Zur Bewertung von Management-Leistungen
Es gibt wenige Dinge in der NBA-Welt, die Schreiberlinge und Fans lieber machen, als die Leistung eines Managements zu bewerten – und wenn es sich nicht gerade gerade um R. C. Buford und das Front-Office der San Antonio Spurs handelt, ist die Bewertung zumeist eine negative. Es wird die Wahl bestimmter Spieler in der Draft kritisiert, das vermeintliche Überbezahlen eines Spielers in der Free Agency oder die Durchführung eines einseitigen Trades. Es macht Spaß und geht leicht von der Zunge bzw. der Tastatur. Jeder kann sich sicherlich an Management-Entscheidungen erinnern, die zu einem langanhaltenden Kopfschütteln geführt haben – und dies manchmal mit völligem Recht. Machen es sich viele selbst ernannten Experten aber oftmals zu leicht?
In vielen Fällen bewerten die Kritiker allerdings von ihrem Schreibtischstuhl in einem luftleeren Raum ohne die Betrachtung äußerer, verschiedener Einflüsse, indem bspw. bloß eine Perspektive betrachtet wird, obwohl das Thema mehrere Dimensionen hat.
Arbeitsumfeld
Einen Punkt muss man sich immer – nicht nur in diesem Artikelabschnitt – vor Augen führen: Wir verfügen ausschließlich über einen eingeschränkten Einblick und sehen zumeist nur die Resultate. Das betrifft auch das Arbeitsumfeld des General Managers. Zur Beziehung der Besitzer und dem operativen Management haben Außenstehende oftmals nur wenige Informationen. Kann das Management frei arbeiten oder ist es ein Besitzerstab, welches sich gerne in die Entscheidung einmischt – und ggf. sogar überstimmt?
Also, remember the flap over the final roster spot last training camp? Again, keeping Patty Mills over fan favorite Ime Udoka was termed an organizational decision, right up until (Kevin) Pritchard made it public that Allen overruled the basketball operations people and wanted Mills on the roster. – Oregon Live
Welche Vorgaben werden dem Management gemacht? Muss ein Manager, der einen guten, aber langfristigen Plan ausarbeitet, befürchten, seinen Job zu verlieren, wenn die kurzfristigen Erfolge ausbleiben – sodass er letztlich einen möglicherweise schlechteren Plan auswählt, der aber kurzfristig etwas mehr Erfolg verspricht? Wie sind die Verträge des Managements ausgestaltet? Viele Besitzer kommen aus anderen Branchen mit anderen Geschäftstätigkeiten. Ein Arbeitsvertrag, der an anderer Stelle für einen Manager funktioniert, muss nicht der beste für einen General Manager in der NBA sein. Es sind somit falsche Anreize aufgrund der Vertragsgestaltung möglich (siehe auch Principal-Agent-Theory).
Dies ist nur ein Auszug an Fragen, deren Antworten wir bestenfalls nur teilweise kennen, aber letzten Endes jede Entscheidung eines Managers beeinflussen – und somit auch Einfluss auf die Bewertung haben müssten. Ein Trade wie jener der Phoenix Suns im Jahr 2007, als Steve Kerr als damaliger General Manager Kurt Thomas sowie zwei 1st Rounder für einen 2nd Rounder nach Seattle tauschte, steht in seiner Vita.
“There are so many trades made these days that are lousy trades that are made for financial purposes. I mean I made one of the worst trades in NBA history. I traded Kurt Thomas and two first-round picks to Seattle for nothing, to save $16 million for our organization. Where was the NBA then to veto that trade for basketball reasons? That had nothing to do with basketball reasons.” – Steve Kerr
Die Rolle Robert Sarvers (Besitzer der Phoenix Suns) und das Arbeitsumfeld von Kerr dürften an dieser Stelle aber auf keinen Fall unberücksichtigt bleiben.
Herrschende Meinung
Die Seattle SuperSonics mit ihrem General Manager Sam Presti wählten in der 2008er NBA-Draft – für die außenstehenden Beobachter und Analysten überraschend – Russell Westbrook mit dem vierten Pick, obwohl der Guard der UCLA Bruins damals außerhalb der Top10 und auf einer Stufe mit Jerryd Bayless (11. Pick) gehandelt wurde. Wie bewertet man diese Entscheidung? Geniestreich? Steal? Glück? Immerhin ist Westbrook neben Kevin Love und Derrick Rose zu einem der drei besten Spieler der Draft geworden.
Die Antwort ist schwierig. Für die meisten NBA-Fans wäre die Antwort eine leichte, wenn Westbrook die Umstellung nicht geglückt und er bloß ein Leichtathlet geblieben wäre. Presti hätte sich viel Kritik für den vermeintlichen Reach anhören müssen. Die Bewertungsgrundlage wäre die herrschende Meinung gewesen: Russell Westbrook hätte mit dem Wissenstand 2008 im Bereich 10-13 gedraftet werden müssen. Warum ist aber die herrschende Meinung als die richtige anzunehmen? Insbesondere bei einem Thema mit solch einem starken Zukunftsbezug, bei dem Prognosen auf Basis von Wahrscheinlichkeiten für nicht proportionale Entwicklungskurven getroffen werden.
