Zudem sind seine Wurfquoten aus der Distanz einfach nicht der Rede wert (Career 30 3P%). Ein negativer Einfluss auf das Spacing seines zukünftigen Teams scheint vorprogrammiert. Außerdem müssen alle aufgelegten Zahlen mit Vorsicht genossen werden. Schließlich ist er oft schon drei oder vier Jahre älter als seine Gegenspieler gewesen. Dafür hat er als zukünftiger Slasher wegen nur durchschnittlicher Athletik nicht gut genug am Ring abgeschlossen (64 FG%@rim), um noch immer als dominierendes Talent gelten zu können. Eventuell findet er eine Nische als Spieler Marke Andre Miller. Aber Wright scheint mit seinem Spiel nicht mehr zwingend in die moderne NBA zu passen und könnte genau deswegen auch schnell aus der Liga fliegen.
Tyus Jones – Freshman – Duke Bluedevils
Warum Erstrundenhype?
Tyus Jones hätte in der vergangenen Saison kaum mehr tun können, um seinen Hype im Hinblick auf die kommende Draft zu steigern. Als 18 Jähriger führte der junge Guard sein College zum Titel und sahnte als wichtigster Mann des Final Fours den Titel des Most Outstanding Player ab. Im Spiel gegen Wisconsin wurde er seinem in der Regular Season schon erarbeiteten Spitznamen „Tyus Stones“ wieder einmal mit mehreren wichtigen Clutchshots mehr als gerecht.
Der Freshman präsentierte sich schon in seiner ersten CBB-Spielzeit als einer der besten Floorgenerals der NCAA. Dabei liebte es Jones, das Spiel schnell zu machen. Er spielte die meisten Transition-Assists aller Spieler. Aber auch im Halbfeld ist er nicht weniger effektiv. Post-Entrys, Pick’n’Roll-Pässe, Drive’n’Kick/Dish oder einfach den Ball als Durchlaufstation auf die Weakside bringen – alles hat er im Repertoire und weiß genau, wann er was anwenden muss, um seine Mitspieler bestmöglich einzusetzen (27,5 AST% vs. 15,9 TOV%). Besonders gefährlich stellen sich diese Situationen dar, weil Defenses oft vergessen, dass der 6‘1‘‘-Guard auch einen Scorer-Modus haben kann. Vor allem aus dem Pick’n’Roll heraus bestraft er Defenses gern, wenn sie ihm zu viel Platz zum Werfen geben oder ihm die Lücke zum Drive lassen. So wird er rund 25% seiner Würfe in Korbnähe los und kommt trotz klarer Passfirst-Mentalität auf solide 13,9 P/40.
Warum nicht im GTG-Draftranking?
Jones mag für das College der vielleicht ideale Aufbauspieler sein, wird aber in der NBA aufgrund seiner unterdurchschnittlichen Athletik in Schwierigkeiten geraten. Schon in der NCAA fiel es ihm schwer, in Ringnähe hochprozentig abzuschließen (55 FG%@rim). Bei den Profis könnte wegen fehlender Explosivität im ersten Schritt gar das Problem hinzukommen, überhaupt die eigenen Drives bis zum Korb führen zu können. Sein Spiel wird sich stärker auf den Wurf stützen müssen. Leider ist dieser abgesehen von seinem Freiwurf (89 FT%) nur durchschnittlich (36 FG% aus Midrange, 38 3P%). Defensiv sieht es nicht besser aus. Schon auf CBB-Level hatte er gegen größere, phyische Guard teilweise herbe Probleme. Dies verhindert die Starter-Karriere und lässt das Bust-Potential in die Höhe schießen, obwohl er teilweise an den College-Conley erinnerte.
Cameron Payne – Sophomore – Murray State Racers
Warum Erstrundenhype?
Nachdem sich Kris Dunn für eine weitere Saison mit Providence entschieden hat, wird Cameron Payne den inoffiziellen Titel des „spektakulären Guards, den bis vor wenigen Monaten nicht viele Scouts kannten“ übernehmen und dadurch mit viel Draftstock-Momentum in den Juni gehen. Der Sophomore führte, als einer dieser sehr unterhaltsamen Midmajor-Guards (Lillard, Curry, Cole, McCollum, Payton), seine Uni Murray State abseits des nationalen Rampenlichts nahezu im Alleingang zu 25 Siegen in Folge. Trotz völliger Narrenfreiheit (31,5 USG%, 7,8 3PA/40) gelang es dem Ballhandler eine gute Balance zwischen Scoring und Passing zu finden (40 AST% trotz 25,1 P/40) und in seiner Starrolle sehr effizient zu agieren (122,5 ORtg). Dies beweist einen hohen Basketball-IQ.
