Die Wings
Jahr für Jahr zeigen wir euch mit unserem Draftranking, welche internationalen Talente und CBB-Prospects über die Saison hinweg unser Herz erobert haben. Allen aufgeführten Spielern sagen wir mindestens eine NBA-Karriere als erfolgreicher Rollenspieler voraus. In diesen erlesenen Kreis zu kommen, ist allerdings nicht ganz einfach. Viele auf anderen Draftseiten als Firstrounder gehandelte Talente genügen unseren Ansprüchen nicht ganz. Sie funkeln und glänzen, sind am Ende aber wohl mehr Schein als Sein. In “Fool’s Gold Prospects” erklären wir euch, welche Jungs das in diesem Jahr sind und warum wir sie als Spieler mit zu hohem Bust-Potential einschätzen. Heute die Wings:
Sam Dekker – Junior – Wisconsin Badgers
Warum Erstrundenhype?
34 MpG, 19,2 PpG, 5,8 RpG bei 57 FG% und 38 3P% – Sam Dekkers Leistungen in diesem Tournament als stark zu bezeichnen, wäre wohl eine Untertreibung. Der Forward der Wisconsin Badgers war in diesem März/April ein wahrer Missmatch-Alptraum und deswegen einer der Garanten für den Final-Einzug seines Teams. Das hier war nur einer von wenigen Clutchshots, die er traf:
Folgerichtig entbrannte wieder ein ziemlich großer Hype um den Junior. Dekker, der als #13 Recruit seiner HS-Class schon einmal in der Mittelregion der Ersten Runde zu finden war, durch mäßige Leistungen als Freshman und Sophomore aber zu rutschen begann, ist zurück in den Top 15-Gefilden der einschlägigen Draftseiten. Beobachter erinnerten sich durch die gesetzten Ausrufezeichen in den letzten Wochen daran, dass Dekker ein sehr spannendes Skillset mitbringt. Der 6‘9‘‘-Spieler kommt er als großer, beweglicher Flügelspieler daher, der das Spiel in der Offense in nahezu jeder Facette effizient beeinflussen kann. Postup, Faceup, Drives nach Isolations, Cuts laufen und ein bisschen Playmaking (Career: 10,5 AST%) – der talentierte Musterschüler von Bo Ryan beherrscht alles und begeht durch seinen hohen Basketball-IQ kaum Fehler (128 ORtg bei 23 USG%, 7,3 TOV%). Gerade mit seiner Vielseitigkeit könnte in jeder NBA-Offense seinen Platz finden. Vergleiche mit Mavs-Flügel Chandler Parsons werden plötzlich wieder laut.
Warum nicht im GTG-Draftranking?
Alle Spieler, die wegen guter Leistungen im NCAA Tournament einen riesen Satz in Draftrankings machen, sollten bei GMs die Alarmglocken schrillen lassen. Schon zu oft wurden Helden des Märzes gnadenlos überdraftet, da ihre letzten sechs Spiele plötzlich mehr wert waren, als ihre mindestens 30 Partien davor. Bei Dekker könnte genau dies passieren. Der Badger gilt nach seinem Run als offensiver Differencemaker und vor allem auch guter Shooter. Verständlich, wenn man sich nur die Zahlen von oben ansieht.
Ein Blick auf die größere Samplesize seiner gesamten CBB-Karriere zeigt aber, dass die Leistungen im vergangenen Tournament eher eine Ausnahme darstellen. Bisher tat er sich nie als konstanter, aggressiver Scorer hervor (Career: 17,3 P/40) und kann bestenfalls als streaky Shooter gelten (Career: 35 3P%, 69 FT%). Keine guten Voraussetzungen für die NBA, in der er, wie die meisten variablen College-Forwards, als Tweener positionstechnisch zwischen den Stühlen stehen wird. Eine Zukunft als guter Rollenspieler scheint möglich, wenn ein verbesserter Wurf ein Leben als Vollzeitflügel ermöglicht oder der 21 Jährige Bigmen überraschenderweise doch zufriedenstellend verteidigen kann. Genauso gut, kann der Traum NBA aber auch schnell vorbei sein, wenn sich nichts tut, da er ein unterdurchschnittlicher Athlet ist.
RJ Hunter – Junior – Georgia State Panthers
Warum Erstrundenhype?
Es war die Familie Hunter, die am ersten Tag des diesjährigen Tournaments für den besten March Madness-Moment der letzten Jahre sorgte:
In dieser Szene stimmt einfach alles! Mit einem echten Gamewinner schoss RJ sein an #14 gesetztes Georgia State-Team zum großen Upset gegen einen #3-Seed und ließ dadurch seinen Vater, Coach Hunter, buchstäblich vom Sessel kippen.
