Kentucky Wildcats
Datenblatt
Name: Jamal Murray
Position: Playmaker
[xrr rating=2/4] (Starter)
College: Kentucky Wildcats
College-Erfahrung: Freshman
Obwohl Jamal Murray als Jugend-Nationalspieler sowohl bei den U16 FIBA Americas 2013 als auch bei der U17 FIBA WM 2014 jeweils als Topscorer der kanadischen Auswahl für Furore sorgte, brauchte er den Sommer 2015, um in den ungeteilten Fokus der NBA-Scouts zu rücken. Bis dahin hatte sich der Guard das Rampenlicht immer mit dem extrem gehypten HS-Teamkollegen Thon Maker teilen müssen. Doch dies änderte sich vor rund einem Jahr schnell. Zuerst führte der Playmaker die Welt-Auswahl beim Nike Hoop Summit mit vielen wichtigen Körben zum Sieg gegen Team USA und wurde zum MVP der Partie gewählt. Seine 30 erzielten Punkte stellen bis heute dabei hinter den erzielten Zählern von Enes Kanter (34) und Dirk Nowitzki (33) den drittbesten Scoringwert eines Internationals bei diesem Event dar. Es folgten die Pan America Games bei denen Murray besonders mit seinen Clutch-Momenten im Halbfinale-Sieg nach Verlängerung gegen die amerikanische Auswahl überzeugen konnte und so einen entscheidenden Anteil zur gewonnenen Silber-Medaille der Kanadier beitrug. Sein überzeugender Auftritt inspirierte unseren Experten für internationale Scoutings, Artur Kowis, zu einer ersten Video Analyse des Guards:
Danach ging alles ganz schnell. John Calipari bot dem HS-Junior ein Stipendium für 2015/16. Der Guard nahm dieses Angebot dankend an und bediente sich (wie schon Karl-Anthony Towns, Andrew Wiggins oder Andre Drummond) des Tricks der Reclassification, um sein letztes Jahr an der High School kurzerhand zu überspringen. Für die Wildcats lieferte Murray nach einigen Anlaufschwierigkeiten besonders im SEC-Play eine der überzeugendsten Scoring-Seasons eines Kentucky-Freshmans überhaupt ab, indem er bspw. den Uni-internen Punkte-Rekord (35) für Froshs von Terrence Jones einstellte und als einziger Kentucky-Neuling überhaupt mehrere 30-Punkte-Spiele verbuchen konnte.
Tools
Jamal Murray ist körperlich nicht der imposanteste Spieler und entschied sich wohl auch deswegen gegen eine Teilnahme am NBA Combine. Seine bei Kentucky gemessene Körpergröße von 6‘4‘‘ wäre für einen reinen Einser schon sehr gut. Für ihn als Combo-Guard ist dieses Maß gepaart mit seinen recht kurzen Armen (6‘6‘‘ Wingspan) als eher unterdurchschnittlich anzusehen. Eine Korrektur nach unten durch offizielle Messungen der NBA-Offiziellen hätte Murray im Hiblick auf die Draft schaden können. Gleiches gilt für die Athletik-Drills, die das Bild eines etwas fußlahmen Durchschnittsathleten wohl nur verfestigt hätten. Der Kanadier konnte am College weder mit herausragend hohen Endgeschwindigkeiten im Fastbreak noch mit besonders explosiven Antritten im Halfcourt überzeugen. Dafür hat er ein gutes Gefühl für Bewegungen auf engstem Raum und kann als flink bezeichnet werden. Außerdem muss man ihm zugutehalten, dass Murray mit seinen rund 205 lbs. sehr kompakt und durchtrainiert wirkt. Das Gewicht hilft ihm in vielen Situationen, Kontakt sehr gut wegzustecken und ständig eine gute Balance zu wahren.
Zuletzt ist anzufügen, dass der Playmaker ein unterschätzter Springer ist. Beim Kentucky-Combine lieferte er mit 39.5 Inches einen Max Vertical-Wert ab, der ihn auch in Chicago in die Top 7 der besten Highflyer geschoben hätte. Von Zeit zu Zeit kann Murray diese Sprunggewalt auch auf dem Parkett zeigen und damit viele Beobachter überraschen:
Scoring
Auch wenn es nach schwachen Anfangsmonaten gar nicht danach aussah (November: 42 FG%, 32 3P% Dezember: 38 FG%), ist der Wurf Murrays größte Stärke. Eine drei Monate andauernde Hotstreak mit ihrem Höhepunkt im Februar (48 3P% bei 4,5 3PM), sorgte nicht nur dafür, dass sich der Kanadier seinen „Bow&Arrow“-Signature Move zulegen musste, um nach jedem erfolgreichen Distanzwurf seiner Gefährlichkeit als Schütze Nachdruck verleihen zu können. Letztlich beendete Murray die Saison als Mitglied des 50/40/80-Clubs und produzierte seine starken 20 PpG durch die vielen getroffenen Dreier (3,1 3PM bei 41 3P%) mit großartiger Effizienz (120 ORtg bei 27 USG%).
