Wie die Warriors ihr vorläufiges Grab selbst schaufelten
Die Golden State Warriors konnten Spiel 1 der Western Conference Finals gegen die San Antonio Spurs nach einer gigantischen Aufholjagd letztlich doch noch gewinnen. Zur Halbzeit lag man bereits 20 Punkte zurück. Die Aufholjagd wurde selbstverständlich begünstigt durch den Ausfall Kawhi Leonards, der im dritten Viertel verletzt den Platz verlassen musste. Doch wie kam es überhaupt zu dem großen Vorsprung für San Antonio? Was genau machten die Warriors offensiv falsch, um sich so ein tiefes Loch zu graben?
Trotz 62 gegnerischen Halbzeitpunkten war die Defensive der Warriors gar nicht schlecht. Die Spurs trafen viele schwierige Würfe. Gerade Jonathan Simmons nahm einige Shots aus der Bewegung und traf diese zu Beginn hochprozentig. Aber auch LaMarcus Aldridge, der in der ersten Spielhälfte von Draymond Green verteidigt wurde, traf einige harte Fadeaways gegen einen der besten Verteidiger der Liga. Normalerweise sind diese Wurfversuche Simmons’ und Aldridges jene, die eine Verteidigung noch am ehesten abgibt.
Dazu gesellte sich außerdem ein wenig Reboundpech und –unvermögen, sodass San Antonio auch über Second Chance (oder Third Chance) zu leichten Punkten kam.
In Schönheit sterben?
Das große Problem war aber definitiv die eigentlich sonst historisch gute Offensive Golden States. San Antonio tat defensiv genau das, was man von der besten Defensive der regulären Saison und einem der besten Coaches aller Zeiten erwarten durfte: Der Gameplan wurde danach ausgerichtet, wie man die Warriors schon in der Vergangenheit behindern konnte. Golden State spielt oft und gerne weniger traditionelle Pick’n’Rolls, sondern sie bewegen den Ball viel und schicken die Spieler durch unzählige off-ball-Screens. Während die Verteidiger durch die Screens kämpfen, reicht den Warriors diese kurze Zeitspanne, um sich an der Dreierlinie zu positionieren. Weil sie mit ihren ersten 7 Rotationsspielern viele sehr gute Schützen aufweisen können, ist die Gefahr für den Gegner sehr hoch. Schnelle, kurze Pässe oder Hand-Offs führen so zu guten Würfen an der Dreierlinie. Hier ein typisches Beispiel für eine solche Aktion, wo die Defense “traditionell” verteidigt.
Die Cavaliers und Thunder zeigten defensiv bereits im vergangenen Jahr die Blaupause dagegen: Off-ball-Screens werden nahezu immer geswitcht. Dadurch, dass sich der Verteidiger nicht über den Screen kämpfen muss, bekommt der Warriors-Schütze keinen Platz und keine Zeit. Zwar entsteht dadurch ein Mismatch, weil oft ein Big auf einen Wing geswitcht wird, aber man nimmt dies eher in Kauf als einen offenen Dreier. Zweitens wird so der Warrior gezwungen, von der Dreierlinie wegzulaufen; ein weiterer Gewinn für die Defensive. Ist der Empfänger des Passes zudem Klay Thompson, hat die Verteidigung erneut einen guten Job gemacht, weil er durch sein eher schwächeres Ballhandling als Slasher eine kleinere Gefahr darstellt als als Schütze.
Auch San Antonio hielt sich mit Erfolg an diesen Plan. Sie ließen durch diese Taktik nur neun Versuche von Downtown zu. Wie es in der Basketballwelt mittlerweile als erwiesen gilt, ist der beste Weg Dreier zu verteidigen, indem man keine Versuche zulässt. Die Warriors wurden regelrecht von der Dreierlinie gelaufen.
In der regulären Saison ist diese Taktik für Golden State deshalb so erfolgreich, weil es dazu intensiven Scoutings bedarf. Dies können gegnerische Teams aber dort wenig bis selten aufbringen, weswegen die Teams dann traditionell verteidigen. Außerdem braucht es ein großes Maß an Disziplin, um so dauerhaft zu verteidigen.
Das „einfache“ Gegenmittel für Golden State wäre es, einfach mehr Pick’n’Roll zu laufen. In den ersten beiden Vierteln gab es vielleicht insgesamt 4 oder 5 hiervon. Das ist viel zu wenig. Gerade in Lineups mit viel Spacing ist ein Spread-Pick’n’Roll der Warriors nicht zu verteidigen. Switching hilft hier nur noch wenig, und man drängt dem Gegner das ultimative Pick-you-Poison auf. Brown hat viel zu lange gebraucht, um die Offensive von off-screens auf mehr klassisches Screen’n’Roll umzustellen, wo die bisherige Spurs Taktik relativ stark verpufft. Ja, die Warriors lieben ihre off-Screens und Curry quer über den Platz zu schicken. Aber mit dem besten Dreierschützen aller Zeiten als Ball Handler wird man im Pick’n’Roll unaufhaltsam. Dies wird umso wichtiger, wenn man einen schwachen Verteidiger wie Pau Gasol in theoretisch jedes Play involvieren kann (welch Überraschung, dass genau dies im dritten Viertel direkt gemacht wurde). Die Warriors müssen für den Rest der Playoffs unbedingt mehr Plays mit Steph als primären Initiator der Offensive etablieren.