Interessanterweise dürfte dieser Wurf genaue Beobachter des Wings gar nicht so sehr überrascht haben. Seit drei Jahren muss der 6‘6‘‘-Flügel als einer der besten Werfer des CBBs gelten. Schon als Freshman klinkte er 2,4 3PpG ein. Als Sophomore verpasste er den 50/40/90-Club nur um Haaresbreite (52 FG%, 39,5 3P%, 88 FT%), während sich aus im Junior-Year dieser Trend mit den meisten erzielten Punkten in seiner Conference (19,7 PpG) und den siebtmeisten getroffenen Freiwürfen aller NCAA-Athleten (202 in 35 Spielen) klar fortsetzte. Auch in der NBA sollte der brandgefährliche Scorer, der im letzten Jahr sogar mehr als Playmaker eingebunden wurde (20,3 AST%), als wertvoller Shooter mit guter Gravity in Erscheinung treten. Auch sein defensives Potential ist nicht zu vernachlässigen. Mit einem 6‘9‘‘ Wingspan und einer guten Agilität sorgte er für viele wichtige Plays auf dieser Seite des Feldes (2,3 S/40, 1,1 B/40).
Warum nicht im GTG-Draftranking?
Hunter ist ohne Frage ein guter Shooter mit flüssiger Wurfbewegung. Also einfach seine 30 3P% aus der Junior-Saison anzuführen und ihm diese Qualität abzusprechen, wäre zu einfach. (Der 21 Jährige musste 14/15 mehr Verantwortung schultern und deswegen auch mehr schwierigere Distanzwürfe aus dem Dribbling/mit ablaufender Uhr nehmen. Ungünstig für die Quoten…) Allerdings kann allen anderen Zahlen nicht unbedingt getraut werden, weil der Flügel in einer ziemlich schwachen Conference spielte. In der Sun Belt reichten beispielsweise sein durchschnittliches Handling und sein dünner 180lbs.-Frame noch aus, um viele eigene Würfe zu kreieren oder zum Korb zu kommen. Diese Facette könnte gegen athletischere Gegenspieler auf Profilevel mehr oder minder komplett wegfallen und ihn eindimensional werden lassen., da er nicht über den explosivsten Ersten Schritt verfügt. Zudem hatte er schon in der NCAA teilweise seine Probleme gegen Länge abzuschließen (47 FG% in der Zone). Das verspricht für sein Slashing auf NBA-Niveau nichts Gutes.
Auch seine überdurchschnittliche Defense muss sich nicht unbedingt übertragen, da Hunter von seiner Franchise komplett neu eingelernt werden muss. Georgia State spielte extrem viel Zone und ließ ihn oft in den Passwegen wildern. Mann-Mann-Automatismen sind von ihm also zunächst nicht zu erwarten. Meistert er die Umstellung nicht, ist er schnell ein reiner Spezialist ohne Wert, wenn er nicht wirft.
Justin Anderson – Junior – Virginia Cavaliers
Warum Erstrundenhype?
Kaum ein Spieler in der NCAA sah rein physisch eher nach einem NBA-Profi aus als Justin Anderson. Der 6‘6‘‘ Wing kommt mit sehr austrainierten 220lbs. Körpergewicht daher, die der starke Athlet sehr gut zu bewegen und einzusetzen weiß:
In seinen drei Jahren unter Defensiv-Mastermind Tony Bennett lernte Anderson diese Kräfte in die richtigen Bahnen zu lenken. Zuerst wurde der Cavalier selbstverständlich in der Verteidigung geschult. Mit viel Energie, flinken Füßen und seiner 6‘11‘‘ Armspannweite kann der bullige Wing nahezu jeden Perimeterspieler mit seiner körperlichen Art in den Wahnsinn treiben.
Es war aber seine offensive Entwicklung, die ihn jetzt in den Mockdrafts in die Erste Runde spülte und so dazu bewegte, schon frühzeitig das College zu verlassen. Schon immer als Slasher bekannt, arbeitete Anderson hart an seinem Wurf und zeigte als Junior große Fortschritte. 45 3P% bei 4 3PA in 14/15 versprechen einen Spieler mit enormem „3 and D“-Potential.
Warum nicht im GTG-Draftranking?
Die Frage für Anderson ist ganz klar: Wie gut ist der Wurf wirklich? Der Flügel begann seine College-Karriere mit zwei Spielzeiten, in denen er konstant 30 3P% traf. Es erfolgte eine Umstellung seiner Wurfbewegung, die sich in den zwei Anfangsmonaten der Spielzeit in knapp 60 3P% übertrug. In seinen letzten sechs Spielen traf er allerdings wieder nur 28 3P%. Es kann also noch immer nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der 21 Jährige ein wirklich starker Werfer geworden ist.
Stellt sich heraus, dass Anderson wegen Ladehemmungen aus der Distanz kein Spacing liefert, wird er trotz guter Defense schnell sitzen. In der Offense ist er als sehr passiver Spieler oft ein Non-Factor. Mangelhafter Basketball-IQ, fehlende Kreativität und schlechtes Handling erlauben es ihm einfach nicht für sich oder andere Würfe kreieren zu können. So bleibt das Treffen seiner offenen Spot-Up-Dreier sein „Make-or-Break“-Skill, der über lange Rollenspielerkarriere in der NBA oder kürzere Engagements in Europa oder Asien entscheidet.