CBB Preview 15/16
Besonders nach der langen Sommerpause ist es immer wieder schwer zu glauben: Dass die neue Collegebasketball-Saison in den kommenden Tagen beginnt, bedeutet auch, dass schon in knapp sechs Monaten wieder eine Universität die Netze abschneiden wird und sich Champion nennen darf.
Auch wenn die March Madness immer wieder ihre eigenen Regeln zu haben scheint, gehen jedes Jahr mindestens eine Handvoll Teams als klare Titel-Contender in das Meisterschaftsrennen. Unsere CBB-Redaktion sowie Gast Axel Babst (nbachef.blogspot.de) möchten euch vor den ersten Spielen genau dieses Favoritenfeld näherbringen.
Wer ist dein Top-Favorit auf die CBB-Meisterschaft 2015/16?
Tobias Berger: Ein Meisterteam braucht aus meiner Sicht gutes Coaching und einen ausgeglichenen Kader mit starkem Toptalent, passenden Rollenspielern sowie etwas Erfahrung, der keine eklatante Schwäche besitzt. Wenn ich mir die potentiell besten Teams dieses Jahres ansehe, scheinen die Kansas Jayhawks am ehesten diese Mixtur bieten zu können.
Über den Trainer der Mannschaft in Lawrence brauchen wir uns nicht unterhalten. Auch wenn Kritiker ihm immer wieder vorwerfen, bisher nur zwei Final Fours erreicht zu haben, gehört Bill Self für mich mit seinem Titel ’08 und seinen elf aufeinanderfolgenden Big 12-Regular Season-Championships zu den Besten seines Fachs. Dies stellte er auch in diesem Sommer unter Beweis, als er mit seinem Kansas-Roster (plus SMU-Guard Nic Moore) bei den World University Games in Südkorea Gold für die USA errang.
Schauen wir also auf den zweiten wichtigen Punkt – das Roster. Hinter Erfahrung können wir schon einmal ein Häkchen setzen. Die Jayhawks verloren nur die Rotationsspieler Cliff Alexander und Kelly Oubre. Damit kehren rund 80 Prozent aller Spielerminuten aus 14/15 wieder zurück. Das wichtige Toptalent ist auch vorhanden. Ein Grundgerüst aus drei Upperclassmen bietet Self den Luxus auf jeder Schlüsselposition einen erprobten Starspieler aufstellen zu können. Junior-Aufbau Frank Mason könnte mit weiter verbessertem Dreier (letztes Jahr Sprung von 32,7 3P% auf 42,9 3P%) und einer guten Mischung aus Scoring und Passing zu einem der besten Playmaker des Landes avancieren. Wayne Selden, der gemeinsam mit Andrew Wiggins und Joel Embiid nach Kansas kam, lief bisher seinem 5*-Recruit-Status immer etwas hinterher. Doch der vielseitige Junior-Wing besitzt noch immer alle Werkzeuge und Fähigkeiten sich auch am College zu dem Star-Flügelspieler zu entwickeln, der er an der High School war. Nimmt er endlich den Schritt zur echten Angriffsoption kann er als mit Bigman-Scorer Perry Ellis einen sehr gefährlichen One-Two-Punch bilden. Senior Ellis wird als Jayhawks-Topscorer dees Vorjahres den Anführer der Truppe geben. Er bringt zwar für einen Brettspieler keine furchteinflößenden Maße mit (6’8”, 220 lbs., 6’10” Wingspan), stellt aber seine Gegenspieler durch das kluge Einsetzen von sowohl Face-Up- als auch Post-Up-Fähigkeiten immer wieder vor gehörige Probleme.
