Denver Nuggets, NBA

Das erfolgreichste Lazarett der Liga

Wie die Nuggets sich trotz Verletzungsproblemen an der Spitze der Western Conference behaupten

Wie die Nuggets sich trotz Verletzungsproblemen an der Spitze der Western Conference behaupten

Nach nur zwei Saisonspielen mussten die Nuggets die erste Ausfallmeldung hinnehmen: Will Barton erlitt eine Hüftverletzung und sollte etwa zwei Monate pausieren. Das erschien schon wie Glück im Unglück, nachdem die Schwere der Verletzung auf den ersten Blick auch ein Saisonende hätte bedeuten können. Doch es kam noch schlimmer: erst Gary Harris, dann Paul Millsap erlitten Verletzungen, die zwar nicht als gravierend anzusehen sind, aber einen mehrwöchigen Ausfall bedeuteten. Auch Jamal Murray fiel nach einem Tritt kurz aus. Immerhin er konnte jedoch schnell wieder aufs Parkett zurück. Trotzdem sind die Nuggets diese Saison das Team mit den schwerwiegendsten Verlusten. Die Summe dieser Verletzungen lässt Erinnerungen an letzte Saison wach werden. Schon 2017/18 fehlte Millsap länger, zum Saisonende musste zudem Gary Harris einige Wochen aussetzen. Angesichts der fast identischen Bilanzen der Plätze 3 bis 9 wäre es wahrscheinlich gewesen, dass ein fitteres Nuggets-Team zumindest die Playoffs erreicht hätte.

Bemerkenswerterweise ist der Nuggets-Kader 2017/18 und 2018/19 praktisch weitgehend identisch, den größten Unterschied stellt sogar ein Verlust dar. Wilson Chandler bildete mit 74 Spielen und 31,7 MPG letztes Jahr eine wichtige Säule des Teams. Dass Denver ihn aufgrund drohender Luxussteuerzahlungen nach Philadelphia abschoben, erschien deswegen gerade nach der Barton-Verletzung als Fehler. Die Neuverpflichtungen konnten die Lücke nicht füllen, auch, da sie größtenteils ebenfalls verletzt sind: Weder Isaiah Thomas noch Michael Porter Jr. haben bislang ein Spiel für ihr neues Team absolviert. Bei Rookie Porter war das abzusehen, bei Thomas angesichts der letzten zwei Jahre zumindest zu befürchten. Die Entscheidungen der Offseason hätten also genauso gut im Desaster enden können.


Vermutlich hatten der President of Basketball Operations, Tim Connelly, und GM Arturas Karnisovas auch eine erhebliche Portion Glück, dass die Nuggets jetzt wie eines der tiefsten Teams der Liga wirken. Kaum einer der jungen Bankspieler deutete in der letzten Saison schon das jetzt gezeigte Potential an. Aktuell spielen Monte Morris, Malik Beasley, Torrey Craig, Juancho Hernangomez und Trey Lyles jeweils über 18 Minuten, nachdem sie in den letzten Jahren teils nur Garbage Time sahen. Der einzig etablierte Backup ist Mason Plumlee, der allerdings aufgrund seines hoch dotierten Vertrags und des schlechten Fits mit Nikola Jokic bereits in den letzten Jahren immer wieder Kritik einstecken musste. Wie die ehemaligen Bankdrücker sich zu brauchbaren NBA-Spielern entwickelten, ist also einen genaueren Blick wert.

Morris und Beasley ist nicht nur gemeinsam, dass sie den Nachnamen mit bekannteren NBA-Spielern teilen. Monte Morris kam zwar 2017 als College-Senior und Zweitrundenpick in die Liga, Malik Beasley wurde nach einer Collegesaison 2016 an 19 gedraftet. Beide wirkten dann aber vorerst wie Busts: 2017/18 sah Morris praktisch keine Spielzeit, auch Beasley stand nur 9,4 Minuten in 62 Spielen auf dem Parkett – trotz der schon thematisierten Ausfälle auch auf den kleinen Positionen. Morris hatte außerdem zu akzeptieren, dass die Nuggets im Sommer mit Thomas einen Spieler für seine Position verpflichteten. Auch Beasley musste damit rechnen, dass Murray öfter mit Thomas auf dem Parkett stehen würde, was so auch seine Minuten gefährdete. Der Ausfall des ehemaligen Allstars bedeutete, dass beide von Beginn der Saison an gefragt waren. Dass sie ihre Sache so gut machen, musste angesichts der Vorgeschichte allerdings überraschen. Morris wirkt aktuell wie ein in jeder Hinsicht solider Playmaker, der Länge (6-3), Wurf (45,3 3P%) und Playmaking bei geringer Fehleranfälligkeit kombiniert. Beasley ist eher ein scorender Flügel, dem zwar wie dem Rest der Nuggets etwas die Größe fehlt (6-5). Auch er trifft seine Würfe (39,3 3P%) und funktioniert ansonsten im System des Teams.