Bewertungen sind unter Berücksichtigungen der zum Entscheidungszeitpunkt verfügbaren Informationen und Einschätzungen zu bewerten. Das ist unbestreitbar. Aber es bleibt die Frage, ob man die vermeintlich herrschende Meinung als einzig richtige erachtet oder ob man anerkennt, dass die Einschätzungen individuell sein können. Wenn Letzteres akzeptiert wird, muss man sich aber fragen, ob man Presti für den Pick von Westbrook hätte kritisieren können, wenn er nicht aufgegangen wäre.
Gerüchte
Viel Ungerechtigkeit widerfährt General Manager auch, weil viele Analysten und Fans bei Gerüchten schnell große Augen machen und schnelle, unbedachte Reaktionen hervorrufen – oft unabhängig davon, woher das Gerücht kommt und ob es überhaupt plausibel erscheint. Getreu dem Motto: Es wurde veröffentlicht, also muss etwas Wahres dran sein.
Ein Beispiel: Andrés Alvarez von wagesofwin.com mit über 3.000 Followern bei Twitter schreibt:
Als Erinnerung: Der Andrew Wiggins, der laut vorheriger Gerüchte ebenfalls nicht getradet wurde, wurde bekanntlich doch nach Minneapolis zu den Timberwolves verfrachtet. Es ist ja auch logisch, Spieler erstmal als zu wertvoll zu erklären. Schließlich verhandelt es sich schlecht, wenn man als eine Art Selbstbedienungsladen in die Verhandlung geht. Zudem will man als Management auch nicht unnötig die Teamchemie belasten, wenn man sich in einem frühen Verhandlungsstadium befindet und noch nicht klar ist, wie weit die Verhandlungen führen. Auch wenn die Spieler natürlich wissen, dass sie jeder Zeit getradet werden können (sofern sie über keine vertragliche oder zufällige No-Trade-Clause verfügen), macht es einen Unterschied, ob ihnen bekannt ist, dass sie aktiv in Vertragsverhandlungen involviert sind – insbesondere bei jüngeren Spielern wie Klay Thompson es ist. Aber selbst einem Ray Allen machte es etwas aus, dass die Boston Celtics nicht komplett hinter ihm standen.
I knew the (trade rumors) had been weighing on him.
– Danny Ainge über Ray Allen
Sollte man das Management also dafür kritisieren, dass die Gerüchteküche das Scheitern des Trades an dem vermeintlichen Festhalten an Thompson festmacht und dabei die Rolle Kevin Loves hinsichtlich der Vertragsverlängerung und dem Aspekt, dass das Paket aus Cleveland und Philadelphia für Minnesota attraktiver war, außen vor lässt? Die Herdplatten der Gerüchteküche kochen schnell auf. Im Sommer wurde auch den Lakers bereits der Vogel gezeigt, dass sie Carlos Boozer als Small Forward einsetzen wollen – obwohl noch nicht mal ein Coach verpflichtet wurde und keine zitierfähige Aussage von einer Person vorlag. Dies sind nur Beispiele, aber eine gängige Bewertungsbasis in der NBA-Sphäre.
Do we know better?
Natürlich können Manager weiterhin kritisiert und ihre Entscheidungen bewertet werden. Macht es dabei aber nicht zu einfach und überlegt erst einmal, ob ihr ein vollumfängliches Bild und verschiedene relevante Aspekte berücksichtigt habt. In diesem Artikel sind ja nur einige zu berücksichtigende Aspekte und Beispiele genannt. Wenn ihr bspw. Kobe Bryants Vertrag als schlechtesten der NBA bezeichnet, überlegt euch, ob ihr nicht vielleicht einer wenig weitsichtigen, eindimensionalen Betrachtungsweise folgt, denn bei der Aussage werden wichtige Aspekte vergessen – auch wenn die Kritik aus rein sportlicher Perspektive vielleicht sogar teilweise berechtigt ist. Wie waren die Aktien von Time Warner und anderen Stakeholdern bei diesem Thema, die insbesondere wirtschaftliche Interesse (bspw. Einschaltquoten, Trikotverkauf, etc.) an den Los Angeles Lakers haben? Welchen positiven Einfluss auf die Marke “Los Angeles Lakers” hat die Entscheidung, wenn andere Spieler – vor allem aktuelle und zukünftige Superstars – sehen, wie sich die Franchise um ihre Spieler kümmert? Diese Punkte können sich im großen Ganzen letztlich wieder sportlich auswirken.
Wenn man eine Management-Entscheidung evaluiert und die Bewertung zu einfach erscheint, sollte man lieber nochmal darüber nachdenken. Es könnten sich neue Perspektive und mögliche Begründung ergeben.