LeBron James, Kevin Durant, Giannis Antetokounmpo, Kawhi Leonard – In einer Ära des Basketball, in der ein Großteil der besten Spieler der Welt Wings sind, stehen viele Franchises vor besonderen Aufgaben bei der Bildung eines erfolgreichen Teams rund um diese Spieler. Keine andere Position dürfte von dieser Entwicklung mehr betroffen sein als die des Point Guards. Flügelspieler der Kategorie Superstar benötigen keinen klassischen Floor General neben ihnen, der das Spiel dirigiert. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Sie dominieren selbst als primäre Ballhandler ihre Teams. Um die perfekten Side-Kicks für diese Superstars darzustellen, müssen die Point Guards dieser Teams ein spezielles Skillset aufweisen und müssen zudem bereit sein, sich auf die entsprechende Rolle einzulassen. Dadurch erscheinen sie oftmals unauffällig und sind doch extrem wichtig. Zwei der Guards, auf die diese Beschreibung zutrifft wie auf kaum andere in der Liga, duellieren sich aktuell in den Eastern Conference Finals. In der Serie zwischen den Raptors und Bucks stehen sich Kyle Lowry und Eric Bledsoe im direkten Duell gegenüber. Dabei scheint Lowry deutlich besser in dieser speziellen Rolle aufzugehen. Warum ist das so? Welche Stärken helfen ihnen, diese Rolle auszufüllen und welche Schwächen schaden ihnen? Und wie beeinflusst das Duell der beiden den Ausgang der Serie? Was kann Bucks Coach Mike Budenholzer tun, um Bledsoe zu helfen?
Was macht die Rolle beider Spieler in ihren Teams so speziell?
Wie oben angesprochen sind beide Spieler nicht die primären Ballhandler ihres Teams. Diese Rolle nehmen die Superstars Kawhi und Giannis mit einer Usage Rate über die gesamte Regular Season von 29.6% bzw. 31.0% ein. Weder Lowry noch Bledsoe sind auch nur die zweitbesten Scorer ihres Teams, das sind Paskal Siakam mit 16.9 Punkten und Khris Middleton mit 18.3 Punkten. Und trotzdem haben beide Spieler einen entscheidende Einfluss auf den Erfolg ihres Teams. Einen großen Teil dieses Einfluss bewirken beide Spieler durch ihre starke Verteidigung des point-of-attacks. Bledsoe ist der etwas bessere on-ball Verteidiger der beiden. Seine gute Athletik in Kombination mit einer großen Wingspan und ausgeprägten defensiven Instinkten machen ihn zu einem der besten Guard-Verteidiger der Liga und bringen ihm einen Platz im NBA All-Defensive First Team der abgelaufenen Regular Season ein. Lowry dagegen besticht weniger durch körperliche Vorteile gegenüber seinen Kontrahenten als viel mehr durch enormen Einsatz und einen hohen Basketball-IQ. So führt er die Liga mit 12 gezogenen Charges in den Playoffs an.
Mit 37 Loose Balls hat er zudem auch zehn Loose Balls mehr gesichert für sein Team als jeder andere Spieler der Liga in diesen Playoffs. Mit 3.3 Box Outs pro Spiel ist er auch in dieser Kategorie führend unter allen Point Guards. Viele dieser defensiven Plays fallen dem Zuschauern nicht unbedingt derart stark ins Auge wie ein Highlight-Block, sind allerdings für sein Team trotzdem ebenso wichtig.
Diese Spielintelligenz gereicht Lowry auch am offensiven Ende enorm zum Vorteil. Er weist in den Playoffs dieses Jahr zwar lediglich eine Usage von 17,9% auf, allerdings ist er als sekundärer Playmaker oftmals der Spieler, der den zweitletzten Pass einer Possession spielt. Insbesondere wenn Kawhi ihn per Kick-Out nach einem Drive bedient, kann er selbst auch wieder schnell Richtung Zone ziehen, die Unordnung der Defense ausnutzen und den entscheidenden Pass für seinen Mitspieler spielen.
