Cleveland Cavaliers, Detroit Pistons, Playoffs 2016

Skill Ball gegen Small Ball

Die Playoffserie der Cavs gegen die Pistons als Testlauf

Die Playoffserie der Cavs gegen die Pistons als Testlauf

Die ernüchternde Nachricht zuerst: Es ist absolut denkbar, dass die Cavs mit ihrer Regular-Season-Rotation ohne größere Probleme in 4 oder 5 Spielen gegen die Detroit Pistons gewinnen und keine dieser Überlegungen zum Tragen kommt. Allerdings sind die Cavs diese Saison gefühlt keine zwei Wochen ohne Drama ausgekommen, sodass dieses Szenario eher unwahrscheinlich erscheint. Auch, weil Stan van Gundy aller Wahrscheinlichkeit nach versuchen wird, seine Coaching-Erfahrung gegen Tyronn Lue auszuspielen.

Der Rookie-Head Coach der Cavs weist zwar eine brauchbare Bilanz von 27-14 auf, war in ‚seiner‘ Saisonhälfte aber klar schlechter als sein Vorgänger David Blatt (30-11). Daher verdienen Lues Anpassungen auch in den vermeintlich einfachen ersten Playoffspielen Aufmerksamkeit. Tendenziell ist er in dieser Hinsicht mehr gefordert als sein Gegenüber, weil die Cavs mehr Möglichkeiten haben: Vor allem die Big-Rotation weist verschiedene Spielertypen auf, die mit ihren Stärken und Schwächen Playoffserien prägen können. Timofey Mozgov und Tristan Thompson sind klassische Bigs, die offensiv kaum Spacing generieren. Bei Thompson ist zudem die Frage, ob seine Energie reicht, um trotz körperlicher Nachteile gegen Andre Drummond zu bestehen. Kevin Love und Channing Frye bilden die Stretch Big-Alternativen, wobei Loves Defensivschwäche schon in der Regular Season öfter problematisiert wurde. Bei diesem Überangebot ist es nicht überraschend, dass die Cavs vergleichsweise wenig mit LeBron James als nominellem Power Forward agieren. Mit den Pistons treffen sie allerdings auf ein Team, das im Prinzip immer klein spielt: Marcus Morris, Stanley Johnson und Anthony Tolliver sind genauso wie der zur Deadline ertradete Tobias Harris auf den beiden Forward-Positionen größtenteils austauschbar. Daneben stehen in Drummond oder Aron Baynes praktisch immer ein klassischer Brett-Center auf dem Feld.

LeBron vs van Gundy

Dieser grundsätzliche Unterschied ist alles andere als ein Zufall, sondern ein klar geplantes Ergebnis des Teambuilding-Prozesses der letzten Jahre. Bei den Pistons wird immer deutlicher, dass Stan van Gundy um Drummond – ähnlich wie um Dwight Howard bei den Magic – einen relativ kleinen Supporting Cast versammeln will, der dem Big genug Platz unter den Körben lässt. Umgekehrt hat LeBron James klar gemacht, dass er sich immer noch in erster Linie als Small Forward sieht. Angesichts der Erfolge seiner Heat-Teams mit beispielsweise Shane Battier als zweitem Forward ist das etwas überraschend. Unabhängig von der Frage, ob er in dieser Hinsicht das letzte Wort haben sollte (oder nicht eher Coach und GM), lässt sich festhalten, dass fast alle Cavs-Transaktionen seit LeBrons Rückkehr in diese Richtung gingen. Der Trade von Wiggins für Love erfolgte nicht primär aus positionellen Überlegungen, zementierte aber die Forward-Positonen vorerst. Der Trade für Mozgov in der letzten Saison, der extrem teure Vertrag für Thompson und der erneute Trade für einen Big in Frye nahmen einen Großteil der übrigen Flexibilität. Konkret gaben die Cavs drei Erstrundenpicks ab – zwei für Mozgov, einen, um Anderson Varejao loszuwerden – und banden etwa 45 Millionen Dollar jährlich in das Trio Love/Thompson/Frye. Ein möglicher neuer Vertrag für Mozgov würde vermutlich endgültig einen Trade auf den großen Positionen nötig machen.