Damit sind wir bei den Rollenspielern angekommen, die eventuelle Schwächen der Stars ausbügeln. Auch diese scheinen in Lawrence zuhauf vorhanden zu sein. Sophomore Devonte Graham ist ein talentierter Guard, der sowohl Mason Back-Up entlasten als auch als zweiter Playmaker neben dem Starter auf der Eins auflaufen könnte. Für den Flügel stehen mit Brannen Greene und dem ehemaligen Hoop Summit-Star Sviatoslav Mykhailiuk zwei kompetente Optionen bereit. Besonders “Svi” könnte mit einer Breakout-Saison zu dem X-Faktor für Kansas, da er als neuer Wing-Scorer interessante Line-Ups erlauben würde. Aber auch auf den Bigman-Positionen bleiben kaum Wünsche offen. Der Frontcourt musste durch die zurückkehrenden Upperclassmen Traylor, Lucas und Mickelson sowieso schon als tief gelten. Nun fügte Self diesem mit den Freshmen Carlton Bragg und Cheick Diallo gleich zwei 5*-Recruits hinzu. Im Verband werden diese Jungs die Rimprotection- und Reboundingprobleme von Ellis weitestgehend lösen können und so eine starke Teamdefense ermöglichen. Die Wildcard ist hierbei Diallo, der zwar von der NCAA noch immer nicht seine Spielberechtigung erhalten hat, dennoch aber für die kommende Draft wegen seiner Tools und seines niemals stoppenden Motors als sicherer Lotterypick gilt. Aber ob nun mit oder ohne ihn – Kansas wird im kommenden Jahr schwer zu schlagen sein.
Julian Barsch: Es ist keine leichte Phase für die North Carolina Tar Heels. Eine schwere Strafe gegen das Programm von Head Coach Roy Williams schwebt in der Luft und der Erfolg blieb im vergangenen Jahr aus. Doch warum schreibe ich dann an dieser Stelle über UNC, wenn es um den nationalen Champion geht? Weil sie trotz alledem einer der absoluten Favoriten sind!
Wenn man sich den Kader mal genauer anschaut, fällt auf, dass einzig Neu-Sixer J.P. Tokoto das Team verlassen hat. Die restliche Rotation ist einsatzbereit und um ein Jahr erfahrener. Auf den Lauf bis ins Sweet Sixteen kann man aufbauen und die hartnäckigen Verletzungen aus der vergangenen Saison von Star-Point Guard Marcus Paige sind überwunden. Dass er sich nun bereits vor Spielstart die Hand gebrochen hat, ist unglücklich, aber kein Genickbruch für das Team. Noch immer deutet alles auf eine mehr als erfolgreiche Spielzeit der Tar Heels hin.
Die Big Man-Riege um Brice Johnson und Kennedy Meeks ist mittlerweile nun schon seit Jahren im System von Roy Williams zuhause und gehört zu den erfahrensten der Nation. Beide spielen auf sehr hohem Niveau und ergänzen sich dabei sehr gut. Während Johnson’s Spielstil hervorragend in das schnelle System passt, kann Meeks mit seiner bulligen Art für Dominanz in der Zone sorgen.
Eine große Hilfe wird dabei aber insbesondere das Point Guard-Spiel sein. Nicht nur, dass Marcus Paige ein schwierig zu haltender Scoring-Aufbau ist, dahinter läuft mit Joel Berry II noch ein weiterer talentierter Guard auf. In dieser Kombination wird es für jeden Gegner eine Herausforderdung sein, UNC aufzuhalten. Auch wenn es merkwürdig klingen mag, die Tar Heels können froh sein, dass die Verletzung von Paige zu diesem Zeitpunkt kommt. Im Non-Conerence Schedule trifft man noch auf schwächere Teams und die restlichen Akteure – insbesondere eben ein Joel Berry II – können bzw. müssen Verantwortung übernehmen. Der Entwicklung dieses Kaders sollte eine Verteilung auf mehrere Schultern nur gut tun. Außerdem sollte Paige bereits in einigen Wochen wieder fit und spielbereit sein.
Im Hinblick auf das Upside im Team, muss aber auch noch ein Blick auf den Flügel geworfen werden. Justin Jackson hatte eine erfolgreiche Freshman-Kampagne und sollte sich stark verbessern. Das gleiche gilt für Theo Pinson. Auch von ihm ist ein großer Sprung bei den Minuten und dadurch bei seinem Impact zu erwarten.
Dieses Team ist auf allen Positionen hervorragend besetzt. Sicherlich ist Paige auch in diesem Jahr wieder entscheidend, doch selbst ohne eine starke Verbesserung von ihm, darf UNC in dieser Diskussion nicht ignoriert werden.