Auch im Pick-and-Pop mit Gasol oder beim Einleiten eines Fastbreaks kann er diese Stärken extrem gut nutzen:
In solchen Szenen nach Drives oder im Fastbreak, in denen Lowry seine Mitspieler sucht, schließt Bledsoe vornehmlich selbst ab. Dabei kann er seine Athletik und seine Stärken beim Abschluss am Ring einsetzen und trifft so in der Restricted Area starke 68.9% seiner Würfe (Lowry 63.0%). Dank seines explosiven Antritts ist er auch der deutlich bessere Driver und setzt diese Fähigkeit bei 11.7 Drives pro Spiel ein. Insbesondere in Transition ist er nur sehr schwer zu verteidigen:
Wenn Bledsoe in Transition im Rhythmus ist, trifft er auch Jumper, insbesondere aus der Midrange. Mit diesen Würfen hat er in anderen Situationen enorme Probleme. Besonders der Dreier ist nach wie vor eine große Schwäche Bledsoes: Er trifft in diesen Playoffs lediglich 23.2% seiner 6.3 Versuche pro 36 Minuten. Lowry kann zwar auch nur bei 34.0% seiner Dreier erfolgreich abschließen bei vergleichbarem Volumen (5.9 Versuche bei 36min), wird allerdings auch deutlich enger verteidigt und von den Spielern gegnerischer Teams deutlich mehr respektiert.
Wie wirken sich diese Unterschiede auf die Serie aus?
Diesen Respekt hat sich Lowry in der Serie mit den Bucks auch reichlich verdient. Er spielt eine extrem starke Serie und legt 19.2 Punkte pro 36 Minuten bei einem hoch effizienten True Shooting von 69.8% auf. Der Guard weist zwar weiterhin nur eine geringe Usage von 19.3% auf, aber stellt in entscheidenden Phasen eine sehr gute zweite Option seines Teams dar. Das ist für die Raptors von enormer Bedeutung, da ihr Superstar Kawhi Leonard einer hohen Belastung in der Defense gegen Giannis ausgesetzt ist und die angestammte zweite Option der Regular Season Paskal Siakam ebenso große Probleme wie der Rest des Teams hat, im Halfcourt Offense zu kreieren. Lowry tritt insbesondere als Playmaker seines Teams auf und erreicht eine Assist Percentage von 20.7% bei einem sehr guten Assist/Turnover Ratio von 2.3. Er trägt auch entscheidend zum Spacing seines Teams bei, indem er 43.6% seiner 7.7 Dreier pro 36 Minuten trifft. Diese Werte sind umso beeindruckender, da er sich einige der Würfe selbst kreiert und teilweise sehr tiefe oder schwierige Dreier nimmt:
Auch am defensiven Ende ist Lowry sehr aktiv und holt einige Steals in wichtigen Phasen.
Gelegentlich wirkt er dabei allerdings auch übermotiviert und hatte so in zwei der fünf Spielen mit Foultrouble zu kämpfen.
