3-on-1 Fastbreak #4
Nicht viele Argumente sprachen vor dieser Saison für eine erfolgreiche Spielzeit der Charlotte Hornets, spätestens jedoch nach der Verletzung von Michael Kidd-Gilchrist in der Preseason glaubte kaum noch jemand an das Team aus North Carolina. Zur Überraschung aller starteten die Hornets mit einer Bilanz von 12 Siegen und 8 Niederlagen in die neue Spielzeit und stehen aktuell auf dem fünften Platz in der Eastern Conference. Was sind die Gründe für das bisher gute Abschneiden? Kann das Team von Steve Clifford sogar die Playoffs erreichen? Es gibt viele Gründe für unsere Redakteure Julian Lage, Marc Petri und Sebastian Seidel sich die Hornets näher anzuschauen.
Julian Lage: Arbeitet eine Franchise seit mehreren Jahren auf die Postseason hin, sollte sie ein Playoffkandidat sein. Dass dieser Anspruch mit Tücken verbunden ist, zeigen die Kings seit langem, aber auch für die Bobcats-Hornets liest sich die Bilanz in Jahr drei mit echten Gewinnambitionen bestenfalls durchwachsen: Der einzige Playoffauftritt endete mit einem Sweep durch die Heat. Da in dieser Zeit in Al Jefferson, Marvin Williams und Lance Stephenson einige Win Now-Spieler verpflichtet wurden, müsste sich das Management um Rich Cho und Besitzer Michael Jordan durchaus an den (Miss-)Erfolgen messen lassen.
In der vergangenen Offseason musste die Entscheidung fallen, ob das Team weiter auf die Playoffs hinarbeiten oder besser wieder in den Rebuild zurückfallen sollte. Zwei Transaktionen sind in dieser Hinsicht bemerkenswert: Die Trades um Nicolas Batum und Lance Stephenson. Für Batum schickten die Hornets den erst ein Jahr zuvor an Position 9 gedrafteten Noah Vonleh und den aus Spacingsicht eher unpassenden Gerald Henderson nach Portland. Die aktuellen Statistiken Batums lassen den Trade erfolgreich erscheinen, gerade angesichts der enttäuschenden Vorsaison des Wings. Die zum Tradezeitpunkt oft angebrachte Kritik kann davon aber nur teilweise abgeschwächt werden, da Batum mit einem verbliebenen Vertragsjahr das klassische ‚Rental‘ darstellt. Ob die Playoffs ein ausreichendes Ziel für den Preis eines Top 10-Picks sind, bleibt zumindest fraglich. Der Trade für den in der Vorsaison ebenfalls enttäuschenden (und mittlerweile 27-jährigen) Spencer Hawes verspricht genauso wenig eine langfristige Perspektive – die Hornets wollten in erster Linie die Fehlverpflichtung Lance Stephenson loswerden, nahmen dafür aber langfristig Gehalt auf.
Was für die Hornets ein gutes Zeichen darstellt: Die Ziele mit den beiden Trades scheinen erreicht worden zu sein: Batum ist bereits hervorragend ins Team eingebunden (Career-High in Ast% und Usage) und kann damit die Rolle als Multifunktions-Flügel ausfüllen, die Stephenson zugedacht war. Hawes lässt ansatzweise auf eine Rückkehr zu alter Form hoffen, stellt aber zumindest keinen Störfaktor dar – hier lässt sich das Prinzip ‚Addition by Substraction‘ live beobachten. Ohne die Verletzung Michael Kidd-Gilchrists würde das Team aller Wahrscheinlichkeit nach noch besser aussehen, es ist aber ermutigend, dass trotz der Verletzung eines Schlüsselsspielers die Playoffs nicht komplett unrealistisch erscheinen.
