Eurobasket 2017, Nationalmannschaft

Gruppenspiel 3: Deutschland – Israel

Von Playmaking Bigs, neuen Lineups und einer vermeidbaren Niederlage
Telekom Sport

Von Playmaking Bigs, neuen Lineups und einer vermeidbaren Niederlage

Nach zuvor zwei Siegen musste die deutsche Basketballnationalmannschaft im Spiel gegen Gastgeber Israel die erste Niederlage hinnehmen. Dabei legte die Mannschaft von Bundestrainer Chris Fleming in der gut gefüllten Tel Aviv Arena einen klassischen Fehlstart hin und offenbarte deutliche Probleme mit dem schnellen Stil der bisher sieglosen Israelis, welcher im klaren Gegensatz zur Spielweise der beiden vorherigen Gegner Ukraine und Georgien stand. Nach einer gerade defensiv schwachen ersten Halbzeit machte im weiteren Spielverlauf vor allem das aggressivere Auftreten am eigenen Korb Hoffnung auf den dritten Sieg im dritten Spiel. Doch trotz einer zwischenzeitlich deutlich zweistelligen Führung ebneten eine mehrere Minuten anhaltende offensive Durststrecke und zu viele Ballverluste der deutschen Mannschaft den Weg für ein Comeback der Israelis, welche letztendlich sowohl bei einigen schwierigen Würfen als auch Schiedsrichterentscheidungen das entscheidende Quäntchen mehr Glück hatten und somit schlussendlich den ersten Gruppensieg einfahren konnten. Wir blicken auf die wichtigsten Erkenntnisse der Partie und versuchen etwaige Implikationen für den weiteren Turnierverlauf zu ziehen.

Taktwechsel für die Defense

Nachdem die deutsche Mannschaft in den beiden vorherigen Gruppenspielen mit der Ukraine und Georgien auf zwei Mannschaften traf, welche sich vor allem durch ihre sehr physischen Zonenspieler definieren, stellte sich die Mannschaft der Gastgeber im starken Kontrast hierzu dar. Mit keinem Spieler über 2,06m, dafür aber sehr viel Agilität und Geschwindigkeit auf allen Positionen war gerade dieser Umstand Grundlage des 6-0 Starts der Israelis. Vor allem die beiden beweglichen Bigs Howell und Eliyahu waren im Zusammenspiel für die deutsche Defense kaum greifbar und kamen wiederholt zu guten Abschlussmöglichkeiten in der Zone. Dabei wurde Eliyahu wiederholt als Initiator der Offense genutzt, der den Ball am linken Perimeter erhielt und von dort via Hand-Off, Entry-Pass oder Anspiel auf cuttende Mitspieler die Defense attackierte.

Eliyahu wird am Perimeter angespielt (1), erzwingt mit der Aktion zum Korb das Doppeln und spielt auf den in die Zone cuttenden Howell(2), nur um den Ball von diesem nach erneutem Doppeln der deutschen Mannschaft sofort wieder zurück zu erhalten (3) und mit seinem gewohnten Floater abzuschließen (4).

Weiterer Nebeneffekt der schnellen Bigs waren Probleme im defensiven Rebound. So kamen die Spieler von Coach Edelshtein immer wieder zu zweiten Chancen, nachdem sie durch ihre quirlige Spielweise die deutsche Mannschaft mittels Switches in Missmatches gezwungen hatten oder die deutschen Bigs ihre agileren Kontrahenten nicht rechtzeitig ausboxen konnten.

Besserung im deutschen Spiel wurde ersichtlich, als die Spieler des DBB aufgrund des im bisherigen Turnierverlaufs stark unterdurchschnittlichen Shootings der Israelis vermehrt begannen gen Zone abzusinken und somit weniger Räume für das Inside-Spiel des Gegners ermöglichten.

Beim Drive von Dawson kommt Voigtmann sofort zur Hilfe, Benzing erschwert den Durchstecker auf Howell, Barthel und Tadda sinken beide stark von ihren jeweiligen Mitspielern Richtung Zone ab.

Gleichzeitig wurden zu diesem Zeitpunkt zur Mitte des ersten Viertels in der eigenen Offense auch vermehrt die Größenvorteile am Brett adressiert. So konnte vor allem Johannes Voigtmann mehrfach in Korbnähe eingesetzt werde und mit sechs Punkten in kurzer Zeit den Spielstand deutlich ausgeglichener gestalten.