Axel Babst (nbachef.blogspot.de): Die letzte Titelverteidigung liegt nun fast ein Jahrzehnt zurück. 2007 bestätigten die Florida Gators um Trainer Billy Donovan und Big Man Duo Al Horford & Joakim Noah ihre Dominanz mit einer zweiten Championship in Folge. Dass ausgerechnet ein runderneuertes und unerfahrenes Duke Team dieses Kunststück wiederholen soll, scheint auf den ersten Blick ein Hirngespinst zu sein. Doch wer diese Blue Devils im März nicht auf dem Zettel hat, könnte bei der alljährlichen Bracket Challenge schlechte Karten haben.
Zugegeben: Den Kern der Mannschaft um Jahlil Okafor, Tyus Jones, Quinn Cook und Justise Winslow annähernd adäquat zu ersetzen, wird schwierig bis unmöglich sein. Schließlich verzeichnete dieses Quartett fast drei Viertel des Scorings der punktreichsten Offensive der NCAA. Doch auch während der Meistersaison begleiteten das Team viele Zweifel. Besonders die Defensive wurde harsch kritisiert und war über weite Strecken alles andere als sattelfest.
Doch genau hier kommt der entscheidende Faktor ins Spiel: Solange Coach K auf der Trainerbank sitzt, wird Duke zu den taktisch besten Teams der NCAA gehören. Kann er dann noch auf Talent im Kader zurückgreifen, entsteht meist ein unangenehmes Gemisch für jeden Gegner.
Dass die Devils die Saison vom ersten Spiel an dominieren und ungeschlagen durch ihren Spielplan schreiten, erwartet niemand – auch ich nicht. Viel mehr geht es darum, die ersten Saisonmonate bis zum ACC Beginn dazu zu nutzen, eine Einheit zu werden und wichtige Erfahrungen zu sammeln. Fügen sich die Einzelteile in dieser Phase zusammen, was unter Coach K in der Regel der Fall ist, startet der Motor einer unaufhaltsamen Maschinerie.
Denn bei aller Trauer um die Abgänge der vier wichtigsten Spieler: Die Neuankömmlinge sind keine Laufkundschaft und in Sachen Tiefe konnte der Kader deutlich ausgepolstert werden. Kronjuwel ist Brandon Ingram, der als potentieller Top3-Pick im kommenden Draft gilt. Mit seiner Größe (6’9’’), Länge (7’3’’ Spannweite) und seinem starken Wurf ist er ein außergewöhnliches Talent. Neben Ingram tummelt sich auf dem Flügel die geballte Scoring Power. Grayson Allen war der siegbringende Faktor im Finale 2015 und brennt auf mehr Spielzeit. Auch er hat die Athletik und Skills, um NBA Teams auf sich aufmerksam zu machen. Luke Kennard war der Topscorer der US-Auswahl beim Hoop Summit und ist für einen Freshman sehr weit in seiner Entwicklung und sehr routiniert in seinem Auftritt. Dieses Trio ist die offensivstärkste Flügel-Besetzung des Landes.
Auf den Schlüsselpositionen des Centers und des Aufbauspielers setzt Coach K auf zwei weitere Freshman, die jede Menge Potential mitbringen. Chase Jeter ist ein reboundstarker und beweglicher Centerspieler, Derryck Thornton ein pfeilschneller Guard, der sich nur selber stoppen kann. Gerade von Thorntons Entwicklung wird der Teamerfolg abhängen. Doch selbst wenn ihm anfangs noch viele Fehler unterlaufen und er sich nur langsam steigern sollte, kann Allrounder Allen in die Bresche springen und den Part des Ballhandlers übernehmen.
Außerdem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass mit Matt Jones, Amile Jefferson und Marshall Plumlee drei extrem harte Arbeiter zurückkehren und die perfekten Vorbilder in Bezug auf Einstellung und Intensität abgeben werden.
