Historische Analyse von den Gewinnern der Larry O'Brien Trophy
Jedes Jahr startet der erbitterte Kampf um die begehrte Larry O’Brien Championship Trophy, die seit 1977 an das Siegerteam der NBA Finals vergeben wird, aufs Neue. Seit 2004 sind es 30 Teams, die den Titel untereinander ausspielen, doch immer wieder gilt schon zu Saisonbeginn nur eine kleine Gruppe an Teams, die sogenannten Contender, als als ernsthafte Titelanwärter. Bei nicht allzu wenigen Teams sind sich die Experten aber nicht einig darüber, ob sie nun wirklich Contender oder nur Pretender sind. Die Diskussion darüber, was denn nun genau die Spreu vom Weizen trennt, besteht seit jeher. Doch vielleicht kann die Gesamtheit der ehemaligen Champions für Antworten auf die Frage sorgen, was ein Contender wirklich braucht, um erfolgreich sein zu können.
Erfahrung macht den Meister
Effective Age = nach Spielminuten gewichtetes Durchschnittsalter
Das durchschnittliche Effective Age aller NBA Championship Teams liegt bei ziemlich genau 28 Jahren, was dem einjährigen Altersbereich (27,5 – 28,5) entspricht, in dem mit 26,7% die meisten aller Titelgewinner liegen. Auf den näheren umliegenden Bereich (26,5 – 29,5) sind sogar mit 67,6% über zwei Drittel aller Champions konzentriert. 28 scheint also über die gesamte NBA-Geschichte gesehen das perfekte Durchschnittsalter für einen Contender zu sein.
Das Effective Age aller Finalsgewinner der letzten 20 Jahre ist mit 29,2 sogar noch gestiegen und auch der Bereich auf den sich über zwei Drittel aller Meister (70%) konzentriert ist auch um 1 Jahr gestiegen (27,5 – 30,5). Die Champions werden also im Durchschnitt immer älters, obwohl das Effective Age der gesamten NBA – das zur Lockout-Season 98/99 mit 28.6 seinen Höhepunkte erreicht hatte – in den letzten 15 Jahren schon wieder kontinuierlich um 1 Jahr auf 27.6 in diesem Jahr gesunken ist. Das gibt Grund zur Annahme, dass Erfahrung im Kampf um den NBA Titel immer wichtiger geworden ist.
Seit 1977 hat kein Team mit einem Effective Age von unter 26 mehr den Titel gewonnen und seit 1991 sogar keins mehr unter 27. Achtzig Prozent der letzten 20 Meister hatten sogar ein Effective Age von mindestens 28. Ein gewisses Maß an Erfahrung scheint also nahezu unabdingbar zu sein, wenn man NBA-Champion werden will. Nimmt man ein Effective Age von 27, das von den letzten 30 Titelgewinnern nur Jordan mit seinen Bulls (1991: 26.9) einmal ganz knapp unterbieten konnte, als Maßstab, würden in der jetzigen Saison schon 18 Teams (u.a. Warriors und Cavaliers) nur aufgrund des Faktors Erfahrung aus dem Raster fallen.
Effective-Age | at Februar 2015 |
over 28 | Spurs (30.3), Grizzlies (30.3), Mavs (30.1), Bulls (29.4), Clippers (28.9), Heat (28.7), Rockets (28.4), Wizards (28.3), Pacers (28.2) |
26-28 | Hawks (27.8), Blazers (27.3), Nets (27.3), Warriors (26.9), Kings (26.6), Lakers (26.2), Nuggets (26.1), Cavaliers (26.1), Raptors (26.0) |
under 26 | Hornets (25.7), Pistons (25.6), Knicks (25.4), Suns (25.3), Thunder (25.1), Pelicans (25.1), TWolves (24.9), Bucks (24.8), Celtics (24.2), 76ers (24.1), Magic (24.0), Jazz (22.9) |
Sind die Cavaliers und Warriors noch zu unerfahren?