Ihm half vor allem eine Rollenumstellung gegen Saison-Mitte, die ihn von Dribble-Drive-Ballhandling-Aufgaben weitestgehend befreite und ihn mehr in Off-Ball-Situationen agieren ließ. Dies akzentuierte seine großen Stärken viel besser. Er ist ein extrem zuverlässiger Spot-Up-Schütze (1,09 PPP), der sich mental noch während des Passes auf seinen Wurf vorbereiten kann, schnell die Füße setzt und in einer flinken, flüssigen Bewegung abschließt. Seine Range erstreckt sich bis hinter die NBA-Dreierlinie und eventuell sogar darüber hinaus:
Besonders beeindruckend wird es aber, wenn Murray nicht nur als stationärer Schütze eingesetzt, sondern durch Screens gejagt wird. Er bewegt sich ungemein geschmeidig um die Blöcke seiner Mitspieler, braucht nur sehr kleine Zeitfenster, um seine Balance zu finden und seinen Wurf mit hoher Genauigkeit loszuwerden:
Murray kristallisierte sich über die Saison als wohl bester Off-Screen-Schütze des gesamten CBBs heraus. Seine 1,51 PPP in diesen Situationen erreichte kein anderer Spieler bei vergleichbarem Wurfvolumen. Dies liegt vor allem daran, dass Murray Defenses sehr gut lesen kann und mehr Optionen als den eindimensionalen, sofortigen Abschluss nach seinen Sprints um Blöcke hat.
Der Kanadier erkennt, wenn seine Geschwindigkeit nicht ausreicht und der Abstand zum Verteidiger zu klein ist, um einen sauberen Wurf loszuwerden und findet eine andere Lösungen:
X&O-Spielereien mit ihm als Screener sind möglich, da er immerhin 205 lbs. auf die Waage bringt:
Zudem hat Murray verstanden, welche Gravity er mit seinem Wurf verursacht und angefangen diese auch zu seinem Vorteil zu nutzen, indem er Verteidiger mit Shotfakes vorbeifliegen lässt oder mit Körpertäuschungen in die falsche Richtung schickt, um sich Wurffenster zu erarbeiten:
Muss der Kanadier als Main-Shot-Creator agieren, glänzt er vor allem in Situationen, in denen er von seinem guten Shooting-Touch profitieren kann. Sowohl Floater aus dem Dribbling oder Pullups nach schnellem Stoppen weiß er zu verwandeln:
Führt Murray den Ball, nutzt er vor allem sein gutes Handling und verschiedene Geschwindigkeit-Änderungen, um Verteidiger aus der Balance und sich in gute Spots zu bringen:
Allerdings stößt der 19-Jährige durch seine Athletik an Grenzen und kann nicht jedem Defender seinen Willen aufzwingen, da es oft an einem schnellen ersten Schritt fehlt, um einen Vorsprung beim Drive zu erlangen:
Am College stellte die fehlende Explosivität bei der Shot Creation noch kein großes Problem dar. Murray kam noch immer gut zum Korb (20% seiner Würfe am Korb) und schloss dort gut ab (65 FG%@Rim), da er ein Talent dafür zu besitzt, auch schwierigste Würfe noch irgendwie verwandeln zu können. Dies könnte ihm aber langfristig auf die Füße fallen, da aus diesen toughen Körben am College in der NBA ganz schnell geblockte – oder Fehlwürfe werden:
Playmaking
Wie im vorherigen Abschnitt sicherlich anklang, ist der ehemalige Wildcats-Freshman in der ersten Linie ein Scorer. In seiner Rolle als um Screens sausender Distanzwurf-Killer mit sekundären Ballhandler-Aufgaben neben einem eher pass-fokussierten Aufbauspieler Tyler Ulis fühlte sich Murray sichtlich wohl. Für die NBA ist Ähnliches zu erwarten. Er ist eher ein Combo-Guard und kein Fulltime-Playmaker. Klarer Indikator dafür ist, dass sich für seine College-Karriere das Verhältnis von Ballverlusten zu direkten Korbvorlagen gerade einmal die Waage hält (0,94 A/TO-Ratio). Das hängt auch damit zusammen, dass Murray oftmals von seiner Score-First-Mentalität übermannt werden kann und dadurch schlechte Entscheidungen trifft:
Allerdings kann man ihm auch für viele Situationen gutes Gefühl für Pässe und Mitspieler sowie eine überdurchschnittliche Courtvision attestieren:
Auch im Pick’n’Roll besitzt er Potential, da seine Mischung aus Handling/Passing und Wurf in doppelter Hinsicht Gefahr ausstrahlt:
Leider fehlt ihm auf dem nächsten Level ggf. der Drive, um aus ihm eine konstante Triple-Threat zu machen.
