Detroit Pistons

Das “Blake Griffin”-Dilemma

Der Saisonstart der Detroit Pistons

Der Saisonstart der Detroit Pistons

Bei all den „sexy“ Storylines in der Liga vergisst man häufig, dass sich die Detroit Pistons in den letzten sechs Monaten einen neuen Anstrich verpasst haben. Nach Jahren des Mittelmaßes mit nur einer Playoff-Teilnahme, ertradete die Franchise in der letzten Saison Blake Griffin – seit langem spielt wieder ein veritabler Allstar in der Autostadt. Dazu wurde im Sommer der amtierende Coach-of-the-Year Dwayne Casey geholt – das Ende der Ära Stan van Gundy. Aber schafft Detroit wirklich den Sprung aus dem Mittelmaß hin zu einem klaren Playoff-Team? Und wenn ja, wie?

Die Offensive: Endlich modern – aber warum so schlecht?

Zu allererst muss man festhalten, dass Casey wirklich bemüht ist, dem Team einen moderneren Spielstil zu verpassen. Die Pistons nehmen deutlich mehr Dreier als in der letzten Saison, wenngleich sie diese noch nicht treffen: Letztes Jahr waren es 28,9 Versuche/Spiel bei 37,3% Trefferquote, dieses Jahr sind es 34,1 Versuche bei 32% Trefferquote. Das Spiel ist generell sehr auf das einzigartige Skillset von Blake Griffin zugeschnitten, der mittlerweile zumindest offensiv das komplette Paket besitzt. Sein Passspiel ist auf gewohnt hohem Niveau, der Dreier fällt sicher  (39%) und dank seines guten Ballhandlings strahlt Griffin auch vom Perimeter aus Gefahr aus. Häufig nutzen die Pistons Griffin in Sets wie diesem hier:

Bullock stellt aus der Ecke kommend den Backscreen für Griffin.

Dieser hat nun zwei Optionen: Entweder schneidet er direkt in den Lowpost oder er geht seinerseits ins Two-Man-Game mit Reggie Jackson. In diesem Fall können die beiden das Pick-and-Roll laufen, einen Handoff spielen oder – wie in diesem Fall – kann Jackson die Ablenkung nutzen, um direkt zum Korb zu ziehen.

Solche Plays nutzen Griffins große Stärke: dass er, zumindest auf dem Papier, je nach Matchup am Korb genauso effektiv ist wie als Playmaker vom Perimeter. Das dunkle Geheimnis dabei ist jedoch: Griffin ist längst kein überdurchschnittlicher Postup-Spieler mehr. In dieser Saison kommt er auf gerade Mal 0,78 PPP aus dem Post, damit befindet er sich im 28. Perzentil – ein sehr schwacher Wert. An diesem Stadium seiner Karriere ist Griffin (39,3% 3FG) am Perimeter besser aufgehoben, als in Korbnähe. Seine Effektivität im Post wird allerdings vermutlich darüber entscheiden , ob Griffin noch einmal auf wirklichem Star-Niveau spielen kann – zieht er keine konstante Hilfe mehr, hat er es auch schwer, sein Passspiel aus dem Post gewinnbringend einzubeziehen. Gegnerische Teams könnten ihn dann einfach mit einem Flügel verteidigen und so Griffins Stärken am Perimeter weiter beschneiden.

Immerhin scheint Casey das Problem erkannt zu haben und nutzt Griffin verstärkt abseits des Korbes. Davon zeugen auch die gestiegene Anzahl von Handoff-Situationen am Perimeter, die Casey sogar in entscheidenden Spielsituationen nutzt. Die Flügelspieler der Pistons haben in diesem Fall das grüne Licht, à la JJ Redick oder Wayne Ellington direkt den Dreier zu nehmen. Das Problem hierbei ist jedoch ebenfalls: Es funktioniert (noch) nicht. Reggie Bullock (27,8% 3FG), Glenn Robinson (35,3%, bei nur 1,5 3FGA) und Stanley Johnson (31,3%) treffen bisher kein Scheunentor, Langston Galloway (34,0%) ist zu inkonstant und Luke Kennard verletzt. Shooting, schon in den letzten Jahren die Achillesferse des Teams, ist auch in diesem Jahr wieder ein Problem.