Zudem bringt der 6‘2‘‘-Aufbau auch defensives Potential mit. Seine 6‘7‘‘ Armspannweite und seine gut ausgebildeten Instinkte können den Lefty zu einem unangenehmen Verteidiger und Defensivplaymaker (2,4 S/40, 0,6 B/40) werden lassen, wenn er auf dieser Seite des Parketts einmal Feuer fängt.
Warum nicht im GTG-Draftranking?
Payne spielte in der Ohio Valley Conference gegen ziemlich schwache Competition und offenbarte schon in dieser Liga ohne elitäre Flügelspieler oder angsteinflößende Rimprotector größere Schwierigkeiten. Zum einen ist, bei all seinen starken Scoringfähigkeiten, sein Dreier nicht sonderlich effektiv (Career 36 3P%), weil seine Wurfbewegung insgesamt nicht sauber ist. Zum anderen hatte er schon auf diesem Level teilweise Probleme am Korbabzuschließen. Als recht dünner Spieler (180 lbs.) scheute er den Kontakt in der Zone nur zu gern und führte deswegen alle Prospects dieser Drafts in Floaters pro Spiel an. Dazu war es schon angedeutet: Payne könnte besser verteidigen, spart sich aber oft die Kraft für die Offense. Es ist dann im Anschluss die Frage, was bleibt, wenn der 20 Jährige weder Spacing durch Distanzwürfe oder erfolgreiche Drives bereitstellt noch defensiv ein Plus ist. Nur Playmaking ist, auf der in der NBA so stark besetzten Ballhandler-Position, mittelfristig zu wenig.
Jerian Grant – Senior – Notre Dame Fighing Irish
Warum Erstrundenhype?
Die Notre Dame Fighting Irish waren wohl die positive Überraschung der vergangenen Saison. Mit einem wunderschönen Pace’n’Space-System mischten sie die beste Conference des Landes auf und gelangten im NCAA Tournament in das Elite Eight. Klarer Anführer dieses Teams war Jerian Grant. Der 6‘5‘‘ Ballhander erarbeitete sich als Stippenzieher hinter der zweiteffizientesten Offense des Landes einen Superstar-Status. Sein Passing bildete das Fundament dieses Teams (33,6 AST%). Gerne führte er Fastbreaks an. Noch lieber nahm er allerdings Verteidigungen in Halfcourt-Situationen auseinander. Kein Spieler mit mehr als 500 Halbfeldangriffen kreierte durch seine Kombination aus eigenen Würfen und Assists mehr Points per Possession (1,45!).
Durch seinen hohen Basketball-IQ scheint er immer Herr der Lage zu sein und ständig instinktiv die richtigen Entscheidungen zu treffen. Zu seinen Spezialitäten zählen dabei das Pick’n’Roll sowie Drive’n’Dish/Kick-Situationen. Aber auch als Scorer aus Isolations heraus, war er auf dem College durchaus zu gebrauchen.
Warum nicht im GTG-Draftranking?
Auch bei Grant gilt es das Alter zu beachten. Jerian wird in diesem Jahr noch 23 und ist damit beispielsweise 18 Monate älter, als sein Bruder Jerami, der seine 14/15 seine Rookiesaison bei den Sixers gespielt hat. Wieder sind alle gezeigten Leistungen ins Verhältnis zu setzen und deswegen leichter zu bemängeln. Grant zerstörte seine Gegenspieler oft einfach mit Erfahrung. Dass er dies so umsetzen kann, muss ihm selbstverständlich hoch angerechnet werden. Dennoch bestehen dadurch auch einige Limitationen. Grant’s körperliche Entwicklung scheint abgeschlossen. Diese ließ ihn zu einem eher durchschnittlichen Athleten werden. Auf dem neuen Level wird er beispielsweise nicht mehr so leicht zum Korb kommen und dort abschließen können. Dies deuten seine Zahlen schon jetzt an (gegen Tournament-Teams nur 47 FG%@rim). Auch seine bisher durchschnittlichen Verteidigungsleistungen werden im Verhältnis schlechter. Zudem ist er nach fünf Jahren College kein sicherer Schütze geworden (31 3P%, Career: 34 3P%). Dies stellt die Frage nach seiner Rolle in der NBA. Grant wird wohl von Beginn an als Ballhandler einer Second-Unit eigeplant werden müssen, liefert aber ohne entscheidenden Fortschritt nur Playmaking. Da kann das Eis schnell dünn werden.