Diese Mischung aus Jugend und Erfahrung, Talenten und Arbeitern macht dieses Duke Team für jeden Gegner unberechenbar und in dieser Hinsicht wesentlich robuster für Ausfälle als das Vorjahresteam. Und um nochmal auf Coach K zurück zu kommen: Ihm gebührt die Anerkennung für die Meisterschaft. Scheinbar jede Woche folgte ein weiterer Geniestreich, mit dem Coach K die Mannschaft weiter formte. Krzyzewski unternahm unzählige Adjustments während der Saison: Er veränderte Lineups, variierte die Verteidigungsform, ließ das Tempo anpassen und scoutete die Stärken/Schwächen des Gegners hervorragend. Daher wird er auch in diesem Jahr wieder genau die richtigen taktischen Kniffe finden, um das Optimum herauszuholen, und aus diesen talentierten Einzelspielern und den harten Arbeitern eine geschlossene Einheit zu formen.
Philipp Servatius: Was macht einen Champion auf der College-Ebene überhaupt aus? Zum einen sollte eine gute Mischung aus Talent und Erfahrung gefunden werden. In Form von Melo Trimble, Diamond Stone und Duke-Transfer Rasheed Sulaimon verfügen die Maryland Terrapins über gleich drei ehemalige McDonalds All-American. Das Talent ist ihnen also nicht abzusprechen. Und auch was die Erfahrung angeht ist, das Team (im Gegensatz zu den eher freshmenlastigen Teams aus Duke und Kentucky) gut aufgestellt. So hätte eine zumindest zu Saisonstart denkbare Starting 5 um Dodd, Layman, Carter, Sulaimon und Trimble durchschnittlich bereits 2,2 Saisons College-Basketball auf dem Buckel. Spätestens wenn sich Freshman Stone an Tempo und Physis gewohnt haben sollte, dürfte dieser sich einen Platz in der Starting 5 sichern, womit dieser Wert abfallen dürfte.
Doch diese gute Mischung ist nicht der einzige Trumpf, den das Team von Mark Turgeon innehat. Das Team ist unglaublich N´nervenstark. Von elf Spielen in der Saison 2014/15, die mit einer Differenz von maximal fünf Punkten gewonnen wurden, konnten die Terrapins zehn für sich entscheiden. Der entscheidende Mann in diesen Partien war oftmals Playmaker und Big Ten-Freshman of the Year Melo Trimble, der wohl auch in dieser Saison in genau diesen engen Matches das Zünglein an der Waage sein könnte. Schaden werden ihm die Erfahrungen aus der Vorsaison zumindest nicht!
Zum Schluss sollte zudem einmal die wichtigste Änderung der Offseason angesprochen werden, denn gerade auf den großen Positionen gab es einen deutlichen Umbruch. Zwar bleiben die beiden nominellen Starter Dodd und Layman erhalten. Trotzdem hat Maryland mit seinen Neuverpflichtungen dafür gesorgt, in der kommenden Spielzeit deutlich mehr Lowpost-Präsenz zu zeigen. Diese Verstärkungen wurden sowohl durch Recruiting (Star-Freshman Diamond Stone) und Transfers (Fünhrungsspieler bei Georgia Tech Robert Carter Jr) vollzogen. Gerade der deutlich massigere Carter erlaubt es Jake Layman auf den Flügel auszuweichen. Hier ist er aufgrund seiner Athletik und seinen Wurf deutlich besser aufgehoben. Weiterhin besteht aber auch die Option Layman als Strech-Four einzusetzen. In Stone hat man zudem einen Lowpost-Scorer mit riesigem Upside gefunden. Gerade in diesem Bereich könnte der Favorit auf den Big Ten-Titel also deutlich variabler sein als im Vorjahr. Man muss sich nicht mehr so sehr auf das Scoring vom Flügel verlassen.
Was festzuhalten bleibt: Der gute Kern der Terrapins um Trimble/Layman wurde auf allen denkbaren Wegen weiter sinnvoll verstärkt. Das Team ist noch variabler und verfügt über aussreichend Erfahrung, um im Rennen um den Titel bestehen zu können. Mit dem nötigen Glück könnte es in diesem Jahr für den ganz großen Wurf reichen.