Defense
Jamal Murray kann nicht vorgeworfen werden, sich am defensiven Ende des Feldes nicht reinzuhängen. Der Guard versucht stets nah am eigenen Mann zu kleben und diesen so gut es geht zu beeinträchtigen. Manchmal hat er damit auch Erfolg und kann den Gegner zu Fehlern zwingen:
Diese von Erfolg gekrönten Szenen sind allerdings eher selten. Oft wirkt Murray in seinen vielen Bewegungen sogar zu hibbelig und lässt sich auf dem falschen Fuß erwischen. Hinzu kommen neben solchen kleineren technischen Fehlern seine athletischen Limitationen, die sich auch in seiner Fähigkeit widerspiegelt, Turnover zu verursachen (1,6 STL%). Mangelnde Explosivität und die verhältnismäßig kurzen Arme verhindern es nicht nur oft vor dem eigenen Mann zu bleiben, sondern lassen auch Deflections zur Seltenheit werden. Gegnerische Coaches attackierten ihn deswegen schon sehr gern, wenn ihnen athletischere Guards zur Verfügung standen:
In der NBA wird Murray individuell wohl nie ein Plus-Verteidiger werden können. Allerdings könnte er in Teamkonzepten funktionieren, wenn er sich darauf konzentriert, solche mentalen Fehler zu vermeiden:
Mit Blick auf seinen robusten Körper, sein Alter und seinen guten Basketball-IQ scheint es zumindest nicht ausgeschlossen, dass Murray defensive Konzepte erlernt und seinen athletischen Limitationen entsprechend umsetzt. Neben der schon gezeigten defensiven Aktivität sprechen auch seine soliden Reboundingzahlen dafür, dass zumindest seine Einstellung stimmt (1,5 ORpG).
Spielervergleich
Murrays Spiel schreit mit seinem Potential für zunächst Instant Offense 6th-Man. Durch seinen Wurf und sein Playmaking, das sich noch in die richtige Richtung entwickeln kann, könnte er aber zu einem der besten Bank-Anführer der Liga werden. Packt er es auch defensiv zumindest seinen Mann zu stehen oder kommt er in eine Situation, in der der zweite Guard seiner Starting-Lineup seine Schwächen in der Verteidigung kompensieren kann, könnte er auch als Starter eine wichtige offensive Option für seine Franchise darstellen. Potentielle Draftposition gepaart mit seinen Scoring-Anlagen und seinem Clutch-Gen erinnern mich an Ben Gordon aus den Bulls-Zeiten, der auch mal an #3 gezogen wurde und als Rookie direkt bester Sechster Mann wurde. Läuft die Karriere langsamer an, sollte er noch immer mindestens ein Austin Rivers mit besserem Wurf sein. Explodiert der 19-Jährige, ist eine Entwicklung in Richtung CJ McCollum denkbar. Murray hat ähnliches Wurfpotential und eine vergleichbare Craftiness in seinem Spiel.
Statsvergleich innerhalb der Draftclass
Draftaussichten
Bisher scheint nur die Top 2 der Draft zu stehen. Dahinter folgt ein Cluster mit etwa einem halben Dutzend Spieler, die alle in dieser 3-10 Range gepickt werden könnten. Es kommt auf die Teamsituation, individuelle Workouts und Interviews sowie die Vorlieben der Entscheidungsträger an. Murray scheint im Vergleich zu Überathleten wie Dunn oder Brown ein etwas niedrigeres Ceiling zu haben, dafür bringt er den wohl wichtigsten Skill für die NBA mit – Shooting. Für mich wäre es deswegen eine Überraschung, wenn er in die zweite Hälfte der Lottery rutscht.