Wie sieht jetzt die Lage in Oklahoma City aus?
Die NBA-Trading-Deadline 2015 ist Geschichte und wie erwartet haben die Oklahoma City Thunder ernst gemacht und Reggie Jackson getraded. Insgesamt sind D. J. Augustin, Kyle Singler, Steve Novak und Enes Kanter zum Team gestoßen. Welche Intention verfolgen die Thunder mit den gemachten Moves?
Der Trade im Einzelnen
Oklahoma IN: D.J. Augustin, Kyle Singler, Steve Novak, Enes Kanter, 2019er Secondroundpick
Oklahoma OUT: Reggie Jackson, Kendrick Perkins, Grant Jerrett, Rechte an Tibor Pleiss, 2017er Firstroundpick (protected)
Detroit IN: Reggie Jackson
Detroit OUT: DJ Augustin, Kyle Singler, zwei Future Secondroundpicks
Utah IN: Kendrick Perkins, Rechte an Tibor Pleiss, Future Secondroundpick, 2017er Firstroundpick (protected), Grant Jerrett
Utah OUT: Enes Kanter, Steve Novak
Daneben haben die Thunder auch noch Ish Smith an die New Orleans Pelicans abgegeben, ohne einen signifikanten Gegenwert zu erhalten. Das Roster sieht nun so aus:
PG: Russell Westbrook – DJ Augustin
SG: Andre Roberson – Dion Waiters – Anthony Morrow – Jeremy Lamb
SF: Kevin Durant – Kyle Singler – Perry Jones
PF: Serge Ibaka – Nick Collison – Steve Novak
C: Steven Adams – Enes Kanter – Mitch McGary
Was ist die Intention dieses Trades?
Zunächst einmal war der Trade dadurch notwendig geworden, dass Reggie Jackson ihn verlangt hatte. Der Guard wollte unbedingt weg aus Oklahoma, was man auch daran erkennen kann, dass er nach dem Trade twitterte, Freudentränen zu weinen. Zudem wurde bekannt, dass Jackson sich vor dem dritten Spieltag weigerte zu spielen, obwohl er seine Knöchelverletzung auskuriert hatte. Grund soll gewesen sein, dass er nicht vor der Vertragsverlängerungsdeadline am 31.10.14 getraded wurde. Zur Erinnerung: Beim Spiel gegen Denver hatten die Thunder aus Verletzungsgründen nur 8 Spieler zur Verfügung, sodass Perry Jones zeitweise die Ballhandlingaufgaben übernehmen musste. General Manager Sam Presti musste sodann nach einem passenden Gesamtpaket suchen. Sicher war nur, dass Center Kendrick Perkins und sein auslaufender Vertrag definitiv mit eingeschlossen werden mussten, um die Salaries zu matchen. Wie Adrian Wojnarowski berichtete, hatte er wohl auch Angebote der Indiana Pacers und Brooklyn Nets (hier wäre Brook Lopez eingeschlossen gewesen) vorliegen. Presti entschied sich dann jedoch doch dafür, das Angebot der Pistons und Jazz anzunehmen.
Isoliert betrachtet, hat dieses Angebot auch einiges an Charme. OKC gibt Perkins und Jackson ab, die aus unterschiedlichen Gründen für die Zukunft der Franchise keine Rolle mehr spielten. Ebenfalls wechselten noch der Lottery-geschützte 2017er Erstrundenpick und die Rechte an Pleiss den Besitzer. Letzteres ist nicht schön, aber zu verschmerzen. Bekommen haben die Thunder vier Spieler, die die wichtigsten Needs der Franchise sofort bedienen können: DJ Augustin ist ein erfahrener Point Guard, der die Bank neben Waiters anführen wird. Zudem spielte er mit Kevin Durant schon bei den Texas Longhorns zusammen, woher die beiden noch befreundet sind. Augustin steht noch bis Sommer 2016 unter Vertrag und verdient dabei 3 Millionen $ pro Jahr. Seit Brandon Jennings’ Verletzung legte er in Detroit ziemlich ansprechende Zahlen auf (Februar: 19,8 PPG, ORtg 123). Hält Augustin diese Leistungen, kann er einen sehr guten Backup hinter Westbrook abgeben und auch mal ein paar Minuten neben ihm spielen. Kyle Singler (Vertrag bis Juni 2015/1,1 Millionen $) und Steve Novak (bis 2016/3,4 bzw. 3,75 Millionen $ p.a.) sind beide Shooting-Spezialisten, die die Dreierschwäche der Thunder ausmerzen sollen. Besonders Singler, der im Sommer RFA wird, bringt daneben noch solide Defense mit und sollte sich deswegen in der Second Unit der Thunder schnell etablieren. Überzeugt der Flügelspieler, wird OKC versuchen ihn zu halten. Ein Vertrag, der ihm 10-12 Millionen über 3 Jahre bringt, läge z.B. im Bereich des Möglichen. Steve Novak wird zwar wahrscheinlich eher den Handtuchwedler am Ende der Bank geben, aber es ist immer von Vorteil, jemanden zu haben, der schnell mal einen Dreier treffen kann. Die Thunder bekommen also drei solide Rollenspieler, von denen zumindest Augustin und Singler sofort weiterhelfen werden.