Das Kernproblem: In einem stärker werdenden Osten ist der Spielraum nicht mehr allzu groß. In den ersten Spielen ohne Al Jefferson konnten die Hornets 3 aus 4 erzielen, wobei die Niederlage auch noch gegen die Warriors war. Aber: Weitere Ausfälle von Schlüsselspielern kann sich das Team vermutlich nicht erlauben. Mit derzeit 10 Ost-Teams über 50% und zwei letztjährigen Playoff-Teilnehmern dahinter wird eine 43-39-Bilanz wie vor zwei Jahren nicht zwingend ausreichen. Die direkte Konkurrenz wie etwa Celtics und Magic weisen tendenziell den tieferen Kader auf, andere Teams sind schlicht talentierter. P.J. Hairston und Hawes sind nicht unbedingt Rotationsspieler, die ohne echte Stars für eine Postseason-Teilnahme ausreichen – und beide waren schon mit Jefferson fester Teil der Rotation. Daher ist zu befürchten, dass den Hornets im Lauf der Saison die Luft ausgeht. Dass sie derzeit nur ein (!) Spiel hinter den Conference-Führenden liegen, dürfte eine Momentaufnahme sein: Die Hornets sollten zwar für den Rest der Saison Playoffkandidaten sein, aber eben nicht über den Kandidaten-Status hinauskommen.
Marc Petri: In der ersten Spielzeit nach der Rückkehr der Charlotte Hornets in die NBA fehlten den ehemaligen Bobcats ganze fünf Siege zum Einzug in die Playoffs, im bis dato schwachen Osten konnte man die Saison gerade mal auf dem elften Platz beenden. Der Grund war vor allem die schwache Offensive, mit einem Offensive Rating von 100.1 landete man in dieser Kategorie auf Platz 28 – nur die Kellerkinder aus Philadelphia und New York waren noch schwächer. Der Grund dafür waren vor allem das schwache Shooting / Spacing und die Tatsache, dass die beiden offensiven Hauptcharaktere, Kemba Walker und Al Jefferson, nur selten ihr eigentliches Leistungsvermögen abrufen konnten und meist sehr ineffizient agierten.
Defensiv dagegen wusste man über weite Teile der Saison zu überzeugen, so schloss man die Spielzeit 2014/2015 mit einem Defensive Rating von 103.5 ligaweit auf dem neunten Platz ab. Einer der Hauptgründe dafür war Michael Kidd-Gilchrist, welcher sich in den vergangenen zwei Jahren immer mehr zu einen der besten Flügel-Verteidigern der NBA entwickelte. Nach dessen Verletzung in der Preseason, die das Aus für die Spielzeit 2015/2016 bedeuten sollte, stand man also sowohl offensiv als auch defensiv vor einem großen Scherbenhaufen.
Zur Überraschung aller Experten läuft es aber nicht nur defensiv weiterhin gut (mit einem DefRtg von 102.8 liegt man aktuell auf Platz 10) sondern auch die Offensive funktioniert wesentlich besser als im vergangenen Jahr, sodass man mit einem OffRtg von 105.6 in dieser Kategorie in den Top-10 agiert. Gründe dafür gibt es viele:
Spacing:
In der vergangenen Saison nahm man mit nur 19 Dreipunktversuche die siebt-wenigsten pro Spiel und konnte nur 31.8 Prozent dieser Würfe verwandeln. Gemeinsam mit den Philadelphia 76ers, welche exakt 32 Prozent trafen, war man das mit Abstand schlechteste Team der Liga. In der aktuellen Spielzeit nimmt man 27.3 Würfe von jenseits der Dreierlinie und verwandelt immerhin 35.1 Prozent, beide Werte sind jeweils in der oberen Hälfte einzuordnen. Neben Neuzugang Nicolas Batum (109 Versuche – 40.4 Prozent) sticht besonders Power Forward Marvin Williams (81 Versuche – 37.0 Prozent) hervor, der in der aktuellen Saison eine wesentlich größere Rolle bekleidet als noch im vergangenen Jahr (5,6 Minuten mehr Spielzeit pro Spiel) und im Gegensatz zur Vergangenheit weniger Würfe aus der Halbdistanz nimmt. Mit ihm auf dem Court sind die Hornets 5.8 Punkte per 100 Possessions besser als wenn er auf der Bank sitzt, auch weil vor allem Al Jefferson durch die Freiräume direkt am Korb profitiert.
Nicolas Batum und Jeremy Lamb:
Die Sommerneuzugänge waren mit großen Fragezeichen versehen, da der eine seit knapp zwei Jahren in seiner Entwicklung stagnierte und der andere in seinen drei Spielzeiten in der NBA nie dauerhaft seine Tauglichkeit unter Beweis stellen konnte. Alle Kritiker wurden bis zum aktuellen Zeitpunkt aber eines besseren belehrt, denn gemeinsam sorgen die beiden für 30.3 Punkte im Schnitt bei guten Quoten (True Shooting: Batum 57.9 Prozent; Lamb 58.5 Prozent). Offensiv nehmen beide nach Kemba Walker und gemeinsam mit Al Jefferson die wichtigsten Rollen im neuen System von Coach Steve Clifford ein.