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Torrey Craig bringt mit seiner Defense einen sonst im Kader eher dünn gesäten Skill mit. Bei 6-7 kann er immerhin einigermaßen mit größeren Wings mithalten. Daher erhielt er nach Bartons Ausfall auch die erste Wahl für den Starter-Spot, wobei er nicht 1:1 die Minuten übernahm. Für einen Spieler, der 2017/18 nach vier Jahren College und weiteren vier Jahren in Australien und Neuseeland als Two-Way-Contract in die NBA kam und in der laufenden Saison nur 2 Millionen Dollar verdient, war die Beförderung trotzdem bemerkenswert. Offensiv überzeugt Craig allerdings weiterhin nicht: Er trifft Distanzwürfe nur zu 25,3 Prozent, was zu seinem ORtg von miserablen 99 einen erheblichen Beitrag leistet.

Daher musste Craig schon wenige Spiele nach Bartons Ausfall vorerst wieder auf der Bank Platz nehmen, um in Juancho Hernangomez einem kompletteren Spieler den Vorzug zu geben. Hernangomez war – wie sein Bruder Willy – in seiner Rookie-Saison vor zwei Jahren (15. Pick 2016) eine Art Geheimtipp. Durch eine längere Krankheit 2017/18 konnte er jedoch überhaupt nicht an die vorherigen Ansätze anknüpfen und wirkte auch nach seiner Rückkehr in den Kader nicht fit. In der laufenden Saison hat er allerdings die drittmeisten Minuten aller Nuggets absolviert, spielt mit überragender Effizienz (ORtg 126, 41,6 3P% bei fast 4 Versuchen) und hat auch defensiv für Highlights gesorgt:

Das ist besonders bemerkenswert, weil Hernangomez viel Spielzeit auf einer nicht komplett passenden Position verbringt. Vor allem in den ersten Saisonspielen wurde er meist als nomineller Small Forward eingesetzt, obwohl er vermutlich auf der ‚4‘ besser aufgehoben ist. Mit 6-9 bringt er eine gute beziehungsweise akzeptable Größe für beide Positionen mit. Gegen kleinere Wings wird jedoch seine Geschwindigkeit öfter zum Problem, außerdem kann er seine Stärken im Spacing weniger ausspielen. Dass er jetzt auf beiden Forward-Positionen einsetzbar ist, gibt den Nuggets Flexibilität und garantiert Hernangomez Spielzeit, auch wenn die regulären Starter wieder fit sind.

Die Entwicklung von Hernangomez ist deswegen besonders wichtig, weil Trey Lyles in der laufenden Saison eher einen Schritt in die falsche Richtung gemacht hat. Dass er gemeinsam mit Tyler Lydon – auf dessen Teamoption für kommendes Jahr die Nuggets bereits verzichtet haben – für Donovan Mitchell ertradet wurde, kann man ihm nicht zum Vorwurf machen. Ein ORtg von nur 97 allerdings schon. Lyles‘ zwischenzeitlich hervorragenden Defensivwerte vor allem in den Lineups mit Plumlee können daher nicht darüber hinwegtäuschen, dass er nach der soliden Vorsaison (9,9 PPG, 38,1 3P%, 116 ORtg) noch seine Form sucht. Entsprechend ist er neben Craig auch der einzige Denver-Spieler mit klar negativem On-Off.

Insgesamt können die Nuggets somit auf eine Reihe junger, günstiger und zugleich vielversprechender Spieler bauen, während mehr als die Hälfte der Starting Five die Medizinabteilung beschäftigt. Mit Ausnahme Lyles, der im Sommer Restricted Free Agent wird, stehen alle genannten Spieler für mindestens ein weiteres Jahr bei weniger als 3,5 Millionen Dollar unter Vertrag.

