Miami Heat

Vom Bankspieler zum Allstar

Über die Entwicklung von Bam Adebayo und seinen MIP-Case

Über die Entwicklung von Bam Adebayo und seinen MIP-Case

Der Sprung vom Rollenspieler zu einem legitimen All-Star in nur einem Jahr ist einer der größten und wichtigsten, die ein Spieler in der NBA überhaupt machen kann. Eine solche Entwicklung ist zumeist einer Kombination aus einer größeren Rolle und einer Skill-Verbesserung geschuldet und macht den betreffenden Spieler fast automatisch zu einem guten MIP-Kandidaten. Bam Adebayos Entwicklung in dieser Saison ist die perfekte Personifikation dieser Theorie. Mit 16.2 Punkten und 5.1 Assists pro Spiel konnte der 22-jährige Big der Miami Heat nicht nur große Teile seine Counting Stats nahezu verdoppeln, spätestens seit Zach Lowes überragenden Artikel über Bams Weg in die NBA ist er auch auf dem Radar der Mainstream-Öffentlichkeit angekommen. Vom Schatten Hassan Whitesides befreit haben sich die Minutenzahl und Rolle des jungen Bigs in dieser Saison drastisch vergrößert und Bam zu einem wichtigen Bestandteil eines guten Playoff-Teams gemacht.

Bam, der Playmaker

Der größte Unterschied zur vergangenen Saison stellt die offensive Rolle Bams dar, mit der er nun eine wichtige Rolle in der siebtbesten Offense der Liga spielt. Seine Usage ist von durchschnittlichen 16.1% auf 21.7% gestiegen, was ihn im 86. Percentile unter allen Bigs rankt. Verbunden mit dieser Entwicklung ist ein leichter Abfall seiner Effizienz, die sich mit einem Offensivrating von 117 aber immer noch in einem sehr guten Bereich für einen hochvolumigen Spieler bewegt. Auffällig ist dabei insbesondere das deutlich verbesserte Playmaking des jungen Heat-Spielers. Mit einer Assist Percentage von 23.2% befindet er sich unter den besten zwei Prozent aller Bigs der Liga. Dank seinem Passing vom Ellbow verkörpert er den Katalysator der von vielen Set-Plays geprägten Heat Offense. Im System der Heat cutten die Spieler sehr oft zum Korb und Bam ist in der Lage, sie mit präzise getimten Pässen und guten Reads perfekt in Szene zu setzen.

Bam zieht seinen Gegenspieler aus der Zone heraus und ermöglicht so seinen Mitspielern, nach seinen Pässen relativ frei zu Abschlüssen in der Nähe des Korbs zu kommen. Die Folge daraus ist, dass die Spieler der Heat, wenn Adebayo auf dem Feld steht, 5.5% besser am Ring und 7.5% besser aus der kurzen Midrange abschließen, da sie für diese Zonen ungewöhnlich freie Würfe erhalten. Diese für die Big-Position ungewöhnliche Menge an Playmaking versetzt die Heat in die Lage, um Bam herum sehr viele hocheffiziente Spieler mit kleinerem Volumen und ohne Playmaking-Skills effektiv einzusetzen, wie beispielsweise Dunk-Contest-Champion Derrick Jones Jr. oder Edel-Shooter Duncan Robinson. Die Heat staggern ihre beiden besten Playmaker in Bam und Jimmy Butler so stark wie möglich, sodass immer einer der beiden auf dem Feld steht, um die Mitspieler in Szene zu setzen.

Gegnerische Bigs haben im Laufe der Saison zunehmend erkannt, dass Bams Passing seine gefährlichste Waffe ist und lassen ihm mehr Platz, wenn sie dafür den Cut eines anderen Spielers zum Korb unterbinden können. Diese Reaktion führt dazu, dass der junge Big viele freie Pull-up-Würfe aus der Distanz von 8-16 feet erhält, welcher er mit 42.4% solide, aber nicht überragend verwerten kann. Sein Wurf als Ganzes zeigt sich dabei zwar verbessert, stellt allerdings immer noch eher eine Art Work in Progress dar, die nicht darauf hoffen lässt, dass er in naher Zukunft echte Shooting-Gefahr von außerhalb der Dreierlinie ausstrahlen kann.