Bei einigen Teams, die zur Zeit als Contender gehandelt werden, stellt sich die Frage, ob ihre Erfahrung schon ausreicht um Champion zu werden. Ist LeBrons junger Supporting Cast z.B. schon bereit, ihm den 3. Ring zu bescheren? LeBron müsste in dieser Hinsicht Geschichte schreiben und das jüngste Team der letzten 38 Jahren zum Titel führen. Reicht seine eigene Erfahrung dazu aus, der nächste Ausnahmespieler nach Jordan 1991 zu sein, der mal wieder ein Team mit einem Effective Age von unter 27 zum Champion machen kann?
Die Warriors-Rotation ist mit durchschnittlich 26.9 Jahren auch nicht älter als Jordans Team von 1991, das in den letzten 30 Jahren der einzige Meister unter 27 war. Die derzeitige Starting Five ist sogar im Schnitt nur 25.2 Jahre alt, was dem jungen Alter der Leistungträger der Warriors zuzuschreiben ist. Dazu kommt noch, dass Golden State mit Steve Kerr einen Rookie-Coach hat, der zwar schon der 7. Coach der NBA-Geschichte wäre, der in seinem ersten Jahr den Titel holt, aber seit Pat Riley 1982 der Einzige, der dieses Kunststück vollbracht hätte. Das Gleiche würde natürlich auch für David Blatt, den Rookie-Coach der Cavaliers, gelten.
Ob die Warriors und Cavaliers schon wirklich bereit dafür sind bereits in dieser Saison einen neuen Meilenstein in ihrer Franchise-Geschichte zu setzen, wird sich wohl erst in den Playoffs zeigen. Sollten diese Teams dort aber scheitern, steht jetzt schon fest, dass die mangelnde Erfahrung als einer der ersten Gründe dafür aufgeführt wird.
Defense wins Championships?
Über die ganze NBA-Geschichte gesehen sind defensivorientierte Champions tatsächlich in der Überzahl (DEF: 50%, OFF: 30%, Ausgeglichen: 20%). Aber das vor allem wegen eines Mannes und seiner Ära: Bill Russell und seine Celtics sorgten mit ihren 11 Titeln und ihrer Dominanz in den 50ern und 60ern dafür, dass 16 der ersten 20 Champions (seit erstmaliger Erfassung der Possessions 1951) defensiv klar besser waren. Dabei hatten sie in jedem Jahr in der Regular Season ein unterdurchschnittliches ORTG, aber dafür immer ein DRTG, das 5-11% unter dem League Average lag. In diesen frühen Jahren der NBA-Geschichte in denen es noch keine Dreierlinie und damit keine ähnlich effiziente Alternative zum Layup/Dunk gab, war es als guter Rimprotector, wie es Bill Russell einer war, noch sehr viel einfacher so eine defensive Dominanz zu erreichen.
Nach Russells Karriereende gelang es in den letzten 45 Jahren nur noch 3 Teams Champion zu werden, nachdem sie in der Regular Season ein unterdurchschnittliches ORTG hatten (Seattle 79, Houston 94 und Detroit 2004). Die 2004er Pistons waren von diesen 3 Teams das Einzige was zu den 5 Mannschaften gehörte, die nach 1970 noch einmal defensiv so gut waren, dass sie mindestens 6% unter den ligaweiten Durchschnitts-DRTG kamen (Spurs 99, Pistons 04, Spurs 05, Spurs 07, Celtics 08). Billups, Wallace und Co. waren damit das einzige Team, das je wieder mit so einem Grad an Unausgeglichenheit zwischen Offense und Defense, wie ihn Russell’s Celtics auch hatten, NBA-Champion werden konnte.
Der 10-Jahres-Durchschnitt der offensiven (rot) und defensiven (blau) Performance aller Champions zeigt, dass die Champions nach 1970 in ihrer Ausrichtung sehr viel ausgeglichener waren. Fortan waren 35.5% der Titelgewinner offensiv stärker, 37.8% waren defensiv stärker und 26.7% waren ausgeglichen. Die Regular-Season-Performance der Champions lag seitdem sowohl offensiv (ORTG) als auch defensiv (DRTG) und damit auch insgesamt durchschnittlich mit etwas mehr als 3% über bzw. unter dem Ligadurchschnitt.