Bleibt Enes Kanter und damit die große Unbekannte in diesem Trade. Der 22-jährige Türke ist ein offensiv begabter Center mit einer Nase für Rebounds (13,8 PPG, 7,8 RPG, 105 ORtg), seine Defense lässt allerdings zu wünschen übrig. Im Idealfall kann Kanter neben allen vier weiteren Front-Court-Spielern der Thunder spielen, wird von vor allem Ibaka und Adams defensiv abgesichert und kann auf der anderen Seite des Feldes mit seinem Scoring helfen. Im weniger idealen Fall klappt das Zusammenspiel nicht und Kanter, im Sommer ebenfalls Restricted Free Agent, sucht nach der Saison das Weite. Die Thunder haben allerdings schon durchblicken lassen, dass sie mit dem Center gerne verlängern wollen. Nur so macht das Aufgeben von Pleiss auch überhaupt Sinn. Wahrscheinlich würde ein Betrag von 35 bis 50 Millionen Dollar über 4 Jahre fällig werden, um eine Einigung zu erzielen oder aber OKC müsste ein ähnliches Angebot matchen. Im Angesicht des steigenden Salary-Caps wäre dies auch gerechtfertigt – wenn Kanter es schafft seine Leistung zu bringen. Da er noch nie in einem wirklich guten Team gespielt hat, ist es extrem schwer einzuschätzen, ob er das wirklich kann. In Utah machte er sein Team vor allem offensiv besser (+2.4 Punkte pro 100 Possessions mit Kanter), defensiv jedoch in ungefähr gleichem Maße schlechter. Dies lässt sich jedoch eben wegen der völlig anderen Rahmenbedingungen nicht so einfach auf die Thunder übertragen; bis zu einer endgültigen Bewertung des Trades wird es deswegen noch einige Zeit brauchen. Wenn es gut läuft, besitzt OKC mit Adams/Kanter ein Center-Duo, das sich extrem gut ergänzt und sogar nebeneinander spielen kann. Dies ist wahrscheinlich auch der Wunsch im Front-Office und deswegen wollte man diesen Trade unbedingt finalisieren.
War der Trade die richtige Entscheidung?
Diese Frage ist in Unkenntnis der anderen Angebote natürlich sehr schwierig zu beantworten. Wenn es aber wirklich so gewesen wäre, dass man zu einem Brook-Lopez-Trade nur noch hätte ja sagen müssen, bleibt schon ein schaler Beigeschmack zurück, warum man es nicht getan hat. Lopez ist einer der besten Big Men der NBA und anders als Kanter wettkampferprobt. Natürlich ist er deutlich teurer, aber auch Kanter will im Sommer bezahlt werden. Über die Gründe für das Ablehnen der beiden anderen Angebote kann also nur gemutmaßt werden.
Vielleicht erklärte sich Brook Lopez nicht bereit, seine Ausstiegsklausel fallen zu lassen, vielleicht war das Angebot der Pacers schlicht nicht gut genug. Vielleicht hielt Presti den letztlich gemachten Trade auch schlicht für besser. Wahrscheinlich sprachen die Jugend Kanters und die anderen involvierten Spieler für den Trade mit Pistons und Jazz. Ob die Entscheidung pro Kanter richtig war, wird sich im Lauf dieser und der nächsten Saison zeigen.