Deutlich erfolgreicher bei der Wurfkreation für sich selbst ist Bam hingegen beim Drive gegen weniger mobile Bigs. Sein gutes Ballhandling und die hohe Schnelligkeit für einen Big erlauben es ihm, sich spielend leicht mit harten Drives gegen seinen Gegenspieler durchzusetzen und anschließend am Ring abzuschließen. Clevere Hesitation-Moves, Euro-Steps und eine gute Fußarbeit verschaffen ihm den entscheidenden Vorteil, den er benötigt, um in diesen Situationen erfolgreich zu sein.

Sein Touch beim Finishing am Korb ist aktuell noch nicht ideal ausgereift und verhindert derzeit, dass seine Quote am Ring absolut elitär wird. Zu oft kann er trotz seiner Athletik den generierten Raum nicht nutzen, um den Wurf im Korb unterzubringen. Kann er sich hier noch verbessern, wird die aktuelle Quote von 72% am Ring (70. Percentile) sicher weiter steigen.

Positiv wirkt sich auf diese Quote aus, dass Bam ein sehr instinktiver Cutter ist, der so viele völlig freie Wurfgelegenheiten am Korb bekommt. Schon jetzt elitär ist er auch darin, bei seinen Drives Fouls zu ziehen. Er wird bei 18.8% seiner Wurfversuche gefoult (89. Percentile) und zieht in 2.7% aller Plays Non-Shooting-Fouls, womit er zu den besten 10% aller Bigs dieser Kategorie zählt. Darunter befinden sich auch einige sehr effektive Foul Drawing-Moves wie einen gelegentlich angebrachten Rip-Through-Move, den sich Bam vermutlich im Training von Teamkollege und Foul-Maestro Jimmy Butler abgeschaut hat. Er versucht auch häufig, Fouls bei Shot-Fakes zu ziehen, indem er sich in den Gegnern hineinlehnt, ist damit aber wenig erfolgreich, weil Gegenspieler seinen Wurf nicht ausreichend respektieren müssen.

Eine bisher noch nicht angesprochene Stärke Bams ist das Screensetting, das vielleicht den komplettesten Bestandteil seines Skillsets darstellt. Nur zwei Spieler der Liga verbuchen pro Spiel mehr Screen Assists als der Big der Heat (5.2) und der 22-jährige kann dabei auf eine weite Palette verschiedener Screens zurückgreifen. Oft agiert er als Screener im Pick&Roll für Jimmy Butler oder Kendrick Nunn und verschafft diesen große Freiräume oder slipt den Screen und zieht hart zum Korb, wo ihn insbesondere Goran Dragic im Two-Man-Game stark bedient. Ganz besonders gefährlich sind auch die Dribble Handoffs mit Duncan Robinson:

Sie geben Bam eine weitere Möglichkeit, absinkende Bigs zu bestrafen, da diese Robinson nicht trappen können und er so jederzeit genug Abstand von seinem Gegenspieler für seinen schnellen Release bekommt. Als off-ball Screener für cuttende Shooter ist Bam zusätzlich ein wichtiges Zahnrad vieler erfolgreicher Set Plays der Heat. Dies ist von besonderer Bedeutung am Ende von Spielen, wenn die Heat primär Jimmy Butler den Ball zur Creation in die Hand geben und Bam sich auf diese Weise trotz seines fehlenden Shootings auch off-ball nützlich machen kann. Man achte in der folgenden Szene darauf, wie er den Gegenspieler von Goran Dragic blockt, sodass dieser unendliche Mengen an Zeit hat, um den wichtigen Wurf gegen die Magic zu treffen.