Voigtmann wird von Benzing am Perimeter angespielt (1), spielt den Handoff mit Schröder (2), rollt zum Korb ab und kann nach Pass von Schröder (3) am Korb abschließen (4).

Alte Probleme und neue Lösungsansätze

Wenn das unzuverlässige Shooting der israelischen Mannschaft Erwähnung findet, so muss ebenfalls konstatiert werden, dass auch die DBB-Auswahl im dritten Gruppenspiel erneut keine gute Leistung beim Wurf von außen zeigte. Bei 17 Versuchen von jenseits der 6,75m waren die Spieler der deutschen Mannschaft lediglich in 4 Situationen erfolgreich, Akteure wie Tadda, Schröder oder Staiger blieben gar ohne einen einzigen erfolgreichen Dreierversuch. Dabei darf hinterfragt werden, wieso gerade Letztgenannter lediglich fünf Minuten Einsatzzeit sah. So eint ihn zwar eine gewisse defensive Schwäche mit Starter Robin Benzing, während dieser jedoch offensiv in der heutigen Partie als Nonfaktor gesehen werden muss, böte Staiger als starker Shooter zumindest eine potenzielle Verbesserung dieser Baustelle im Spiel der Deutschen.

Eine Neuerung in der Flügelrotation stellte hingegen der erste Einsatz von Bambergs Patrick Heckmann im Turnier dar, welcher von Chris Fleming im zweiten Viertel einige Minuten Einsatzzeit erhielt, in welchen er sich in erster Linie auf die Verteidigung vom israelischen Flügelspieler und Star Omri Casspi konzentrierte und seine Aufgabe dabei durchaus solide absolvierte. Mit seiner im Vergleich zu Benzing und Staiger deutlich physischeren Spielweise könnte der gebürtige Mainzer für die kommenden Gruppenspiele somit ein sinnvoller Kandidat für einige Minuten von der Bank sein.

Das erneut schwache Shooting der deutschen Mannschaft muss dabei als direkte Folge eines weiteren Problems gesehen werden: So war im Spielverlauf über weite Strecken erneut ein enormer Abfall im Playmaking zu erkennen, sobald Dennis Schröder auf der Bank Platz nahm. Gerade in der ersten Halbzeit waren diese Phasen immer wieder von Planlosigkeit und einem ideenlosen Offensivspiel geprägt. Zu selten gelang es den deutschen Ballhandlern zum Korb zu penetrieren, die Big Men einzubinden oder selber zu punkten. In Kombination mit einer phasenweise schlechten Transition Defense waren diese Aspekte die Hauptgründe dafür, dass der Rückstand Mitte des zweiten Viertels in den zweistelligen Bereich stieg. Umso positiver hervorzuheben ist daher die Tatsache, dass in der aus deutscher Sicht wohl besten Phase des Spiels im dritten Viertel ohne Schröder die höchste Führung von 17 Punkten erspielt werden konnte. Nachdem der deutsche Topscorer nach einem Foul sowie anschließendem technischen Foul wegen zu deutlicher Schiedsrichterkritik auf der Bank Platz nehmen musste, zeigten gerade die Ballhandler von der Bank eine deutliche Verbesserung zur ersten Halbzeit: Maodo Lo und Ismet Akpinar spielten mit wesentlich mehr Selbstvertrauen und Aggressivität, zogen entweder zum Korb oder setzen wie Lo wiederholt die deutsche Big Men-Garde exzellent in Szene. Herausragender Akteur in dieser Phase war jedoch Ex-Bamberger und Neu-Celtic Daniel Theis.

Der Theis-Effekt 2.0

Nachdem Theis, wie bereits im Rückblick auf das Spiel gegen Georgien beschrieben, zuletzt mit deutlich aufsteigender Formkurve seine Wichtigkeit für das deutsche Team gerade am defensiven Ende des Feldes bewiesen hatte, wurde er im Spiel gegen Israel auch in der gegnerischen Hälfte zum wichtigen Faktor im Spiel der deutschen Auswahl. Nachdem er sich bereits im zweiten Viertel mit mehreren wichtigen Aktionen als Rim Protector und Rebounder hervorgetan hatte und infolgedessen zu Beginn der zweiten Halbzeit für Danilo Barthel in die Starting Five befördert wurde, zeigte Theis wiederholt enorme Präsenz beim offensiven Rebound und sicherte seiner Mannschaft somit entweder zweite Chancen oder schloss selber kompromisslos ab. Auch durch sein beständiges Abrollen in die Zone und als Anspielstation am Brett sorgte er wiederholt für Probleme in der israelischen Defense und verhalf dem deutschen Team somit auch ohne Dennis Schröder auf dem Feld zur besten Phase des Spiels. So gelang es dem DBB-Team in der zweiten Halbzeit über längere Phasen deutlich besser die Rebounds am eigenen Brett zu kontrollieren sowie die Drives der israelischen Spieler zu verhindern.