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Selbst der mit 28 Jahren schon etablierte Mason Plumlee konnte positiv überraschen, seit er nach dem Ausfall von Millsap auch neben Jokic eingesetzt wird. Schon seine Verpflichtung via Trade hatte die Frage ausgelöst, welche Rolle er eigentlich neben dem Star der Franchise spielen sollte – das Experiment mit Jokic und Jusuf Nurkic war zuvor deutlich fehlgeschlagen. Plumlees Vertrag (noch 14 Mio 2019/20) trägt ebenfalls nicht dazu bei, diese Fragezeichen auszuräumen. Solche Beträge sollte eine eher sparsame Franchise nicht für einen Spieler ausgeben, der auf maximal 20 Minuten pro Spiel limitiert ist. Obwohl er durch sein Playmaking bestimmte Elemente aus Jokics Spiel imitieren kann und daher als Backup hervorragend passt, musste Plumlee daher als überbezahlt gelten.

Die aus den Verletzungsproblemen entstandene Lösung für Plumlee könnte sich daher als Glück im Unglück herausstellen, falls die Lineups mit zwei traditionelleren Bigs (soweit dieses Label auf Jokic passt) sich als weiterhin spielbar herausstellen sollten. Ähnliches gilt für Hernangomez und Morris, die ohne Ausfälle sicher keine vergleichbaren Rollen erhalten hätten. Mit diesen drei Spielern und eventuell noch matchupabhängig Craig dürfen die Nuggets auf eine solide Playoffrotation hoffen.


Zusätzlich hat die erzwungenermaßen tiefere Rotation vermutlich auch die Spielweise des Teams beeinflusst. Die Nuggets sind aktuell ‚nur‘ 7. offensiv, was angesichts des Talents und der Resultate der Vorsaisons (4. bzw. 6.) nicht den Erwartungen entspricht. Dafür hätten vermutlich nicht einmal die größten Optimisten mit Platz 5 nach Defensivrating gerechnet. Murray, Harris und Barton sind allesamt nicht für ihre Defense berühmt. Bei Jokic galt die Verteidigung sogar als die große Schwäche, die sein Potential in Grenzen halten würde. Die laufende Saison hat natürlich nicht alle Zweifel über die Defense der Nuggets ausgeräumt, lässt das defensive Potential des Teams jedoch als deutlich höher als bisher vermutet erscheinen. Selbst eine durchschnittliche Defense wäre vermutlich nach den letzten Jahren (29. und 25.) schon eine positive Entwicklung gewesen. Den Details der Nuggets-Defense wird go-to-guys.de in den nächsten Wochen noch einen eigenen Artikel widmen, doch einige Punkte sind in Bezug auf die Verletzungen schon hervorzuheben: Gerade die Bank-Lineups funktionierten bisher defensiv gut, sie werden jetzt allerdings erzwungenermaßen durch die Beförderung einzelner Spieler in die Starting Five auseinandergerissen. Zudem wirkt Jokic deutlich mobiler, wozu zumindest auch seine anfangs reduzierte Spielzeit beitrug.

Gerade in dieser Hinsicht vermehren sich somit die Anzeichen, dass der überraschende Höhenflug der Nuggets bald ein Ende haben könnte. Die Ausfälle bedeuten, dass das Minutenmanagement gerade für Jokic an Grenzen stoßen könnte. Gleichzeitig fehlt mit Millsap der wichtigste defensive Baustein der Starting Five. Dass Plumlee mehr Zeit auf dem Parkett verbringt – und dabei oft gegen kleinere Spieler verteidigen muss –, dürfte seine Energie ebenfalls begrenzen. Angesichts der guten Leistungen von bisher extrem unauffälligen Spielern besteht auch beim Rest des Teams die Gefahr, dass eine Entwicklung zum Normalzustand hier die als ‚regression to the mean‘ bekannte Rückentwicklung auslöst. In jedem Fall haben sich die Nuggets allerdings ein angenehmes Polster elf Siegen auf 50% erarbeitet, das sie bis zur Rückkehr der Starting Five und schließlich in die Playoffs tragen sollte. Dazu trug die unerwartete Tiefe erheblich bei – was die Bedeutung von Player Development auch am Ende der Bank verdeutlicht.

Statistiken via basketball-reference.com, Stand 22.12.2018

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