I know what you’re doing
Dieses Warriors-Problem lässt sich mit Vorsehbarkeit beschreiben. Darunter fällt auch die Tatsache, dass Brown Rotationen spielen ließ, die die Warriors immer so spielen. Popovich nutzte diese Vorhersehbarkeit aus. So schickte er zum Beispiel ein kleines Lineup aufs Feld (Ginobili und Lee), als Brown mit West, Iggy und Barnes spielen ließ. Somit konnte er David West im Pick’n’Roll attackieren und gleichzeitig Lee und Manu defensiv bei Barnes und West verstecken.
Die Warriors hatten in diesem Lineup zudem viel zu wenig Shooting, Playmaking und Ballhandling. Gegen die beste Defense der Liga können solche Lineups nicht gelaufen werden. Resultate davon waren unter anderem mehrere David West Isolations im Low Post und lange Zweier. Im Jahr 2017. Das sind genau die Würfe, die San Antonio abgeben will.
Brown (oder Kerr) muss dringend an seinen Lineups arbeiten. Lineups wie Livingston-Green-West-Klay-Barnes waren zu lange auf der Platte, was zu einem Shooting- und Ballhandling-Vakuum führte. Konzentriert sich eine Verteidigung zu sehr auf Thompson, fehlen der Offensive komplett die Mittel.
Anderes Beispiel: Zu Beginn brachte Popovich Simmons für Green statt mit Lee oder Gasol zu gehen, weil Draymonds „übliche“ Pause anstand. Pops Plan sah es vor, dass Durant nun gegen den deutlich schweren Aldridge im Low Post verteidigen musste.
Es sind Playoffs!
Es wirkte fast, als wären die Warriors noch immer im Regular-Season-Chill-Modus. Sie spielten in der ersten Halbzeit ihren offensiven Stiefel ohne Anpassungen herunter. Die Spurs luden sogar teilweise Spieler wie Thompson oder Green zum 1-gegen-1 unter dem Korb ein, wohlwissend, dass das passlastige System der Warriors Einzelaktionen diametral gegenüber steht. Immer wieder kamen so Turnover von Durant oder Green zustande, die den riskanten, nicht offenen Pass zu einem Mitspieler suchten. Gerade Green sucht vom High oder Low Post nahezu immer den Pass zum Cutter oder an die Dreierlinie. Durch die Geduld und Disziplin San Antonios war aber selten jemand frei und Green war nicht in der Lage, dies als eigene Scoring-Möglichkeit wahrzunehmen.
Selbst ein überragender Isolation-Scorer wie Durant zögerte bisweilen, ins 1-gegen-1 zu gehen. In der zweiten Halbzeit gab es ein schönes Beispiel, als er an der Korb-Korb-Achse an der Dreierlinie stand und Kyle Anderson gegenüberstand. Erst nach einem Blick zu Green, der ihm signalisierte, er solle es in der Isolation probieren, zog Durant mit einem Crossover vorbei und punktete locker für 2. Diese Art von Aktionen gab es in der ersten Halbzeit viel zu wenig.
Ein letzter Punkt, der enorme Fragen aufwirft, ist die Minutenverteilung der Warriors. In der regulären Saison werden sie von Experten für ihre schonende Spielweise ständig gelobt. Spieler erhalten genügend Pausen, kein Spieler bekam mehr als 34 Minuten pro Spiel. Aber werden Spieler nicht genau wegen der Playoffs geschont? Sollten Teams ihre besten Spieler nicht möglichst viel auf den Court schicken? Während bei den Spurs Aldridge und Leonard 20 von 24 Minuten in der ersten Halbzeit auf dem Feld standen, hatte Curry auf der Gegenseite die meisten Minuten mit 19. West kam auf 5, Barnes auf 7. Gerade gegen ein Team, das das gesamte Spiel mit nahezu jeder Lineup gute Defense spielen kann, müssen die besten Spieler mehr Minuten bekommen. Hey, wie wäre es zudem mal mit Draymond als Center auch in der ersten Halbzeit?
Vielleicht wurden die Warriors im letzten Monat der regulären Saison und in den ersten beiden Playoff-Runden zu wenig gefordert, aber sie sollten langsam mal realisieren, dass sie ihre Intensität und Vorbereitung auf Playoff-Niveau anpassen sollten.
Fazit
Der Ausfall Kawhi Leonards kann sehr wohl als ein wichtiges Argument gesehen werden, warum die Spurs den Vorsprung nicht halten konnten. Er ist aber mitnichten der Grund, warum es überhaupt zu diesem Vorsprung kam. Dies zeigt diese Analyse.
Golden State fehlte wahrscheinlich schon ein wenig Rhythmus und Spielpraxis durch die wenigen Spiele (8) seit Mitte April und der Rost war in der Treffsicherheit zu sehen. Aber der Großteil der Probleme war hausgemacht. Die Warriors können sich eigentlich nur selbst stoppen und genau dazu waren sie auf dem besten Weg. Es wird spannend zu beobachten, inwieweit sie hier anpassen können. Bereits im vergangenen Jahr fanden sie auf die Defensivtaktiken der Cavs wenige Antworten und spielten selbst in den Finals seltsame Rotationen. Nicht zuletzt Anderson Varejao hatte einen entscheidenden Anteil an der Niederlage. Man sollte also nicht nur auf eine Rückkehr Steve Kerrs hoffen.