Foultrouble ist eines der wenigen Probleme, mit denen Eric Bledsoe sich nicht herumschlagen muss. Er spielt dafür eine sehr ineffiziente Serie und erreicht so lediglich ein True Shooting von 39.4%. Ein großer Teil dieser Ineffizienz entsteht durch sein extrem schwaches Dreier-Shooting. Nur 15.4% seiner 6.4 Dreier pro 36 Minuten finden ihr Ziel. Diese Quoten erlauben es seinen Gegenspielern, ihn an der Dreierlinie nicht zu verteidigen und stattdessen als Help Defender für ihre Mitspieler zu agieren. Auch völlig frei ist Bledsoe nicht in der Lage, diese Taktik zu bestrafen:
Dadurch entstehen zusätzlich zu seinen eigenen schwachen Quoten große Probleme für andere Spieler der Bucks, die sich schnellem Doppeln entgegensehen, dies gilt insbesondere für Giannis. Das Problem wird noch vergrößert, weil sich Bledsoe teilweise durch die geringe Bewachung verleiten lässt, früh in der Shotclock Pull-up-Dreier zu nehmen und dadurch der Fluss der Bucks Offense noch weiter gehemmt wird:
Und doch hat Bledsoe auch einige gute Szenen innerhalb der Serie. Diese entstehen vornehmlich dann, wenn er in Transition oder semi-Transition die noch ungeordnete Defense der Raptors mit seinen schnellen Drives zum Korb attackieren kann. Nach zwei schwachen Spielen in Spiel 3 und 4 der Serie, zeigte er sich zu Beginn von Spiel 5 beispielsweise stark verbessert und trifft drei seiner ersten vier Würfe. Anschließend nimmt er wieder zu viele unnötige Dreier, beendet das Spiel aber trotzdem mit einem guten True Shooting von über 60%.
In vielen Situationen erhält der Zuschauer das Gefühl, dass Bledsoe einmal im Rhythmus, zu viele Würfe erzwingen möchte. Teil dessen ist sicherlich auch, dass die Bucks abgesehen von Würfen, die er sich selbst kreiert, nur sehr wenige Plays für Bledsoe laufen und ihn stattdessen viel als Spot-Up-Option am Perimeter einsetzen. Die offensive zweite Option der Bucks hinter Star Giannis ist Khris Middleton. Er läuft viele Pick-and-Rolls als Ballhandler und trägt oftmals in Clutch-Situationen die Verantwortung. In Transition, wo Bledsoe seine Schnelligkeit ausspielen könnte, übernimmt bei den Bucks in Form von Giannis der vermutlich beste Transition-Spieler der gesamten Liga. Dass Bledsoe daher oftmals zum Zuschauen gezwungen ist, schadet offensichtlich seiner Fokussierung auf das Spiel. So ist er defensiv bei weitem nicht so stark wie in der Regular Season und verliert off-ball oftmals seinen Gegenspieler aus den Augen. Deshalb wurde Bledsoe über weite Strecken von Spiel 3 und 4 auch von Coach Budenholzer auf die Bank beordert und stattdessen bekamen die starken Ersatzspieler Brogdon und Hill mehr Minuten. Insbesondere Hill blüht in diesen Playoffs wieder auf. Dabei kommt ihm sicherlich zugute, dass er durch seinen Finals Run mit den Cavaliers im letzten Jahr bereits gewöhnt ist, die zweite Geige neben einem Superstar zu spielen. Er ist es auch, der in der ersten Overtime von Spiel 3 für Bledsoe eingewechselt wurde. Dieser wird erst wieder zurück auf das Feld gebracht, als in der zweiten Overtime Giannis ausfoulte und das Team dringend mehr Shotcreation auf dem Feld benötigte. Allerdings haben die Bucks in den vergangenen drei Spielen allgemein enorme Probleme, in der Halfcourt Offense zu punkten, weil kaum einer der Spieler in der Lage ist für sich selbst oder andere zu kreieren. Aktuell ist Bledsoe eher ein Teil dieses Problems. Möchte sein Team noch einmal in die Serie zurückkommen, muss sich Coach Bud dringend überlegen, wie er ihn stattdessen zu einem Teil der Lösung macht.
Wie können die Bucks Bledsoe besser einbinden?