Theis bekommt aus dem Horns-Set von Voigtmann den Ball am Perimeter und spielt den Handoff mit Schröder (1), rollt sich in die Zone ab (2), wird im richtigen Moment von Schröder angespielt (3) und kann per Dunk abschließen (4).

Eine vermeidbare Niederlage

Dass die deutsche Mannschaft nach zwei Blocks von Daniel Theis zum Ende des dritten Viertels mit einer 12-Punkte Führung (69-57) ins Schlussviertel ging, am Ende des Spiels jedoch dennoch nicht in der Lage war, den dritten Sieg im dritten Gruppenspiel zu erringen, hatte diverse Gründe. So sind wohl vor allem die vielen Ballverluste als Faktor dafür anzuführen, dass der längere Zeit sicher geglaubte Sieg auf der Zielgeraden noch aus der Hand gegeben wurde. Zu oft dribbelten sich die deutschen Ballhandler in der israelischen Defense fest, zu oft wurden Entry Pässe auf die Big Men zu unsauber gespielt.

Schröder wird nach Pin Down durch Theis von Lo angespielt (1), geht sofort in das Pick&Roll mit Theis über (2), dribbelt dabei jedoch genau in das Double Team hinein (3) und verliert als Resultat den Ball (4).

Gleichzeitig muss auch die Schiedsrichterleistung vor allem im letzten Viertel zumindest als Teilfaktor dafür angeführt werden, dass sich das Spielgeschehen noch einmal so grundlegend drehen konnte. Zu oft war in dem Maß an Physis, welches den deutschen Spieler von der gegnerischen Defense entgegengebracht wurde und dem, welches sie selbst in der eigenen Hälfte an den Tag legen durften, ein zu großes Ungleichgewicht zu erkennen. Die Folge dessen war neben mehreren nicht erfolgten Foulpfiffen nach Drives von Schröder vor allem eine spürbare Verunsicherung der deutschen Mannschaft in der eigenen Verteidigung. So kam es, dass die israelische Mannschaft nach einer mehr als vier Minuten andauernden Dürrephase der deutschen Offense durch den erfolgreichen Dreier von Guy Pnini mit 80-81 in Führung gehen und schließlich den von den heimischen Fans bejubelten ersten Gruppensieg erringen konnte.

Fazit und Ausblick

Mit der aktuellen Bilanz von 2-1 belegt die deutsche Mannschaft nun hinter Italien den zweiten Platz der Gruppe B. Wäre ein Sieg über Israel wohl fast schon gleichbedeutend mit der Qualifikation für die KO-Phase gewesen, erscheint diese nun wesentlich gefährdeter. Während die Mannschaft von Coach Fleming mit Italien und Litauen noch auf die wohl besten Teams der Gruppe trifft, sollte gerade der Ausgang der Partie zwischen Georgien und Israel von großer Bedeutung für das Weiterkommen der deutschen Nationalmannschaft sein.

Mit Blick auf die anstehende Partie gegen Italien am Dienstag wird gerade das Defensivverhalten auf dem Flügel von spielentscheidender Bedeutung sein. So weiß das italienische Team mit Marco Bellinelli und Gigi Datome zwei Spieler mit NBA-Erfahrung und ausgesprochenen Scoring-Fähigkeiten in seinen Reihen, wie sie die deutsche Defense in diesem Turnier noch nicht zu Gesicht bekommen hat. Inwiefern die beiden Hauptakteure der italienischen Offense gerade beim Wurf von außen kontrolliert werden können, von wo aktuell beide bei hohem Volumen enorm treffsicher agieren (Bellinelli 56,5 3P%/Datome 57,9 3P%) dürfte spielentscheidend sein. Dieser Fokus auf die Verteidigung am Perimeter dürfte neben Karsten Tadda vor allem Spielern wie Ismet Akpinar und Patrick Heckmann zu mehr Minuten verhelfen. In Kombination mit einer dauerhaften Beförderung von Daniel Theis in die erste Fünf könnte eine solche Maßnahme das Fundament für einen Sieg gegen die Mannschaft von Coach Ettore Messina bilden und damit verbunden große Chancen auf einen Platz unter den letzten 16 Teams bedeuten.

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