Kommen wir nun zu einem weiteren Aspekt, der erklärt, wieso die Pistons trotz eines gut aufgelegten Griffins eine so schwache Offensive stellen: die Synergie der drei vermeintlich besten Spieler der Pistons, Griffin, Reggie Jackson und Andre Drummond.

Drummond und Griffin haben das Problem, dass ihre Skillsets offensiv zu ähnlich sind. Beide Spieler sind starke Passgeber und schwach im Postup – Drummond ist dort diese Saison sogar nur im 16. Perzentil (0,69 PPP)! Versuche, ihn als Distanzschützen ins Spacing einzubinden, sind grandios gescheitert; Drummond steht bei 2/11 3FG. Immerhin einen elitären Skill bringt er dem Team und das ist sein Offensiv-Rebounding.

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Es ist insgesamt etwas überraschend, warum Coach Casey größtenteils darauf verzichtet, Drummond und Griffin zu staggern. Mit einem der beiden auf dem Feld könnte man 48 Minuten lang eine Offense über einen Big-Man-Passgeber am Highpost laufen. Drummond spielte bisher aber 302 seiner 359 Minuten mit Griffin zusammen. Dafür verantwortlich sind wohl defensive Bedenken, um zu verhindern, dass Griffin gemeinsam mit dem unathletischen Backup-Center Zaza Pachulia auf dem Feld stehen muss.

Ähnliches gilt für Griffin und Point Guard Reggie Jackson. Jackson spielt bisher eine furchtbare Saison, wenngleich sich seine Zahlen mit 15,6 Punkten und einem 105 ORtg fast solide lesen. Er tut sich jedoch extrem schwer, abseits des Balles zu spielen. Ihm fehlt außerdem jegliches Gespür dafür, das Spieltempo und die Offensive des Teams zu lenken. Jackson ist einer dieser Guards aus der Dennis-Schröder-Klasse, die eigentlich nur in der Rolle als balldominanter Ballhandler effektiv sind, dafür aber letztendlich nicht gut genug sind – gerade neben Blake Griffin.

Daraus ergibt sich eine recht prominente Rolle von Ish Smith, der mit 27,6 Minuten/Spiel zu den wichtigsten Spielern der Pistons zählt und meist in der Crunchtime neben Jackson auf dem Feld steht. Die Pistons spielen die zweitwenigsten Assists der Liga und auch wenn damit wenige Turnover einhergehen (Platz 7), spricht das eher für einen Mangel an Slashing, den Smith beheben soll. So bekommen die Pistons dringend benötigte Drives und Playmaking, gerade defensiv ist die Guard-Kombo Jackson & Smith aber extrem fragwürdig.  Auch das Spacing leidet darunter, vor allem, da Smith, der sein Dreiervolumen verdreifacht hat, nach einem heißen Saisonstart auf sein gewohntes Niveau als Schütze zu regressieren scheint (34,9%, Karriere: 30,5%).

Generell kann man die neue Offensive der Pistons daher so zusammenzufassen: bemüht, aber letztlich erfolglos. Die harten Fakten lauten: Platz 22 im ORtg. Die Teile, die Coach Casey zur Verfügung stehen, passen eben trotz vorhandenem individuellem Talent einfach zu schlecht zusammen. Luke Kennard könnte nach seiner Verletzungspause vielleicht Abhilfe schaffen, da er in Handoff-Situationen und als Cutter aufblühen sollte, aber ausgemacht ist das nicht.

Wie gut ist die Defensive wirklich?

Wenden wir uns jetzt der Defensive zu. Auch hier muss Blake Griffin der Anfangspunkt jeder Betrachtung sein, denn er besitzt auch defensiv ein fast einzigartiges Skillset – allerdings im negativen Sinne. Griffin ist sowohl als Rimprotector als auch am Perimeter defensiv grauenvoll. Am Perimeter ist er erstens zu langsam auf den Beinen und kann keinen Stretch Big per Closeout verteidigen, ihm fehlt zudem auch das defensive Verständnis.

Hier etwa hilft er völlig unnötigerweise einen Passweg entfernt von einem starken Schützen weg (Saric) – ein Fehler, der den Pistons fast den Sieg gekostet hätte.