Die Thunder besitzen allerdings nun eine sehr vielfältige Bank, auf der von Creation (Augustin, Waiters) über Shooting (Morrow, Singler, Novak), Defense (Singler, Collison) bis hin zur Big Man-Offense (Kanter, McGary) alles vorhanden ist. Dies könnte sich noch als Vorteil in den Playoffs erweisen. Ein weiterer, bisher unterschätzter Aspekt ist die Flexibilität, die OKC gewonnen bzw. behalten hat. Lamb und Jones wurden gehalten und sind die letzten beiden verbliebenen Assets im Kader. Ihre Verträge laufen 2016 aus, ebenso wie der von Novak. Zusammen sind das 8,75 Millionen $ an Expirings, wobei Lamb und Jones ja auch noch einen gewissen Wert haben. Mit diesen Spielern lässt sich zur Trading-Deadline 2016 eventuell wieder etwas bewegen, um das Team noch einmal zu verstärken.
Was bringt der Trade Utah und Detroit?
Bei den Utah Jazz lag die Situation ähnlich wie bei den Thunder: Kanter hatte einen Trade gefordert und man musste ihn loswerden, bevor er im Sommer Free Agent wird. Zurückbekommen hat man de facto Tibor Pleiss und zwei Draftpicks. Kendrick Perkins dagegen wird kein Spiel für die Jazz machen, sondern stattdessen einem Buyout zustimmen und bei einem Contender anheuern. Man tauscht also Kanter gegen Pleiss ein und hofft, dass der deutsche Big Man ab nächstem Sommer besser ins Team passt als Kanter und spart nebenbei dadurch, dass man Kanter nicht verlängern muss und Novak los wird, eine ganze Stange Geld. Den Pick gab es oben drauf.
Detroit dagegen trifft eine andere Entscheidung: Mit den Playoffs vor Augen und der schweren Verletzung von Brandon Jennings im Hinterkopf entschied man sich dafür, zwei solide Rollenspieler für einen Borderline-Star abzugeben. Jackson kann mit seinen Scoring-Qualitäten in Detroit zurzeit mehr bewirken als Augustin und Singler. Der Nachteil ist nur, dass Stan van Gundy ihn dann im Sommer auch bezahlen muss. Und da erwartet Jackson nun mal einen Vertrag, der sich in den Sphären von dem bewegt, was Eric Bledsoe letztes Jahr erhalten hat. Trotzdem war es die richtige Entscheidung, den Trade zu machen. Im besten Fall hat man einen Allstar bekommen. Im schlimmsten Fall wird das Risiko nicht belohnt und Jackson ist nur ein etwas ineffizienter Scoring-Guard. Das wäre dann aber angesichts des geringen Preises zu verschmerzen.
Fazit
Für alle drei Teams sind die Deals – unter Ausblendung der Alternativen – ziemlich risikolos und auch sinnvoll. Keiner der Tradepartner hat sich von einem signifikanten Wert getrennt, ohne dazu durch die Situation der Spieler gezwungen zu sein. Utah macht vor allem einen auf die Zukunft ausgerichteten Deal, Detroit und vor allem OKC haben auch in der Gegenwart etwas davon. Besonders die verstärkte Bank wird den Thunder in den Playoffs, die nach den anderen Transaktionen und Verletzungen nun fast sicher sein sollten, noch enorm weiter helfen. Ob Kanter funktioniert, wird die Zeit zeigen. Wenn er es tut, ist Presti der klare Sieger des Geschäfts. Einziger Wermutstropfen aus Sicht OKCs bleibt damit der anscheinend mögliche Deal um Lopez. Man kann darüber streiten, ob der Nets-Center sein Geld wert ist, sportlich wäre er eine enorme Verbesserung gewesen. Letztlich war das Risiko, ihn im Sommer in die Unrestricted Free Agency zu verlieren Presti aber wohl doch zu groß. Trotzdem, die Thunder haben den Großteil der Probleme – Banktiefe und Shooting – gelöst und könnten mit der Integration Kanters als Gewinner dieser völlig verrückten Deadline gelten.