Ginobili zurück in der Startformation, San Antonio zurück auf der Siegerstraße
“Redeem”
Als die US-Basketballer sich 2008 auf das Olympische Turnier in Peking vorbereiteten, hörte und las man oft den Begriff „Redeem Team“. Das war zum einen eine Anspielung auf das „Dream Team“ von 1992, zum anderen aber auch als „Projekt Wiedergutmachung“ für die enttäuschende Bronzemedaille bei Olympia 2004 zu verstehen. An Wiedergutmachung mag auch Manu Ginobili (der 2004 übrigens mit Argentinien olympisches Gold holte) gedacht haben, als er von seinem Trainer Gregg Popovich erfuhr, dass er in Spiel 5 der Finals in die Startformation rücken würde.
Gerade mal 7,5 Punkte bei 34,5% aus dem Feld hatte der Shooting Guard in den ersten vier Begegnungen der Serie gegen die Miami Heat beigesteuert, und der ehrgeizige Argentinier wird sich darüber selbst wohl am meisten geärgert haben. „I was angry, disappointed,“ sagte Ginobili nach Spiel 4. „We are playing in the NBA Finals, we were 2-2, and I felt I still wasn’t really helping the team that much“. Mit 24 Punkten und 10 Assists war er in Spiel 5 zweifelsohne einer der Hauptgründe für den Sieg seiner Mannschaft, die nun nur noch einen Sieg vom Gewinn der Meisterschaft entfernt ist.
Ginobili und Smallball
Ob Popovich bei der Entscheidung, seinen Edeljoker in die Starting Five zu befördern, an die letztjährigen Playoffs gedacht hat? Damals stand es nach vier Spielen 2-2 in den Conference Finals zwischen den San Antonio Spurs und den Oklahoma City Thunder. Ginobili startete und kam auf 34 Punkte, 6 Rebounds und 7 Assists – aber die Spurs verloren das Spiel. Dieses Mal hatten die Texaner das bessere Ende für sich.
Generell erwies sich der Formationswechsel Popovichs als glücklicher Handgriff, und er war auch eine Antwort auf den gegnerischen Coach Erik Spoelstra, der in Spiel 4 Mike Miller statt Udonis Haslem starten ließ und damit erfolgreich auf Smallball setzte. So musste nun Spurs-Center Tiago Splitter, der in der vierten Partie weitgehend wirkungslos war gegen die kleinere, agilere Aufstellung der Miami Heat, Platz machen für Manu Ginobili.
Der Argentinier erwischte einen exzellenten Start, hatte häufig den Ball in den Händen, punktete selbst und kreierte gute Wurfmöglichkeiten für seine Mitspieler: „On the opening six possessions for the Spurs, Ginobili either scored or assisted San Antonio baskets.“ Es zeigte sich schnell, dass die Präsenz eines weiteren Ballhandlers und Spielmachers für die Spurs wichtig war gegen die aggressive Perimeter-Defense des Gegners, die ihnen im vorigen Spiel solche Schwierigkeiten bereitet hatte. Ginobili war auch mitverantwortlich dafür, dass Tim Duncan im Low Post besser eingesetzt wurde und generell bessere Würfe bekam als bei der Niederlage einige Tage zuvor. Der Shooting Guard traf nicht nur besser (8-14 aus dem Feld) als bisher in der Serie, er entdeckte auch seinen Zug zum Korb wieder und sorgte damit sowohl für Punkte als auch für Spacing bzw. mehr Platz am Perimeter, den etwa der weiterhin unglaublich stark werfende Dreierschütze Danny Green (24 Punkte bei 6-10 von Downtown) sehr gut zu nutzen verstand. Und als die Heat im dritten Viertel den Rückstand bis auf einen Punkt verkürzten, war es der für sein unorthodoxes Spiel bekannte Argentinier, der 7 Punkte und 1 Assist zu einem 12-1-Lauf der Spurs beisteuerte und San Antonio die Kontrolle über das Spiel wiedererlangen ließ.
“Redemption Song”
Natürlich war der Sieg der Texaner nicht allein auf die Leistungsexplosion Ginobilis zurückzuführen. Der bereits genannte Danny Green wäre ebenso zu erwähnen wie Tony Parker, Tim Duncan oder die starke Verteidigung, die Boris Diaw gegen LeBron James spielte. In einer Serie, in der es beide Trainer und Teams verstanden haben, mit oft eher kleinen, aber wirkungsvollen Veränderungen auf Niederlagen zu reagieren, sind es Popovich und die Spurs, denen der bislang letzte Coup gelang. Es ist nun an Spoelstra und Miami, ihrerseits eine Antwort zu finden – andernfalls dürfte sich der „Redemption Song“ für Manu Ginobili als ein Lied mit Happy End herausstellen.