Van Gundy verfolgte dagegen den entgegengesetzten Weg: Dass er nicht bei erster Gelegenheit Josh Smith loswurde und ihn deshalb äußerst verlustreich entließ, weist daher eine gewisse Logik auf: Wie die erfolglosen Vertragsverhandlungen zeigen, sah SVG für Greg Monroe keine langfristige Rolle, sodass Smith theoretisch als Small Ball-4 hätte auflaufen können. In seiner besten Form aus den Atlanta-Jahren wäre Smith dafür durchaus geeignet gewesen; sein Skillset unterscheidet sich nicht grundsätzlich von Morris oder insbesondere Harris. Die beiden derzeitigen Starter holte van Gundy wohl auch als Folge des Smith-Debakels – und musste dafür kaum Assets abgegeben, wie schon beim Trade für Reggie Jackson. Im vergangenen Sommer kam am Draft Day erst Ersan Ilyasova für Cap Space in Form ungarantierter Verträge aus Milwaukee. Anschließend gaben die Suns Morris mit vagen Hoffnungen auf LaMarcus Aldridge für einen Secondrounder und Cap Space ab. Für Harris mussten die Pistons schließlich zur Deadline nur Ilyasova und Brandon Jennings abgeben. Dieser letzte Trade brachte dem Team einen von Alter und Vertragsstruktur besser passenden Spieler, bedeutete aber auch eine Abkehr van Gundys von einem klassischen Stretch Big. Ilyasova erfüllte durch Reichweite (Career 37% 3P) und Power Forward-Größe (6-10 bei 235 lbs.) dieses Profil und funktionierte bis zu seinem Trade in dieser Rolle. Sein Skillset ähnelt eindeutig dem von Ryan Anderson, der sich in van Gundys Magic-Teams etablieren konnte.

Ein neuer Trend?

Der Wechsel zu Spielern, die eher das Profil eines großen und flexiblen Wings erfüllen, lässt sich als Anpassung zu den veränderten Bedingungen der NBA deuten: Die Liga hat sich in den vergangenen Jahren hin zu kleineren Aufstellungen entwickelt, sodass mögliche Größennachteile weniger ins Gewicht fallen. Gleichzeitig wurde das Skillset der Bigs immer wichtiger – kaum ein Team lässt noch zwei Spieler auflaufen, die nur an den Brettern agieren. Trotzdem gibt es einen grundlegenden Unterschied zwischen einem Big, der von der Dreipunktlinie trifft, und einem Wing mit Wurf, der auch gegen größere Spieler verteidigen kann. Im Normalfall gibt das Team mit den kleineren Spieler Rebounding ab, erhält dafür jedoch einen großen Vorteil: Wenn der nominelle Power Forward auch schnellere Spieler verteidigen kann, lassen sich viele der extrem häufigen Pick and Roll-Spielzüge durch Switches entschärfen. Das stellt eine der größten Stärken des ‚Death Lineups‘ der Warriors und damit insbesondere Draymond Greens dar, während einige Bigs mit Wurf in dieser Hinsicht fast schon traditionell Probleme haben. Bei Dirk Nowitzki spielt das Alter dafür eine Rolle, der schon angesprochene Kevin Love hat diese Entschuldigung nicht.

An diesem Punkt zeigt sich die Bedeutung des Cavs-Erstrundenmatches für den Rest der Playoffs: Da die Warriors nicht nur defensiv, sondern auch offensiv zu den besten Teams in Sachen Pick and Roll gehören, kann die Detroit-Serie als Testlauf für das mögliche Finals-Matchup der Cavs gesehen werden. Harris/Morris sind zwar keinesfalls auf dem gleichen Niveau wie Green, Barnes und Iguodala, weisen aber einige vergleichbare Matchup-Bedingungen auf.