Neben Griffin sollte daher unbedingt ein Spieler stehen, der eine NBA-Defensive verankern und die eigene Zone beschützen kann. Ein Profil, dem Andre Drummond bisher nur zum Teil gerecht werden kann. Damit wir uns nicht falsch verstehen, Drummond ist kein schlechter Verteidiger; aber er ist eben auch nicht so gut, wie er in manchen Teilen der NBA-Fanszene gesehen wird. Sein Rebounding ist natürlich elitär (die Pistons haben vor allem dank ihm die beste DRB% der Liga), als Rim Protector ist er aber bestenfalls solide. Switches auf Guards am Perimeter sind seine Sache nicht.

Lieber lässt Casey das Pick-and-Roll traditionell verteidigen. Der Big Man sinkt tief ab, der Guard kämpft sich auf sich alleine gestellt um den Screen.

Das lädt den gegnerischen Guard einerseits zum Mitteldistanzwurf ein (was gut ist) und erlaubt es den Flügeln, an ihren Männern zu bleiben: Die Pistons lassen die 4.wenigsten Dreier der Liga zu. Es bringt jedoch auch Probleme mit sich. Der Ballhandler hat nämlich auch viel Raum zum Operieren – was regelmäßig einen Kollaps der gesamten Pistons-Defense zur Folge hat. Das führt nicht unbedingt zu freien Dreiern, aber zu (oft schlecht gelaufenen) Closeouts und damit wieder zu weiteren Drives, häufig auch zu Fouls. Die Pistons lassen trotz der zonenfokussierten Verteidigung die 19. meisten Punkte in der Zone zu (49,2). Auch daran sieht man: Erfolgsversprechend ist in der heutigen NBA nicht immer nur eine moderne Philosophie, sondern auch die passende Execution. Hier etwa hilft wieder Griffin unnötigerweise vom Shooter in der Ecke weg.

Auch Spieler wie Stanley Johnson, Langston Galloway oder Ish Smith haben in der Off-Ball-Verteidigung ihre Aussetzer, Smith und Jackson bleiben dazu beide gerne einmal in Blocks hängen.

Wie schaffen es die Pistons dann trotzdem die 10. beste Defensive der Liga zu stellen? Dafür gibt es eine Reihe von Gründen: Zum Beispiel die starke Transition-Defense (3.wenigste Punkte aus Fastbreaks kassiert), das starke Rebounding und die Flügelzange um Glenn Robinson, Stanley Johnson und Reggie Bullock – und der einfach Spielplan.

In den ersten zwölf Spielen, die die Pistons mit einer 6-6 Bilanz abschlossen, waren mit Boston (2x) und Philadelphia erst zwei klare Playoffteams zu Gast, außerdem nur eine einzige Mannschaft mit überdurchschnittlicher Offensive (die Brooklyn Nets). Selbst gegen schwache Teams konnten die Pistons nur knapp gewinnen. Das Netrtg des Teams ist unterdurchschnittlich, die erwartete Bilanz ist dementsprechend schlechter als die tatsächliche. Die Detroit Pistons sind – vor allem defensiv – ein Top-Kandidat für eine allmählich einsetzende Regression, die sich früher oder später auch in der Bilanz niederschlagen lässt.

Fazit

Das Fazit der ersten Saisonwochen muss daher gemischt bis negativ ausfallen. Dwayne Casey hat im Sommer an den richtigen Stellschrauben gedreht und dem Team einen moderneren Anstrich verpasst, letztendlich kann er aber die Unzulänglichkeiten des eigenen Kaders nicht komplett aufwiegen. Die Pistons haben zu viele eindimensionale Spieler im Kader, die entweder nur offensiv (Galloway, Kennard, Jackson, Griffin, Smith) oder defensiv (Johnson, Bullock, Robinson) etwas beisteuern können. Dazu fehlen passende Komplementärspieler, die den Franchisespieler Griffin ergänzen. Wobei bei Letzterem die Frage erlaubt sein muss: Gibt es die überhaupt?

Es wird mit zunehmendem Alter nicht leichter, ein erfolgreiches Team um Blake Griffin zu bauen – die Pistons haben es für diese Saison nicht geschafft. Sobald der Spielplan etwas anzieht, dürfte die Aussicht für Detroit daher unteres Mittelmaß landen.

Stand: 11.11.2018

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