Bam, der defensive Anker

Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen ist das defensive Ende für einen Big in der NBA noch deutlich wichtiger als seine Offense. Bam Adebayo ist ein sehr vielseitiger Verteidiger, der im defensiven System der Heat ganz unterschiedliche Aufgaben je nach Spielsituation und Mitspielern erfüllt. Im Allgemeinen agiert er als eine Art Stabilisator der Defense und obwohl diese seit Beginn der Saison ein wenig abgebaut hat, ist sie mit Bam auf dem Feld weiterhin überdurchschnittlich gut (Drtg 109.0; 67. Percentile). Wird der 22-jährige direkt in ein Pick&Roll involviert, spielen die Heat zumeist eine Art Drop Coverage, bei der Bam jedoch lange genug die direkte Driving Lane des Ballhandlers blockiert, sodass dessen Gegenspieler wieder recovern kann, und anschließend wieder zu seinem Gegenspieler zurück rotiert. Seine Länge und laterale Beweglichkeit ermöglichen es ihm, genügend Präsenz auf den Ballhandler auszuzuwirken und zugleich rechtzeitig den Passweg zum abrollenden Screensetter wieder zu schließen.

Seine größte Stärke hat der junge Big jedoch als Rimprotector und Help Defender direkt am Korb. Vor allem zeichnet er sich dabei durch seine laterale Beweglichkeit und gutes Spielverständnis aus, das es ihm ermöglicht, sehr frühzeitig zu rotieren und die Driving Lane gegnerischer Drives zu blockieren. Diese Driver werden von der Präsenz Bams abgeschreckt und nehmen entweder Floater und Midranger oder geben den Ball wieder zurück an den Perimeter. Steht Bam auf dem Feld, schließen gegnerische Teams daher 3.7% weniger ihrer Abschlüsse direkt am Ring ab; ein Wert, der sich unter den besten sieben Prozent aller Bigs befindet. Stattdessen sehen sich die Gegner zu 4.2% mehr Midrangern gezwungen (96. Percentile) als es der Fall ist, wenn Bam nicht auf dem Feld steht. Diesen Effekt nutzen die Heat insbesondere in der Zonen-Verteidigung, die das Team in 12.6% seiner defensiven Possessions und damit beinahe doppelt so häufig wie jedes andere Team nutzt, gekonnt aus. Bam spielt die zentrale Figur unter dem Korb einer 2-3-Zonenverteidigung und kann mit seinen beständigen Rotationen viele Drives der Gegner unterbinden.

Dies ermöglicht es seinen Mitspielern, aggressiver Close-Outs zu laufen und so die Dreier der Gegner stärker zu beeinflussen, die für gewöhnlich eine Schwachstelle dieses defensiven Ansatzes sind. Das trägt dazu bei, dass die Heat gegnerischen Teams nur die viertkleinste Dreier-Quote der gesamten Liga erlauben. Bam selbst stellt nicht unbedingt eine unglaubliche Shot-Blocking-Präsenz dar, die jeden Wurf am Ring merklich erschweren kann, wie das beispielsweise Rudy Gobert vermag. Allerdings bewirkt seine physische Präsenz dank der frühen Rotation trotzdem eine sehr ähnliche Wirkung auf die Shot Selection der Gegner. Bam foult in nur 2.7% gegnerischer Possessions, was für einen Big einen sehr guten Wert unter den besten 10 Prozent aller Spieler darstellt. Dies überträgt sich auch auf sein Team, sodass die Heat mit Bam auf dem Feld eine um 3.1 Prozent geringere Freiwurfrate abgeben (89. Percentile) als ohne ihn.

Seine gute Fußarbeit erlaubt es Bam auch, sehr effektiv in einer Switching-Defense zu agieren und selbst vor schnelleren Guards bei ihrem Drive zu Korb bleiben. Diese Versatilität ermöglicht es den Heat, eine weite Range an verschiedenen Frontcourt-Partnern neben Bam zum Einsatz zu bringen. Über weite Teile der Saison nutzen die Heat das, um in Meyers Leonard einen weitern klassischen Big zu starten und Bam erhält oftmals die Aufgabe, Wings am Perimeter zu verteidigen. Er kommt dieser Aufgabe auch on-ball sehr solide nach, aber das System der Heat leidet unter seinem Fehlen als Rimprotector direkt am Korb. Die weiten Wege vom Flügel verhindern seine sonst so starken frühen Rotationen und offenbaren seine Limitationen als Weakside-Rimprotector, der nur selten wirklich gute Contest bewerkstelligen kann, wenn er erst spät in das Play eingreifen kann. Eine solche Anordnung macht demnach nur Sinn, wenn der betreffende andere Big selbst auch ein hochqualitativer Rimprotector ist – Was bei Meyers Leonard nicht der Fall ist. Nach dessen Knöchel-Verletzung Ende Februar kommt Bam nahezu ausschließlich mit einem Wing wie Derrick Jones Jr. oder Neuzugang Andre Iguodala zum Einsatz. Diese Kombinationen unterstützen die Maximierung seines defensiven Impacts spürbar.