Standard-Lineups

Werfen wir zuerst einen Blick auf die häufigsten Regular Season-Lineups: Die Cavs starten also Kyrie Irving, J.R. Smith, James, Love und Thompson oder Mozgov. Die Pistons beginnen mit Jackson, Kentavious Caldwell-Pope, Morris, Harris und Drummond. Variationen mit Iman Shumpert oder Matthew Dellavedova statt Smith beziehungsweise Stanley Johnson oder Aron Baynes würden nur kleine Unterschiede bedeuten. Wie von Zach Lowe und grundsätzlich auch in unserem Defense-Podcast angesprochen, dürfte KCP oft Irving verteidigen, Jackson übernimmt den weniger gefährlichen Guard. Die Folge: Alle drei Cavs-Stars werden von einem Pistons-Wing verteidigt. Auch wenn sich trotzdem noch Mismatches ergeben können, besteht so zumindest die Möglichkeit, jedes Pick and Roll der drei Spieler zu switchen. Vor allem bei Spielzügen mit James als Ballhandler, die Love als Blocksteller und anschließend Roll-Man oder Distanzschützen einsetzen, ist das extrem wichtig. Drummond kann dagegen gegen den von der Dreipunktlinie ungefährlichen anderen Big die Zone absichern. Umgekehrt stellen Pick and Rolls mit Loves Gegenspieler ein Problem dar, weil die Cavs mit ihren relativ großen Lineups nicht die gleiche Möglichkeit haben. Trotz der qualitativen Vorteile Clevelands besteht in diesem Ungleichgewicht eine Gefahr, die schon Anpassungen erzwingen könnte.

Going Small(er)

Die Pistons haben relativ wenige Möglichkeiten, noch kleiner zu werden. Zum einen kann es nicht in ihrem Interesse sein, die Minuten Drummonds zu verringern. Zum anderen fehlt der logische Small Ball-Center, der etwa den relativ mobilen, aber reboundstarken Tristan Thompson bändigen könnte. Wie oben angesprochen ist also Lue gefragt, wie er mehr aus den Möglichkeiten seines Kaders holt. Die nicht wirklich kleine Aufstellung mit Love und Frye (in Zach Lowes Worten vermutlich als Skill Ball zu bezeichnen) bringt beispielsweise durch ihr hervorragendes Spacing einige Vorteile mit sich – insbesondere könnte Drummond aus der Zone gezogen und in deutlich gefährlichere Pick and Rolls verwickelt werden. Obwohl die Lineups mit zwei Stretch Bigs nach dem Frye-Trade von vielen Beobachtern erwartet wurden, spielten sie bisher keine allzu große Rolle: Er stand bisher erst 30 Minuten mit Love auf dem Parkett, verglichen mit über 230 mit Thompson. Ohnehin ist die Frage, wie diese Aufstellung defensiv mit Drummonds Zonenpräsenz umgehen könnte (siehe dazu auch Sebastian Seidels Frage zur Serie). Loves Schwächen im defensiven Pick and Roll wären so auch nicht abgeholfen.

Bleibt also die Alternative, LeBron als zweiten Big aufs Feld zu schicken. Mit Thompson oder Mozgov als Gegenspieler Drummonds wären diese Lineups nicht viel zu klein, und defensiv könnten die Cavs auf ähnliche Defensivschemata wie ihre Gegner zurückgreifen. Auch die dadurch gesteigerte Minutenzahl für Dellavedova und Shumpert muss kein Schaden sein, wenn sie Irving von der Verteidigung Jacksons befreit. Das Problem, wie auch in einer möglichen Serie der Cavs gegen die Warriors: Es kann nicht das Ziel von Lue sein, Loves Minuten stark einzuschränken.

Fazit

Für ein relativ einseitig aussehendes 1-8-Matchup bestehen erstaunlich viele Probleme für den Favoriten. Für Lue und die Cavs kann das jedoch auch einen Vorteil darstellen, wenn sie sich so auf stärkere Gegner mit ähnlichen Kaderstrukturen einstellen können. Mit Ausnahme der Spurs weisen fast alle realistischen Gegner der kommenden Runden vergleichbare Small Ball-Optionen auf. Insbesondere für Love kann die Serie aber darüber hinaus zum Problem werden: Sollten die Cavs mit kleinen Aufstellungen besser fahren, könnte er sich im Sommer auf dem Trade Block befinden. Die kommenden Playoffs werden vermutlich einige neue Erkenntnisse liefern, wie klassische Lineups, Small Ball und Skill Ball mit mindestens einem Stretch Big sich aufeinander auswirken. Die Cavs-Pistons-Serie ist dafür ein hervorragender Start, weil auch die grundsätzliche Haltung der Protagonisten James und van Gundy mit in die Problematik spielt.

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