Dabei ist in der Grafik aber zu sehen, dass Russell mit seinen Celtics nicht der Einzige war, der die Performance der Champions über einen Zeitraum geprägt hat, auch wenn das in diesem Ausmaß keiner mehr geschafft hat. Die 80er Jahre, in denen die Lakers und die Celtics 8 von 10 Titeln holten, wurde vor allen Dingen vom Duell zwischen Magic und Bird offensiv geprägt. Auch Jordan mit seinen Bulls konnte dieses offensive Niveau in den 90er Jahren aufrecht erhalten und zusätzlich mit Hilfe der 90er Pistons und 99er Spurs die defensive Performance der Champions auf ein ähnliches Niveau anheben. Die 90er Jahre waren vor allem dank den 96er Bulls, die als einziger Champion bisher eine Gesamtperformance von über 106% vom League Average erreichten, das Jahrzehnt in denen sich die Meister in der Regular Season insgesamt am deutlichsten vom Ligadurchschnitt abheben konnten.
In der Post-Jordan-Ära verschärfte sich der Trend in Richtung Defense weiter. So waren die Hälfte der letzten 16 Titelträger defensiv klar besser, angeführt von den 5 Champions, deren Defense sich seit 1970 am meisten vom Ligadurchschnitt abgehoben hat: Celtics 08 (8%), Pistons 04 (7.3%), Spurs 99 (7%), Spurs 05 (6,9%) und Spurs 07 (6.2%). Defensivstarke Champions sind in den letzten 16 Jahren also wieder sehr in Mode gekommen, auch wenn es immer mal wieder Teams, die offensiv stärker waren (Lakers 2000 + 2001, Heat 2006 + 2013, Mavs 2011), gelang den Titel zu gewinnen.
Ob dieser defensive Trend in den letzten 20 Jahren aber nun eine Modeerscheinung ist, durch die Evolution des Basketballspiels (intensivere Benutzung der Dreierlinie ab 1994) begünstigt wurde oder durch die Regeländerungen in den 90ern und frühen 2000er Jahren (u.a. hand-checking und defensive 3 seconds) hervorgerufen wurde, ist statistisch nicht nachvollziehbar. Fakt ist aber, dass das Verteidigen u.a. durch die Dreierlinie und die hand-checking-rule seit Anfang der 90er Jahre schwerer geworden ist. Und theoretisch ist es logisch, dass man sich in Dingen, die schwerer zu meistern sind, besser von der Masse abheben kann. Aber nach dieser Theorie wäre es dann auch wieder schlüssig, wenn sich dieser defensive Trend mit der Anhäufung von Erfahrungen mit einem Regelwerk, das nun seit fast 10 Jahren ziemlich stabil ist, auch wieder legt.
An dem Spruch “Defense wins Championships” war also nicht nur in den 50er und 60er Jahren etwas dran, sondern auch in den letzten 20 Jahren. Doch dank mangelnder Allgemeingültigkeit und einer stetigen Entwicklung des Basketballspiels wird er wohl immer eine Floskel bleiben, deren Wahrheitsgehalt sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt ändert.
Wer sind historisch gesehen die diesjährigen Favoriten?
Das folgende Rating versucht die prozentuale Übereinstimmung der NBA Teams mit dem durchschnittlichen NBA-Champion anhand des ORTG, des DRTG und des Effective Age zu erfassen. Die Skalas sind dabei auf die historischen Minimalwerte (24.5 Effective Age und 98% des Average-ORTG/DRTG) im Nullpunkt und den Werten eines durchschnittlichen Champions (29.0 Effective Age und 103% des Average-ORTG/DRTG) bei 100% ausgelegt. So beschreibt der durchschnittliche Prozentsatz in der vierten Spalte schließlich wie sehr ein Team dem durchschnittlichen historischen Champion entspricht.
In den letzten 35 Jahren hat nach diesem Rating jeder Champion mindestens zu 70% dem durchschnittlichen Meister entsprochen. Nur 3 Mal wurde die 80%-Marke unterschritten und nur 8 Mal die 90%-Marke.
Doch die Playoffs wären nicht die Playoffs, wenn es nicht immer wieder auch mal ein Wunder geben könnte.
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