In Kombination mit der Tatsache, dass sich Kemba Walker in dieser Saison merklich bei seiner Schussauswahl verbessert hat und auch er zum ersten Mal in seiner Karriere über 35 Prozent seiner Dreipunktversuche trifft und man, wie schon in der Saison 2014/2015 die wenigsten Turnover praktiziert (12,3 TOV / Spiel – Rang 1.) ist es also wenig verwunderlich, dass die Offensive der Charlotte Hornets in dieser Spielzeit wesentlich besser läuft als im vergangenen Jahr. Da mit Kemba Walker und Al Jefferson zwei offensive Eckpfeiler in den vergangenen Jahren oft sehr starken Leistungsschwankungen unterlagen und es sehr optimistisch ist, davon auszugehen, dass sie ihre Leistungen aus den ersten Wochen konservieren, wäre eine Qualifikation für die Postseason eine große Überraschung.
Sebastian Seidel: Wie Marc bereits angesprochen hat sind die Verbesserungen in der Offensive vor allem mit durch das deutlich bessere Spacing erklärbar. Vor allem Point Guard Kemba Walker profitiert davon, dass Verteidiger nicht mehr unbestraft bei seinen Drives aushelfen können und trifft seine Würfe deutlich effizienter (TS 54.1%) als noch in den vergangenen Jahren (Karriereschnitt TS% 49.8). Schlüsselspieler ist aber sicherlich Nicolas Batum. Der Neuzugang aus Portland liefert sowohl Shooting (40% 3P%, 5.7 3PA/G), als auch Playmaking (4.5 APG) vom Flügel und macht die Offensive der Hornets dadurch deutlich variabler. Dazu ist er besonders gefährlich, wenn er abseits des Balles um Blöcke läuft und sich daraus einen freien Wurf erarbeiten kann (1.44PPP).
Die Charlotte Hornets sind eines von vier Teams, welches sowohl im Offensiv- als auch im Defensivrating zu den Top 10 gehört. Die anderen drei sind San Antonio, Golden State und Indiana.
Dabei zeigt Coach Steve Clifford einmal mehr seine Fähigkeit unterdurchschnittliche Verteidiger wie Jefferson, Lamb oder Kaminsky in sein defensives Konzept erfolreich zu integrieren. Rang 9 im Defensivrating obwohl mit Kidd-Gilchrist der beste Verteidiger ausgefallen ist.
Wie in den vergangenen Jahren auch schon schaffen es die Hornets gegnerische Mannschaften regelmäßig in die Halbfeld-Offense zu zwingen. Dies liegt zum einen daran, dass sie kaum Turnover produzieren (Turnover-Rate 11.5% – Rang 1) und zum anderen daran, dass sie wenig am offensiven Glas arbeiten (Offensive Reboundrate 19.2% – Rang 30). So können sie nahezu immer geordnet in die Halfcourt-Defense gelangen.
In der Defensive gibt es auch noch weitere klare Prinzipien. So sinkt der Verteidiger des Big Man, vor allem wenn Al Jefferson in das Pick&Roll involviert ist, sehr tief in die Zone ab. Dadurch minimieren sie das Risiko, dass Jefferson im Dribbling geschlagen wird und forcieren entweder einen langen Pullup-Zweier oder wie in dieser Szene einen schwierigen Floater.
Eine weitere große defensive Stärke sind die aggressiven, aber kontrollierten Closeouts der Hornets. Nur die Miami Heat (0.80PPP) verteidigen gegen den Spot-up noch besser als die Hornets (0.82PPP). In dieser Szene verliert Kemba Walker, am rechten Bildrand, zwar erst Mo Williams aus den Augen, zeigt dann aber wie ein perfekter Closeout aussehen muss. Trotz der nötigen Aggressivität beim Closeout um den Wurf zu verhindern, schafft es Walker mit dem Füßen auf dem Boden zu bleiben und so Williams auch den Zug zum Korb wegzunehmen.
Dank eines in den vergangenen Jahren schon bewiesenen Defensivsystems (unter Steve Clifford immer in den Top 10) und einer stark verbesserten Offensive werden die Hornets in dieser Saison den Wiedereinzug in die Playoffs schaffen.