Einziges Bedenken dieser Anordnung kann es sein, ob Bam sich in der Post-Defense aufgrund seiner mangelnden Größe auch gegen die besten Post-up-Spieler der Liga durchsetzen kann. Mit 0.617 ppp rankt Synergy den jungen Big der Heat im 94. Percentile aller Post-Verteidiger. Diese Zahlen beruhen jedoch nur auf insgesamt getrackten 47 Possessions und decken sich nur bedingt mit dem Eye-Test. Es wird auf diese Weise eher aufgezeigt, wie wenige wirklich effektive Postspieler es in der NBA überhaupt gibt. Ob diese vermeintliche Schwäche in einer Playoff-Serie gegen einen dieser Spieler, wie beispielsweise Joel Embiid von den Sixers, zum Problem wird, lässt sich aktuell noch nicht beantworten, ist in der Regular Season jedoch nur von geringer Bedeutung.

Unproblematisch sind die Lineups mit Bam als einzigem Big in Sachen defensivem Rebounding. Steht der 22-jährige auf dem Feld, lassen die Heat im Schnitt 2.7 Prozentpunkte weniger offensive Rebound zu (87. Percentile). Viele der so entstehenden defensiven Rebounds greift sich Bam selbst und initiiert direkt im Anschluss Transition-Gelegenheiten für sein Team. Sein gutes Ballhandling ermöglicht es ihm, selbst den Ball über die Mittellinie zu tragen und im offenen Raum mit seinem Passing Mitspieler zu finden.

Noch effektiver als auf die Transition-Offense des eigenen Teams wirkt sich Bams Präsenz jedoch auf die Transition-Offense der Gegner aus. Mit Bam auf dem Feld können gegnerische Teams drei Prozent weniger ihrer Angriffe in Transition abschließen (98. Percentile). Da Transition-Offense nach wie vor deutlich effizienter ist als Halfcourt-Situationen, bringt das für sein Team defensiv einen enormen Mehrwert. Seine Schnelligkeit und defensive Spielintelligenz erlauben es ihm, in Transition die Mitte des Courts für den Gegner zu blockieren und so viele Situationen zu entschärfen. Highlight-Blocks als Trailer sind auch in diesen Situationen eher eine Seltenheit, stattdessen befindet sich Bam zumeist vor seinem Gegenspieler und verhindert so generell Abschlüsse in Transition.

Bam, der MIP?

Bam Adebayo ist in der vergangenen Saison von einem durchschnittlichen Rollenspieler zu einem der wichtigsten Spieler eines erfolgreichen Teams und zum Allstar gewachsen. In vielen anderen Jahren würde ihn diese Entwicklung zum sicheren MIP-Favoriten machen. In diesem Jahr ist dies vermutlich nicht der Fall, da ein gewisser Luka Doncic in Dallas bereits in seinem zweiten Jahr den Sprung zum legitimen MVP-Kandidaten gemacht hat. Aber es handelt sich dennoch um eine erstaunliche Entwicklung, die die Zukunft der Heat um ein Vielfaches strahlender aussehen lässt und aus Bam eine der besten MIP-Geschichten der Saison macht (und das sage ich nicht nur, weil ich vor der Saison auf Bam als Break-Out-Kandidaten getippt habe 😉 ).

  •  
  •  
  •  
  •  
  •  

Schreibe einen Kommentar