Phoenix Suns

Die Evolution des Goran Dragic

Den Weg von Goran Dragic in die NBA kann man wohl als steinig und holprig bezeichnen. Viele Faktoren erschwerten die Ankunft des Slowenen, schon bevor er überhaupt seine Draft-Teilnahme bestätigen konnte. Ein Rechtsstreit zwischen seinen früheren Vereinen Caja Laboral (Spanien) und Olimpija Ljubljana (Slowenien), welche sich um die eigentlichen Rechte an Dragic bemühten, legten die vorläufige Hoffnung auf einen Wechsel in die nordamerikanische Profiliga auf Eis. Erst nachdem der spanische Club den Prozess für sich entscheiden konnte, war der Weg für Dragic auf die große Bühne frei.

Der Weg in die NBA – die Draft

Für den Point Guard erfüllte sich im Sommer 2008 der langersehnte Traum. An 45. Stelle des 2008 NBA Drafts wurde der Point Guard von den San Antonio Spurs ausgewählt und anschließend für zukünftige ‚assets‘ nach Arizona transferiert, wo er fortan Spieler unter und designierter Nachfolger von All Star Guard Steve Nash werden sollte. Das Management der Phoenix Suns war über diesen Deal hocherfreut. Laut Aussage des damaligen General Managers Steve Kerr betrachtete man Goran Dragic als zweitbestes Point Guard-Prospect des Drafts (direkt nach Derrick Rose), man sei von seinen fantastischen Leistungen während der Europameisterschaft, unter anderem im direkten Duell gegen den Franzosen Tony Parker, überzeugt gewesen und Kerr ergänzte die Lobeshymnen und bezeichnete Dragic als unglaublichen Coup, da die Detroit Pistons, welche an 46. Stelle ein Talent hätten wählen können, sich für den damals 22-jährigen Dragic entschieden hätten. Phoenix selber konnte erst in letzter Sekunde einen Deal mit den San Antonio Spurs arrangieren.

We literally called every team with a pick before ours at 48, hoping to move up to take Goran. We were unsuccessful for a long time, and we were losing faith as the round unfolded, thinking that he would be gone. But finally San Antonio agreed to a deal, and we got our man. We believe that Goran has the potential to be our starting point guard in the future, so to fill such an important position with a second round pick would be a coup. – Steve Kerr

Probleme traten nun mit Dragics Vertrag mit dem bereits erwähnten spanischen Team Caja Laboral auf, die eine Ausstiegsklausel für den Slowenen auf rund $1,5 Millionen dotierten, wobei ein NBA Team lediglich 1/3 dieses Betrages hätte beisteuern können. Caja Laboral selber verweigerte schon zuvor, durch ein hohes Vertragsangebot, dass ihr Spieler Tiago Splitter zu den San Antonio Spurs wechseln konnte, weshalb in Phoenix Unmut  lautwurde. Laut Steve Kerr wollte man jedoch alles daran setzen, Dragic sofort ins Team zu holen, da man von seiner Fähigkeit, direkt dem Team zu helfen, überzeugt war, während David Griffin, Vizepräsident des Managements, jedoch alle hohen Erwartungen bremste und Dragic immer noch als europäischen Point Guard bezeichnete, der das Spiel lernen müsse. Letzte Komplikationen wurden gelöst, indem Dragic selber den restlichen Betrag seiner Ausstiegsklausel beisteuerte und somit bereit war, das Abenteuer in der NBA, bei seinem Traumteam, zu beginnen.

 “When I was a kid, it was my dream to play in the NBA, and it’s come true. It was my wish that the Suns pick me.” – Goran Dragic

Ankunft in Phoenix – Probleme und historische Leistung

Phoenix selber befand sich zu dieser Zeit in einem Umbruch. Der bisherige Coach Mike D’Antoni verließ nach mangelnder Unterstützung durch das Management (und auf Grund der Aussicht auf ein hohes Gehalt) die Organisation in Richtung New York. Das Team sah sich dem Problem gegenüber, Center Shaquille O’Neal in das Spielsystem zu integrieren und stellte somit mit Terry Porter einen Defensivcoach als Cheftrainer ein. So wie das Team hatte auch Dragic mit großen Problem unter der neuen Spielphilosophie des Coaches zu kämpfen – einer der Gründe, warum Dragic’s Karriere einen holprigen Beginn erfuhr. Er konnte sich nicht als verlässlicher Ersatzmann erweisen und im Schnitt nur rund 13 Minuten im Schnitt verbuchen, wobei seine Quote aus dem Feld letztendlich auf unter 40% einlief. Unter Terry Porter, aber auch dem späteren Coach Alvin Gentry, war er häufig nur dritter Spieler auf der Point Guard Position, die nun hauptsächlich von Steve Nash und Leandro Barbosa bekleidet wurde.