Das größte Problem der Bucks und Bledsoes ist, dass sich die Stärken und Schwächen von Bledsoe und Giannis offensiv extrem ähneln. Beide sind sehr gut, wenn sie mit Geschwindigkeit auf eine nicht vollständig sortierte Defense treffen können. Beide sind extrem schwache Shooter und daher in der modernen NBA nur schwer off-ball von großem Nutzen. Die logische Alternative scheint zu sein, beide Spieler zu staggern. Aktuell steht Bledsoe 24.9 seiner 29.3 Minuten pro Spiel in den Conference Finals gemeinsam mit Giannis auf dem Feld. Bedenkt man, dass Giannis pro Spiel im Schnitt nur 38 Minuten spielt, erscheint hier noch deutliches Potenzial zu sein, die beiden vermehrt zu verschiedenen Zeiten auf das Feld zu schicken. In Minuten ohne Giannis auf dem Feld, sollte Bledsoe deutlich besser in der Lage sein, seine Stärken auszuspielen. Eventuell könnte er in solchen Lineups auch als Pick-and-Roll Ballhandler agieren und das Team so driving lanes zum Korb für Bledsoe generieren. Allerdings weist er noch deutliche Schwächen im Playmaking auf, sodass dies vermutlich ebenfalls keine ideale Lösung darstellt.
Auch in Lineups mit Bledsoe und Giannis stehen den Bucks noch viele unerprobte taktische Mittel offen. Spielt der Guard in solchen Situationen den Ballhandler in Transition und Giannis läuft ebenfalls mit, zieht Giannis viel Aufmerksamkeit auf sich und Bledsoe ist in der Lage frei zum Korb zu ziehen. Oder falls sich die Defense auf Bledsoe konzentriert, ist er in der Lage Giannis per Alley Oop zu bedienen wie in Spiel 5 geschehen:
Auch in einem Halfcourt-Setting ergibt ein Zusammenspiel zwischen den beiden durchaus neue Chancen. Agiert Bledsoe als Screener für Giannis, kann damit eventuell ein Switch der beiden Gegenspieler erwirkt werden und Giannis entgeht so dem problematischen Matchup mit Kawhi. Dies kann sowohl off-ball als auch on-ball im Pick-and-Roll mit Bledsoe als Roll Man geschehen. Letzteres hat den Vorteil, dass Bledsoe anschließend seine Athletik ausnutzen kann, um zum Korb zu ziehen und eventuell von Giannis bedient zu werden. Dies scheint zumindest eine deutlich bessere Verwendung Bledsoes zu sein als der Einsatz als Spot-up-Shooter. Allgemein sollte Bud auf Bledsoe einwirken, dass dieser aggressiver zum Korb zieht und deutlich seltener den Jump-Shot-Dreier als Alternative erwählt. Keine dieser Möglichkeiten muss zwingend zum Erfolg führen, aber mit dem Rücken zur Wand in Spiel 6 wird es Zeit für die Bucks, neue Taktiken in Betracht zu ziehen, um die starke Defense der Raptors zu bezwingen
Was also verrät uns dieses Duell im Hinblick auf das Teambuilding?
Der Aufbau eines Teams um einen Superstar Flügelspieler ist von ganz besonderen Herausforderungen geprägt. Der ideale Point Guard eines solchen Teams sollte in der Lage, als Shooter zu agieren, um für den Star mehr Platz zu schaffen. Zusätzlich sollte er auch noch ein starker Verteidiger des point-of-attack und idealerweise gut in der Rolle als sekundärer Playmaker sein. Das sind leicht zu formulierende Anforderungen, in der Realität allerdings eine sehr rare Kombination. Zieht man zudem in Betracht, dass besagter Spieler noch gewillt sein sollte, die Rolle als zweite Option zu akzeptieren, erscheint es beinahe unmöglich, einen solchen Spieler zu finden. Kyle Lowry ist dank seiner Spielintelligenz nahe genug an dieser Beschreibung, um als zweite Option neben Kawhi aufzublühen. Andere Spieler wie Eric Bledsoe erfüllen zwar einige dieser Anforderungen, aber einzelne Schwächen können sich fatal auf das Teamgebilde auswirken. Ob und wie die Bucks und ihr Coach Mike Budenholzer diese Schwächen umgehen können, könnte entscheidend für den Finalseinzug der Bucks sein.