In seiner zweiten Saison und somit nach einem kompletten Trainingslager unter Alvin Gentry, der viele Elemente der Mike D’Antoni-Offensive übernommen hat, welche sich durch schnelles Spiel und viele Freiheiten für die Spieler auszeichnete, konnte Dragic kontinuierliche Steigerungen in seinem Spiel verzeichnen. Er war nun der Backup Point Guard und wurde im Backcourt mit Leandro Barbosa gepaart, der ihm das Spiel wesentlich erleichterte und Druck beim Spielaufbau abnahm. Dragic erwies sich somit als sicherer Schütze aus dem Feld, sei es am oder auch abseits des Balles. Seine Entwicklung gipfelte im Januar 2010, wo er in Salt Lake City im Spiel gegen die Utah Jazz 32 Punkte einnetzen konnte. In Phoenix war man sich nun sicher, dass man einen legitimen Nachfolger für Nash und eine Stütze für die Zukunft gefunden hatte. Dragic selber unterstütze diese Meinung mit tollen Spielen für den Rest der Saison, in der er zusammen mit Leandro Barbosa, Jared Dudley, Louis Amundson und Channing Frye eine brandgefährlich Bankeinheit formen konnte, die in Zukunft zahlreiche Spiele alleine entscheiden würde. Dragics große Krönung folgte in der zweiten Runde der Playoffs im dritten Spiel gegen die San Antonio Spurs, wo er in 17(!) Minuten 26 (!!) Punkte auflegen konnte, die Aufholjagd der Suns, die zwischenzeitlich mit rund 18 Punkten in Rückstand geraten waren, einleitete und mit dem anschließenden Sieg den Weg zum Einzug in das Western Conference Final manifestieren konnte. Mitspieler Grant Hill bezeichnete diese Leistung als beste, die er jemals in einem Playoffspiel gesehen habe.

Enttäuschte Erwartungen und Neuanfang in Houston

Erwartungen und Hoffnungen in Dragic stiegen in der kommenden Saison in große Höhen und dieser antwortete mit der schlechtesten Saison seiner Karriere, noch schlechter als seine Rookie-Saison. Gründe hierfür wurden niemals wirklich offensichtlich. Lag es an der Auflösung der grandiosen Bankeinheit, die durch Abgänge von Barbosa, Amundson und der Beförderung Fryes in die Starting-Lineup stark dezimiert wurde? War der Druck auf Dragics Schultern einfach zu groß? Fehlte ihm das Vertrauen des Managements, welches im vorherigen Sommer komplett ausgetauscht wurde und Berichten zufolge den dritten Point Guard Zabian Dowdell bevorzugte?

Dragic hatte kein Vertrauen in seine Fähigkeiten, das Management hatte kein Vertrauen in Dragic und somit entschied man sich, den Slowenen und einen Erstrundenpick gegen den ebenfalls unzufriedenen Aaron Brooks aus Houston einzutauschen, wodurch man sich verhoffte, dem Team, das zu diesem Zeitpunkt um einen Playoffplatz kämpfte, einen weiteren Schub zu verpassen. Das Risiko zahlte sich jedoch nicht aus. Phoenix verpasste die Playoffs, Dragic konnte seiner Karriere in Houston als Backup von Kyle Lowry neues Leben einhauchen undals  sei dies noch nicht genug, unterschrieb Aaron Brooks kurz vor Ende des Lockouts einen Vertrag in der chinesischen Profiliga, welche keine opt-Klausel für Spieler erlaubte, weshalb Phoenix gezwungen war, Sebastian Telfair und Ronnie Price als neue Aufbauspieler zu verpflichten. Währenddessen profitierten die Houston Rockets von einem erneut groß aufspielenden Goran Dragic, der das Team nach dem Ausfall Lowrys für weite Strecken tragen konnte und sie bis zum Schluss im Rennen um die Playoffs hielt.

Die Entwicklung des Point Guards

Doch wie genau hat sich das Spiel Dragics entwickelt? Was machte ihn auf dem Free Agent Markt so beliebt, dass er einen Vertrag über vier Jahre (und $30 Millionen) einstreichen konnte? Hierbei muss man vor allem seine Zeit bei den Houston Rockets betrachten und analysieren:

Goran Dragic konnte sich entfalten, nachdem Kyle Lowry mit einer mysteriösen, bakteriellen Verletzung aussetzen musste. In rund 28 Spielen wurde nun Dragic von Coach Kevin McHale zum Starter befördert, was auf den ersten Blick keine große Spanne ist. Doch schaut man auf die Statistiken, die der Point Guard in dieser Zeit servieren konnte, so wird klar, dass Dragic das Zeug dazu hat, auch bei seinem neuen Team auf Dauer zu überzeugen. Man muss sich vor Augen halten, dass Dragic in dieser Zeit primärer Ball-Handler und Scorer war, nachdem Houston unter anderem  Verletzungen von Kevin Martin oder Kyle Lowry egalisieren musste:

Doch wo machte sich Dragics Entwicklung bemerkbar? In rund ¼ seiner Offensivaktionen lief Goran Dragic Pick&Roll und konnte rund 0,81 PPP (points per possesion) erzielen, womit er sich auf Platz 64 in der Liga platzieren konnte. Dragic suchte hierbei deutlich öfter den eigenen Abschluss als zum Beispiel ein Steve Nash, konnte aber trotzdem mit 46% aus dem Feld und 39% von der Dreierlinie gute Werte erzielen. Hauptsächlich machen sich seine Verbesserungen im Spiel aber in der „transition-offense“ bemerkbar, die rund 20% seiner Offensive ausmachten. Dragic ist ein äußerst schneller Point Guard, der nach einem Rebound oder einem Steal sofort attackiert und im vergangenen Jahr rund 70% seiner Würfe auf dem Weg zum Korb somit verwerten konnte, während er außerdem auch seine Mitspieler einsetzte. Er besaß von Anfang an die Fähigkeit, durch seine Athletik und Koordination sich durch Gegenspieler zu navigieren um mit Korblegern oder Floatern die Punkte zu erzielen.

Defensiv machte sich bei Dragic ebenfalls eine große Entwicklung bemerkbar. Er schaffte es, Spielzüge zu lesen und somit zum Beispiel Spot-Up Schützen zu beeinflussen. Ligaweit befand er sich hier auf einem soliden 60. Platz. Auch in Isolations schaffte er es, seinen Mann vor ihm zu halten oder zumindest in Richtung der lauernden Help-Defense zu drängen. Probleme hat er lediglich beim Verteidigen des Pick&Rolls, da er nur sehr schwerfällig und langsam schafft, sich durch die jeweiligen Blöcke zu kämpfen. Seine Kämpfermentalität und die genannten positiven Faktoren machen ihn aber immer noch zu einen überdurchschnittlichen Verteidiger, der zumindest nicht regelmäßig von seinem Gegenspieler entblößt werden wird.

Die Rückkehr nach Phoenix

Diese Leistungen machten Dragic, dessen NBA-Vertrag nach dieser Saison auslaufen würde, für viele Teams interessant. Unter anderem waren die Houston Rockets, die Charlotte Bobcats oder die Portland Trail Blazers interessiert. Zu diesen Teams gesellte sich auch sein altes Team aus Arizona, die den Abgang Steve Nashs verkraften mussten. Dragic, dessen favorisiertes Team von Anfang an die Suns waren, entschied sich für eine Rückkehr, um als Starter und Nachfolger seines ehemaligen Mentors sein eigenen Teams führen zu können. Alvin Gentry, der Dragic in seinen anfänglichen Jahren das Vertrauen schenkte und ihm Spielzeit bescherte, wurde vom Point Guard ausdrücklich als einer der Gründe für seine Entscheidung genannt.

Die ersten Spielwochen bei seinem neuen (alten) Team in Arizona bestätigten die hier aufgezeigten Fakten. Dragic ist zu einem Leader auf dem Feld avanciert, er ist die Hauptattraktion der Offensive. Seine durchschnittlich erzielten Punkte pendeln sich bei 15 Punkten und sieben Vorlagen im Schnitt ein, was durchaus sehr solide ist, aber natürlich auch Raum für Verbesserungen lässt. Während Coach Alvin Gentry zu Beginn der Saison experimentierte und mit Michael Beasley einen zweiten Ballhandler an die Seite Dragics stellte, wurde nun Jared Dudley in die erste Fünf eingefügt, womit Dragic die Verantwortung alleine bewältigen muss. Alvin Gentry bestätigt selber, dass er ein Feuer in Dragic entfachen möchte, etwas, was mit Michael Beasley, der das Spiel häufig verschleppt, nicht möglich gewesen wäre. Phoenix spielt seitdem relativ erfolgreich und konnte vier der letzten fünf Spiele gewinnen. Defensiv wird Dragic allerdings mit den angesprochenen Problemen konfrontiert, wobei diese Aussage, mit wenigen Ausnahmen, auf alle Spieler zutrifft. Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, ob Dragic der Herausforderung auch über eine Distanz von 82 Spielen gewachsen ist. Hält er die bisherige Form und zeigt evtl. noch Verbesserungen, kann man von einer exzellenten Verpflichtung sprechen.

Die Spielweise und bisherigen Leistungen von Goran Dragic machen ihn zu einem brauchbaren Nachfolger Steve Nashs und einer wichtigen Stütze in der weiteren Zukunft – so wie es Steve Kerr schon immer wollte.

  •  
  •  
  •  
  •  
  •  

Schreibe einen Kommentar